„Das war surreal, wie im Film“
Nico Hülkenberg gab am Freitag in Silverstone überraschend sein Formel-1-Comeback. Nach zwei anstrengenden Trainingssitzungen zeigte sich der Aushilfspilot erschöpft aber glücklich. Für den Rest des Wochenendes sieht er noch Verbesserungsbedarf.
Eigentlich wollte Nico Hülkenberg am Freitag Testfahrten am Nürburgring für sein GT-Masters-Debüt Mitte August absolvieren. Den Rest des Wochenendes hatte ihn RTL als TV-Experte gebucht. Doch dann gab es eine klitzekleine Planänderung. Racing-Point-Teamchef Otmar Szafnauer hatte sich telefonisch gemeldet. Nach der Corona-Infektion von Sergio Perez suchte das Team kurzfristig Ersatz für das Rennwochenende in Silverstone.
Hülkenberg, der seit seinem Rauswurf bei Renault in der Winterpause in Wartestellung blieb, musste nicht lange überlegen. Die Königsklasse rief und der Pilot sagte direkt zu. Bis es zum Comeback kam, gab es aber noch einige Dinge zu erledigen. Am Freitagabend, nach den beiden Trainingssitzungen, hatte der Pilot zum ersten Mal Gelegenheit, die letzten 24 Stunden Revue passieren zu lassen.
"Die ganze Nummer war wirklich verrückt und wild. Das war echt surreal, wie im Film", grinste der 32-Jährige. "Am Donnerstag habe ich um 16 Uhr den Anruf bekommen. Dann bin ich direkt in den Flieger gestiegen. Bis nachts um zwei Uhr haben wir in der Fabrik noch einen Sitz angefertigt. Um acht Uhr in der Früh ging es dann für eine Stunde in den Simulator. Das war echt eine kurze Nacht."
Nachtschicht in der Racing-Point-Fabrik
Hülkenberg musste sich in kürzester Zeit auf die komplizierte Aufgabe vorbereiten: "Im Simulator ging es vor allem darum, mich an das Lenkrad zu gewöhnen und die ganzen Funktionen kennenzulernen. Leider blieb nicht viel Zeit, weil ich ja in der Früh auch noch zum Corona-Test musste."
Am Ende halfen alle mit vereinten Kräften, dass das Comeback gelingt und Hülkenberg schon im ersten Training im Cockpit sitzen konnte. Der Rückkehrer wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte: "Einige unserer Jungs mussten eine Nachtschicht einlegen, damit ich überhaupt ins Auto passe. Am Ende war es sogar einigermaßen bequem. Dazu auch noch ein Dankeschön an die FIA, die es mit der Superlizenz so schnell geregelt hat."
Der Aufwand lohnte sich. Am Ende kam der Aushilfsmann immerhin auf 51 Runden. In der Zeitentabelle reichte es direkt zu Rang acht, gut sechs Zehntel hinter seinem Teamkollegen Lance Stroll. Doch die Zeiten waren am ersten Trainingstag zweitranging.
"Das Wichtigste heute war, dass wir das Programm durchgebracht haben. Ich konnte ordentlich Runden drehen, was ich auch körperlich spüre. Und was ich sicher auch morgen und übermorgen noch spüren werde. Man kann leider nicht für die G-Kräfte trainieren. Und dann habe ich mir noch eine Strecke wie diese mit vielen schnellen Kurven an einem extrem heißen Tag ausgesucht", scherzte Hülkenberg.
Steigerung am restlichen Wochenende
Der erfahrene Pilot war sich der schwierigen Aufgabe aber schon vorher bewusst: "Ich habe versucht alles Schritt für Schritt anzugehen und mich im Auto langsam zu steigern. Dabei habe ich mich direkt einigermaßen wohlgefühlt, aber es war natürlich noch nicht perfekt. Das kann man ja auch nicht erwarten bei einem neuen Auto."
Obwohl Hülkenberg letztes Jahr noch im Renault unterwegs war, musste er sich erst wieder eingrooven. "Es war doch etwas anders als das, was ich aus dem Vorjahr gewohnt war. Das braucht eine Zeit, bis man versteht, wie man zu fahren hat. Ich werde heute Abend sicher auch noch einmal die Daten studieren."
Konkrete Ziele hat sich der Emmericher noch nicht gesetzt. Allerdings erwartet er für den Samstag eine Steigerung: "Man erkennt direkt das große Potenzial dieses Autos. Ich habe leider nicht alles aus dem weichen Reifen rausgeholt. Da steckt noch mehr drin. Da muss ich mir nochmal anschauen, wie ich das besser machen kann. Auch im Longrun gibt es noch Nachholbedarf."
Trotz Schmerzen im Nacken und wenig Zeit zum Regenerieren zeigte sich Hülkenberg zufrieden: "Ich wurde richtig ins kalte Wasser geschmissen, komplett ohne Vorbereitung. Das war eine große Herausforderung, die ich aber gerne annehme. Man muss die Gelegenheit beim Schopf packen. Ich freue mich schon auf den Rest des Wochenendes und werde natürlich alles geben."