Ferrari langsamer als Kundenauto
Nach der Qualifikation von Spa fragten sich die Ferrari-Fans: Geht es noch schlimmer? Das Rennen lieferte die bittere Antwort: Es geht. Sebastian Vettel und Charles Leclerc kamen sogar hinter dem Kundenauto von Kimi Räikkönen ins Ziel.
Man möchte nicht in der Haut von Ferrari.Teamchef Mattia Binotto stecken. Am Montag nach dem Rennen in Spa haben die italienischen Medien mit ganz großen Kanonen gegen ihr Nationalheiligtum geschossen. "Langsam, schäbig, unzuverlässig", schreibt zum Beispiel "La Repubblica". Ein "Mangel an Ideen und Mut", attestierte die "Gazzetta dello Sport".
Ausgerechnet vor den beiden Heimrennen in Monza und Mugello lieferte Ferrari die schlechteste Leistung des Jahres ab. Der schwache Eindruck vom Samstag wurde im Rennen noch getoppt. Ferrari fiel aus dem Mittelfeld und landete unsanft in der Gruppe der Hinterbänkler.
Sebastian Vettel und Charles Leclerc kamen in einer Gruppe mit Fahrern von Alfa Romeo, Haas und Williams ins Ziel. Kimi Räikkönen eine Sekunde vor ihnen, Romain Grosjean zwei Sekunden dahinter. Und selbst Nicholas Latifi im Williams hielt die beiden roten Renner in Sichtweite. Auf Sieger Lewis Hamilton fehlten fast 73 Sekunden. Das nur als Randnotiz, denn Mercedes fährt in diesem Jahr zwei Klassen vor Ferrari. Man kann die beiden Autos nicht mehr wirklich miteinander vergleichen.
Leclerc verlor in sieben Runden vier Plätze
Das Rennen deckte noch schonungsloser als die Qualifikation die Schwächen des Ferrari auf. "Uns fehlt ernsthaft Power und aerodynamische Effizienz. Und genau darauf kommt es in Spa an", zog Mattia Binotto Bilanz.
Charles Leclerc markierte zwar mit 359,4 km/h den höchsten Top-Speed, aber nur weil es ihm gelang, die komplette Kemmel-Gerade im Windschatten von Vettel zu fahren. Wenn die Ferrari.Fahrer allein unterwegs waren, kamen sie auf den Geraden nicht vom Fleck. Sie wurden aufgeschnupft, als hätten sie einen Formel-2-Motor im Heck.
Leclercs Reise ging nach einer starken Startrunde sukzessive rückwärts. Das hatte nur wenig damit zu tun, dass seine Soft-Reifen schnell abbauten. Es lag an einer unheilvollen Kombination. Kein Grip in den Kurven, keine Power auf der Geraden.
"Unsere Gegner konnten im zweiten Sektor zu uns aufschließen. Damit waren wir wehrlos auf der Gerade", klagte der Vorjahressieger. Gasly, Perez, Norris, Kvyat: Alle flogen mühelos am Auto mit der Startnummer 16 den langen Weg hinauf zu Kurve fünf vorbei. Sie scherten schon lange vor dem Bremspunkt wieder auf die Ideallinie ein.
Vettel ging es im zweiten Teil des Rennens nicht besser. Er hatte keine Chance, seinen Rennfahrerkumpel Räikkönen in Schach zu halten. Der Sauber C39 war in der Spa-Konfiguration einfach das bessere Rennauto.
Es wurde so schlimm, dass der Deutsche um einen zweiten Reifenwechsel bettelte. Das Team aber bat ihn auf der Strecke zu bleiben. Man wollte beide Karten spielen, um nichts unversucht zu lassen, vielleicht doch noch durch einen glücklichen Umstand in die Punkte gespült zu werden.
"Ich werde von hinten aufgefressen", wehrte sich Vettel verzweifelt. Da waren auch schon seine Reifen in die Knie gegangen. Wer keinen Abtrieb hat, kann auch die Reifen nicht schonen. Dass es am Funk wieder zu lustigen Dialogen kam, war diesmal nur eine Randerscheinung. Man schlägt auf Geprügelte nicht ein, wenn sie am Boden liegen.
Ferrari erwartet keine schnellen Wunder
Vettel blieb nach dem Rennen nichts anderes übrig als auf die immer gleichen Fragen die immer gleichen Antworten zu geben. Hier und da schwang schon ein bisschen Galgenhumor mit: "Wir haben viele Erkenntnisse gesammelt. Spa hat unsere Schwächen aufgedeckt. Stärken gibt es ja kaum."
Oder: "Wir haben viel probiert, aber nichts hat wirklich Früchte getragen. Die Strecke verlangt Power, deshalb trifft es uns hier härter. Wir haben es auch nie geschafft, die Reifen ordentlich auf Temperatur zu bringen. Wenn Kimi im Sauber phasenweise schneller ist als wir, dann ist etwas nicht normal gelaufen. Aber selbst wenn alles normal gelaufen wäre, wären wir nicht Fünfter geworden."
Vettel warnt davor, in Frust zu verfallen. "Frust bringt dich nicht weiter. Wir können immer nur weiter probieren unser Bestes zu geben, stark bleiben und Ruhe bewahren. Es sind keine Wunder oder Lösungen über Nacht zu erwarten."
Er spricht dabei die Power-Schlacht nächste Woche in Monza an, wo der Motor eine noch größere Rolle spielen wird. Binotto hofft, dass die Beschränkung auf einen Motor-Modus etwas richten könnte, doch diese Hoffnung ist trügerisch.
Es ist eher noch möglich, dass die Aerodynamik-Konfiguration mit minimalem Abtrieb Ferrari etwas entgegenkommt. So wie beim Gegenteil, wenn maximaler Anpressdruck verlangt ist. Ferrari steht vor allem dann auf dem Schlauch, wenn aerodynamische Effizienz verlangt ist. Das Aero-Paket des SF1000 stößt dort an, wo man mit wenig Flügel trotzdem viel Abtrieb erzeugen muss.
Ferrari bekommt jetzt die Quittung dafür, das Auto zwei Jahre lang in die falsche Richtung entwickelt zu haben. "Wenn ich 60 bis 70 PS extra in der Hinterhand habe, lege ich mein aerodynamisches Konzept darauf aus. Dann stört mich ineffizienter Abtrieb nicht. Genau das ist Ferrari offenbar passiert. Jetzt, wo ihnen dieses Leistungspolster fehlt, müssten sie das Ruder ins andere Extrem herumreißen. Das ist in kurzer Zeit nicht möglich", urteilt die Konkurrenz.
So wird Ferrari insgeheim vielleicht froh sein, dass in ihrem Speed-Tempel Monza die Tribünen leer bleiben. Binotto entschuldigt sich pauschal bei den Tifosi: "Wir sind über unsere Leistung genauso enttäuscht und zornig wie unsere Fans. Sie haben allen Grund dazu. Doch wir werden aus diesen schwierigen Zeiten nur herauskommen, wenn wir zusammenhalten."