Ricciardo für drei Jahre an Bord

McLaren will den dritten Platz in der Team-WM verteidigen. Das Fahrer-Duo verspricht eine gute Kombination aus Erfahrung und jugendlichem Eifer. Daniel Ricciardo glaubt fest daran, dass McLaren bald wieder ein Spitzenteam ist. Der gemeinsame Weg ist auf mindestens drei Jahre ausgelegt.
Es ist eine der spannendsten Fahrer-Paarungen der neuen Saison. Wahrscheinlich sogar eine der besten. Daniel Ricciardo stößt bei McLaren zu Lando Norris. Ein 31-jähriger Routinier trifft auf einen 21-Jährigen, der bislang den Vorschusslorbeeren gerecht wurde. Ein Fahrer, der in seine elfte Saison geht, gegen einen in der dritten. Ein siebenfacher GP-Sieger mit drei Pole Positions in der Vita gegen einen mit 38 Grands Prix, einem Podium und zwei schnellsten Rennrunden.
Zusammen wollen sie mit McLaren den nächsten Schritt gehen. 2021 wäre das, den dritten WM-Platz als Team zu verteidigen und gleichzeitig den Rückstand auf die Spitze weiter zu verringern. Mehr wäre vermessen. Zu groß war in der Vorsaison der Abstand zu Mercedes und Red Bull. Doch schon der anvisierte dritte Platz wird keine leichte Aufgabe. Ricciardo geht sie mit seiner typisch lockeren Art an.
Eine Wette mit Zak Brown.
Zwei Mal standen die McLaren-Fahrer im Vorjahr auf dem Podium. Der Neuzugang will daran anknüpfen und seine Bilanz von bislang 31 Podestplätzen weiter ausbauen. Als Motivationsspritze könnte abermals eine Wette herhalten. So wie 2020 mit Ex-Renault-Teamchef Cyril Abiteboul.
Der Wettgegner wäre diesmal McLaren-Chef Zak Brown. "Er hat mir gesagt, dass er keine Nadeln mag", sagt Ricciardo. Deshalb wird es nicht noch einmal auf ein Tattoo hinauslaufen. Aber: "Soweit ich weiß, hat er eine ziemlich schöne Auto-Kollektion. Vielleicht können wir ja um eines daraus wetten." Kurzer Schwenk zum Ex-Teamchef von Renault. Auch der ist offenbar wenig vom Tätowieren angetan. Noch hat Abiteboul seine Wettschulden nicht eingelöst. "Ich werde euch wissen lassen, sobald er es sich hat stechen lassen."
Zurück zum Sportlichen. Ricciardo erwartet wieder ein engen Kampf im Mittelfeld. "Die meisten Teams sollten eine Chance haben, auf das Podest zu fahren." Neben den Top-Teams Mercedes und Red Bull werden das voraussichtlich McLaren, Ferrari, Aston Martin, Renault und Alpha Tauri sein. Wer sich da durchsetzt, werden die Entwicklung über den Winter und die Verteilung der Entwicklungsressourcen über das Jahr hinweg entscheiden. Wer verlagert früh auf 2022, wer dreht eine weitere Entwicklungsschleife im Windkanal mit dem 2021er Auto?
Kombination zweier Generationen
Ricciardo, der in seiner Laufbahn 188 Grands Prix für HRT, Toro Rosso, Red Bull und zuletzt Renault absolviert hat, ist überzeugt, dass sein junger Teamkollege und er McLaren gut tun werden. "Wir kommen aus verschiedenen Generationen. Es wird sicher ein guter, erbitterter Wettbewerb zwischen uns auf der Rennstrecke. In dieser Kombination können wir das Team voranbringen." Dabei fährt der Australier auch nicht die Scheuklappen hoch. "Egal, ob Arbeitsweise oder eine gewisse Fahrtechnik: Wenn ich mir etwas abschauen kann, werde ich es tun."
Auf seinen zehn Jahre jüngeren Teamkollegen wartet nach zwei Jahren an der Seite von Carlos Sainz vermutlich die größte Aufgabe der bisherigen Karriere. Ricciardo ist ein mehrmaliger Grand Prix-Sieger, ein ausgewiesener Top-Fahrer. "Der Typ ist sicher in allen Bereichen gut. Er ist einer, der Rennen gewinnen und Podestplätze holen kann", sagt Norris, der die Vorteile darin für sich sieht. "Es ist immer gut, von verschiedenen Teamkollegen zu lernen. In der Formel 4 oder Formel 3 hast du drei bis vier Teamkollegen, an denen du dich orientieren kannst. Daniel hat einen anderen Ansatz, andere Gewohnheiten, wie er Rennen angeht. Da kann ich sicher etwas lernen."
Einen Vorteil jedoch genießt Norris. Er kennt das Team, die Abläufe, die Systeme im Auto und innerhalb der Organisation seit zwei Jahren. Ricciardo muss sich unter verschärften Bedingungen in seinem neuen Team zurechtfinden. Corona erschwert das Leben. Einen Vorbereitungstest in einem alten Auto konnte ihm McLaren nicht bieten.
Ricciardo überzeugt von McLaren
So blieb es bis Dienstag überwiegend bei Trockenübungen. Bis die Piloten im Rahmen eines Filmtages in Silverstone erstmals ihr neues Auto in der Wirklichkeit kennenlernen durften. Beim Shakedown sind allerdings maximal 100 Kilometer auf Demo-Reifen erlaubt. Und leider spielte das Wetter spielte in Silverstone nicht ganz mit. Der Traditionskurs präsentierte sich in feuchtem Zustand.
Wichtiger als für das Gefühl der Piloten war der Shakedown aber für die Ingenieure. Sie müssen vor den offiziellen Wintertests die Technik rund um den neuen Mercedes-Motor abklopfen. McLaren durfte wegen des Triebwerkswechsels Chassis, Getriebe und Batterie anpassen. "Wir mussten die Homologations-Regeln respektieren. Wir haben nur Sachen verändert, die wir verändern durften", sagt Technikchef James Key.
Nach einer Vorbereitung in den USA ist Ricciardo seit Februar beim Team in England. "Wir hatten vorher viele Online-Meetings, damit sich Daniel an uns gewöhnt, und die Art und Weise, wie wir arbeiten, kennenlernt", führt Teamchef Andreas Seidl aus. "In den letzten Wochen konnte Daniel Simulator-Arbeit verrichten. Unser Ziel ist es, ihn so zu integrieren, dass das erste Rennen in Bahrain sich nicht wie das erste Rennen für ihn im Team anfühlt."
Schon 2018 führte der Australier Gespräche mit McLaren. Damals entschied er sich gegen Woking und für Renault. Weil die Ergebnisse und der Trend mehr für das Werksteam sprachen. McLaren befand sich damals noch in der Findungsphase, im Umbruch. Seither hat sich McLaren personell umstrukturiert. Seidl kam als Teamchef, James Key als Technikchef. Die Organisation wurde gestärkt, ein klarer Fahrplan für die Zukunft aufgelegt. Bislang hat McLaren seine Zwischenziele erfüllt. Ricciardo sagt: "Ich füge mich gut in das Puzzle ein, und muss es nicht mehr selbst legen."
Dreijahres-Vertrag unterschrieben
"Eine Garantie über Erfolge gibt es nie", meint der siebenmalige GP-Sieger. "Aber so wie es sich damals richtig angefühlt hat, Red Bull zu verlassen, so richtig hat es sich angefühlt, von Renault wegzugehen, und mich McLaren anzuschließen. Wie sie sich aufgestellt haben, wie sie planen und sich auf den Wechsel 2022 mit neuen Autos vorbereiten, das überzeugt mich. Das hat den Ausschlag gegeben. Mit Andreas steuert der richtige Mann das Schiff. Mit James Key habe ich schon 2013 bei Toro Rosso zusammengearbeitet. Leider nur kurz, weil ich damals schon auf dem Sprung zu Red Bull war. Ich freue mich, jetzt länger und intensiver mit ihm zu arbeiten."
Ricciardo hat sich zunächst für drei Jahre zu McLaren bekannt. Er kommuniziert die Laufzeit ungewöhnlich offen. Der Dreijahres-Vertrag verschafft beiden Parteien Sicherheit. Und er gibt ihnen genug Zeit, "um das Ding erfolgreich zum Laufen zu bringen", so der Mann aus Perth. Zusammen will man aus dem einst erfolgsverwöhnten Rennstall wieder eine Siegermannschaft formen. Doch das Projekt braucht seine Zeit. Teamchef Seidl mahnt: "Bei der Infrastruktur haben wir noch Nachholbedarf." Der neue Windkanal und Fahrsimulator werden voraussichtlich irgendwann 2022 ans Netz gehen.
Norris mit Formel-3-Test
Während Ricciardo das Corona-Virus bisher verschont hat, steckte sich Lando Norris beim privaten Wintertraining in Dubai an. Die ersten Tage verlor der Engländer Geschmacks- und Geruchssinn. Er steckte in Isolation – in einem Hotelzimmer, das nicht einmal ein Fenster hatte. "Ich konnte nur meine Workouts machen." Auch ein paar Wochen danach klagte der Youngster noch über Erschöpfung und Müdigkeit. Inzwischen fühle er sich aber körperlich wieder gut.
Um sich vor den eigentlichen Aufgaben einzuschießen, kletterte Norris vor Kurzem in ein Formel-3-Auto. Da kann man die Sinne nach der Winterpause wieder schärfen. In seiner dritten Saison will der Engländer weiter wachsen – und eigenständiger werden. "Es sind viele kleine Sachen, die ich verbessern muss. Mitte 2020 hatte ich in meiner Leistung eine kleine Delle. Durch die Neuentwicklungen musste das Auto etwas anders gefahren werden. Da hatte ich zunächst nicht das optimale Gefühl, nicht das richtige Vertrauen und Setup. Doch Abu Dhabi war fast der perfekte Abschluss. Daran will ich anknüpfen. Ich weiß, was ich vom Auto will. Die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren wird immer besser. Ich will mich nicht auf die andere Seite der Garage stützen müssen. Ich habe selbst den Anspruch, zum Teamleader zu werden."