Bezahlt Ricciardo für Reifenwahl?
Für Renault läuft es fast wie geschmiert. Daniel Ricciardo startet vom fünften Platz. Sein Auto hat noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Nur die ungewöhnliche Reifenwahl bereitet dem Australier Sorgen. Renault setzte zu häufig die harten Reifen ein, die im Rennen entscheidend werden können.
Beim GP England vor einer Woche machte Renault zum ersten Mal richtig Kasse. Nach drei achten Plätzen in Folge räumten Daniel Ricciardo und Esteban Ocon auf einen Schlag 20 Punkte ab. Schon da zeigte sich, dass Renault mit einer Serie von Aero-Upgrades Zeit gefunden hatte. Die Ränge 4 und 6 von den Startplätzen 8 und 9 waren kein Zufall. Die Steigerung im Rennen lag auch daran, dass die Renault pfleglicher mit den Reifen umgingen als ihre direkten Konkurrenten. McLaren und Racing Point lagen im Rückspiegel. Nur Ferrari-Fahrer Charles Leclerc verstellte Ricciardo den Blick auf das Podium. Mit 1,2 Sekunden Rückstand hatte er den Ferrari aber schon auf Sichtweite.
Eine Woche später scheint es für Renault noch besser zu laufen. Ricciardo sah lange wie ein Kandidat für den dritten Startplatz aus. Der Australier wurde von Nico Hülkenberg und Max Verstappen noch abgefangen. Bei Ocon lief es dagegen nicht rund. Der Franzose blieb als Elfter im Q2 hängen und muss auch noch drei Startplätze zurück, weil er George Russell im Q1 auf einer schnellen Runde behindert hatte. Ocon beklagte sich, dass ihn sein Team besser informieren hätte müssen. Prinzipiell fühlte sich sein R.S.20 besser an als am Freitag, aber die vier Zehntel Abstand zu Ricciardo waren einfach zu viel: "Ich konnte den Speed in den Kurven nicht mitnehmen, wenn ich ihn brauchte."
Das Ziel heißt Hülkenberg
Daniel Ricciardo war mit seinem fünften Startplatz zufrieden. "Die Top 3 sind nur zwei Zehntel weg. Ich muss nichts bedauern. Wir haben alle Chancen genutzt." Der Renault präsentierte sich in den windigen Bedingungen gegenüber der Vorwoche noch einmal verbessert. Das zeigt der Vergleich der Rundenzeiten mit dem Samstag vor sieben Tagen. Alle verloren wegen des starken Windes und den höheren Reifendrücken Zeit, doch Renault stand in Relation besser da als viele seiner direkten Gegner. Besser sogar als Mercedes und Red Bull. Während die beiden Topteams 0,851 Sekunden liegenließen, hielt Renault den Zeitverlust mit 0,288 Sekunden in überschaubaren Grenzen. Racing Point schwamm im gleichen Boot, während Ferrari und McLaren massiv Zeit verloren.
Anhand der Longruns am Freitag glaubt Ricciardo, dass er Nico Hülkenberg am Sonntag schlagen kann. "Dem Nico wird nach 20 Runden der Kopf zur Seite hängen", prognostizierte der Australier mit einem breiten Grinsen. Max Verstappen dagegen wird kaum zu halten sein, auch wenn er in der ersten Runde wegen der harten Reifen eine leichte Beute sein könnte. "Max ist die große Unbekannte. Er wird später von den harten Reifen profitieren. Ich schätze, er wird ein einsames Rennen hinter den Mercedes haben." Doch dahinter schon will sich Ricciardo einordnen. Ein vierter Platz, so wie in der Woche davor, ist keine Utopie.
Nur ein Satz harter Reifen
Ricciardo lobte die Schritte, die Renault selbst in der Pause zwischen den beiden Silverstone-Rennen gemacht hat. Obwohl die gelbschwarzen Autos schon am Freitag eine starke Form zeigten, gelang über Nacht mit einer neuen Abstimmung ein weiterer Schritt nach vorne. Die ominöse mechanische Änderung am Auto erlaubte neue Abstimmungen, die sich vor allem in den schnellen Kurven positiv ausgewirkt haben. Und genau die waren bislang die Schwäche der Renault. "Das Heck ist jetzt viel stabiler in den schnellen Ecken. Ich kann jetzt Copse Corner zum ersten Mal voll fahren", lobte Ricciardo.
Sorgen macht ihm nur die unorthodoxe Reifenstrategie seines Teams. Renault hat als einziges Team schon am Freitag eine Garnitur der harten Reifen verheizt. Dazu kamen noch einmal drei Medium-Sätze für die Qualifikation. "Der Medium-Reifen hat mir im Q2 gleich acht Zehntel im Vergleich zum Soft gebracht. Es war so viel einfacher, eine schnelle Zeit damit zu fahren, dass wir die Reifen auch im Q3 verwendet haben." Damit hat Renault für den Grand Prix nur noch einen frischen Satz der harten Reifen, sonst aber lediglich gebrauchte Garnituren der härteren Mischungen.
Ricciardo stellte seinen Ingenieuren am Freitagabend noch ein paar unangenehme Fragen, ob es wirklich notwendig war, schon am Freitag einen Satz des besten Rennreifens zu verballern. "Ich will noch nicht sagen, dass es ein Fehler ist, aber es war auch nicht ideal." Noch sei ein Zweistopp-Rennen möglich. Ricciardo wird wie alle in den Top Ten, bis auf Max Verstappen, auf den Medium-Gummis starten. Dann kann er wählen, ob er mit einem Satz Medium oder den harten Sohlen weitermacht, die für alle im Rennen als eine Art eiserne Reserve herhalten müssen. Mit dem Unterschied, dass alle außer Renault noch zwei Satz davon haben. Die frischen Soft-Reifen im Kontingent taugen höchstens ganz am Ende für eine schnellste Runde. Aber dazu braucht man einen Gratis-Boxenstopp.