Das Imperium schlägt zurück
Nach der Pleite von Argentinien feierte das VW-Team bei der Rallye Portugal ein eindrucksvolles Comeback. Angeführt vom Jari-Matti Latvala gab es einen Dreifacherfolg für die Niedersachsen.
Der Frust sitzt tiefer als er möchte. Eigentlich hatte Sébastien Ogier vorgenommen, nicht mehr über die vorderste Startposition zu klagen. Aber es war dann doch stärker als er: "Einige Leute sind jetzt sicher froh, dass ich nicht gewonnen habe", diktierte er im Ziel der Portugal-Rallye in die Aufnahmegeräte.
Gemeint war die FIA, die für diese Saison verfügte, dass der Tabellenführer seit dieser Saison zwei Tage lang dem Rest des Feldes die Straße zu fegen hat - eine Regel, eingeführt speziell für Ogier und bei einer Schotter-Rallye ein klarer Nachteil.
Der Weltmeister krempelte die Ärmel hoch, teilte klug seine Reifen ein, schonte die Gummis trotz Fels und Steinen, wie es kein anderer kann. Genau diese Qualität brachte ihm 2010 in Portugal seinen ersten WM-Sieg ein und bot die Chance mit dem schon fünften Erfolg im Westen der iberischen Halbinsel den Rekord des Finnen Markku Alén zu toppen.
Ogier bot wieder einmal eine weltmeisterliche Leistung, konnte zwar bis zum Nachmittag der zweiten Etappe keine Bestzeit setzen, blieb aber stets in Schlagdistanz. Dabei half ihm auch der Umstand, dass wie so oft schon am ersten Tag einige Kollegen die Segel streichen mussten und am zweiten gemäß der Rally-2-Regel noch vor ihm auf die Piste mussten.
Auch wenn das aktuelle Format das Leben des Champions nicht gerade leichter machen, sorgt es doch für das, was FIA, Vermarkter und Hersteller im Sinn haben: Spannung. Mit nur 9,5 Sekunden Rückstand ging Ogier in die finalen drei Prüfungen mit 54 Kilometern.
Meeke begnügt sich mit Rang 4
Teamkollege Andreas Mikkelsen, der erstmals ebenfalls den neuen Polo steuerte, musste abreißen lassen und begnügte sich mit Rang drei. Auch der anfangs munter vorn mitmischende Kris Meeke gab jeden Angriff auf. Der Argentinien-Sieger war eine sichere Zielankunft und die Punkte für Rang vier wichtiger.
Citroën-Teamkollege Mads Östberg war nicht ganz so schnell und wurde zudem am Samstag durch einen defekten Turbo-Sensor gebremst. Der Norweger fing im Finale noch den gut fahrenden Haydon Paddon im dritten Werks-Hyundai ab und wurde Siebter.
Davor wehrte sich Dani Sordo im bestplatzierten Hyundai erfolgreich gegen Östberg. Der Spanier haderte mit seinem Setup und den Reifenverschließ, bot aber im Gegensatz zu Teamleader Thierry Neuville eine fehlerlose Vorstellung. Der Belgier montierte sich am Freitag den Unterboden ab und warf seinen i20 auf der ersten Prüfung des Samstagmorgen mit mehrfacher Rolle ins Unterholz.
Selbiges brannte nördlich des Rallye-Zentrums in Porto, und starke Winde fachten den Buschbrand immer wieder an. Auf der zweiten Prüfung Ponte de Lima mussten sich die Piloten etwa 600 Meter durch ein frisch abgebranntes Areal arbeiten. Mads Östberg war positiv erregt: "Ich habe vorher noch geflachst, wie das wohl auf den Bildern aussieht, wenn wir durch die Flammen springen. Wie sich zeigt, lag ich gar nicht mal so sehr daneben. Da hat es links und rechts noch heftig gequalmt."
Tatsächlich in Flammen stand aber genau auf dieser Prüfung eines der Vorausautos. Der Subaru Impreza brannte nach einem Defekt völlig ab. Nach den ersten zwei Dutzend Fahrern musste abgebrochen werden. Am Nachmittag ließ man wegen des Feuers den zweiten Durchgang in Ponte de Lima aus.
Feuer war ein Dauerthema des Wochenendes. Während Teamkollege Ott Tänak im mit neuem Motor ausgerüsteten Ford Fiesta eine starke Leistung bot und problemlos auf Rang fünf einfuhr, stoppte eine Elektrikpanne das Schwesterauto des M-Sport-Teams. Elfyn Evans konnte den Brand zwar schnell löschen, riss sich aber beim Versuch, verlorene Zeit gutzumachen einen Tag später ein Rad ab.
Lappi doppelt im Glück
Titelfavorit Esapekka Lappi musste sich beim WM-Debüt des neuen Skoda Fabia R5 in der zweiten WM-Liga zwar dem robusteren Ford Fiesta RRC des Titelverteidigers Nasser al Attiyah beugen, war aber dennoch guter Laune. Denn zum einen zeigte der Finne nach siebenmonatiger Pause, dass er unter den jungen Söhnen Suomis immer noch das heißeste Eisen im Feuer ist. "Ich war so nervös, dass mein Magen schon einen Tag vor dem Start verrückt spielte", gestand der Nordmann.
Zum zweiten hatte er gleich drei Mal großes Glück. Es begann mit einem am frühen Samstagnachmittag angeschlagenen Querlenker, der erst auf den letzten 400 Metern vor dem Service einknickte. Mit schleifendem Rad erreichte Lappi die Zeitkontrolle, wo der heiße Reifengummi den Radkasten hinten rechts in Brand setzte. Beifahrer Janne Ferm war schnell mit dem Feuerlöscher, doch das Thema sollte im Büro der Rallyeleitung noch weiter schwelen.
Die Rennkommissare brummten Lappi nach der Zieldurchfahrt fünf Strafminuten auf, denn im Straßenverkehr ist das Fahren mit einem nicht verkehrssicheren Auto nicht gestattet. Doch das Skoda-Team protestierte. Schließlich hatte der Veranstalter zur Vermeidung eines Verkehrschaos zwischen Containerhafen und Messegelände in Porto eine Fahrspur exklusiv für Rallyeteilnehmer freigeräumt.
Skoda argumentierte, es habe sich damit nicht um eine öffentliche Straße gehandelt und stimmte die Stewards tatsächlich um. Dabei ging fast unter, dass Lappi nach der letzten Prüfung sein Auto durch die Zeitkontrolle schob, weil er sich nicht traute, den Motor zu starten, der schon seit Samstagnachmittag waidwund gewesen war. Doch der Vierzylinder hielt bis zur Zielrampe durch.
Während Teamkollege Pontus Tidemand in der WRC2 mit nur kleineren Problemchen unbedrängt auf Rang drei fuhr, strandete der Fabia R5 des Baumschlager-Teams am Samstag mit zerbröselter Lichtmaschine. Fahrer Armin Kremer konnte sich nur noch auf Gesamtrang 20 retten und übte sich in Sarkasmus: "Einen Punkt habe ich noch geholt – immerhin einer mehr als die Deutschen beim Eurovision Song Contest."
Spannendes Portugal-Finale
Ganz vorn an der Gesamtspitze waren Jari-Matti Latvala die Punkte ziemlich egal. "Ich liege in der WM so weit zurück, mir geht es nur um den Sieg. Der drei Mal in Folge punktelose Finne im zweiten Werks-VW musste erst seinen Rhythmus finden, ließ sich von einer leicht nachlassenden Bremse am Samstag verunsichern und leistete sich ein paar kleine Fahrfehler, ließ aber seinen Polo unversehrt und fuhr schnell genug, um als Führender ins Bett zu gehen. "Der Druck lastet nicht auf mir", sagte Kontrahent Ogier bestimmt, und Latvala antwortete: "Ich bin ganz sicher nicht nervös."
Sportchef Jost Capito verkündete am Sonntagmorgen nur eines: "Ich will drei Polos auf dem Podium sehen, egal in welcher Reihenfolge." Ogier griff an und fuhr Bestzeit auf den legendären elf Kilometern von Fafe mit seiner berühmten, von Tausenden Fans gesäumten Sprungkuppe.
Den Umzug von der Algarve in den Norden nach Porto hatten viele Experten mit Grausen zur Kenntnis genommen. Mit undisziplinierten Massen und dem mit drei Toten und 30 verletzten Zuschauern schlimmsten Unfall der WM-Geschichte wurde der portugiesische WM-Lauf in den Achtziger Jahren unrühmlich berühmt. Dank übertrieben rigoroser Absperrmaßnahmen blieb aber jedes befürchtete Chaos aus. Die Rallye war bestens besucht, aber nicht überfüllt.
Latvala siegt mit 8,2 Sekunden Vorsprung
Und so konnten sich die Beteiligten auf das grandiose Finale konzentrieren, in dem Latvala auf den langen 32 Kilometern von Vieira do Mino zurückschlug und sich die zuvor verlorenen zweieinhalb Sekunden zurückholte. Auf dem zweiten Durchgang in Fafe fuhr Ogier abermals Bestzeit, aber der Franzose riskierte nicht alles, knapp zehn Sekunden Rückstand waren zu viel für elf Kilometer.
Und so sicherte sich Latvala nach langer Durststrecke mit gerade 8,2 Sekunden oder 0,065 Prozent Vorsprung seinen 13. WM-Sieg und besiegte einen Fluch: "Das war immer meine schlechteste Rallye. Hier hatte ich einige Unfälle - und zwar große", sagte er lachend im Ziel.
Noch glücklicher war der Finne aber für seine Mechaniker-Truppe: "Das sind Portugiesen, und ich wollte ihnen einen Heimsieg schenken." Sein Chefmechaniker Jose Azevedo hatte im Ziel das Wasser in den Augen stehen: "Das hier ist mein Haus", sagte er pathetisch. Azevedo, der Latvala von Ford zu VW folgte, stammt aus Porto.
Zum Thema nationaler Stolz ist abschließend noch eines zu sagen: In Mexiko hatte Ogier den 172. WM-Sieg für Frankreich erobert und damit mit den ewig uneinholbar scheinenden Finnen gleichgezogen. Doch während fast alle mit der baldigen Führung für Frankreich gerechnet hatten, gingen die Finnen mit 173 Erfolgen wieder in Führung.
Sébastien Ogier tröstete sich mit Mathematik. Rang zwei und die drei Extrapunkte der Powerstage bedeuten 21 Punkte. "Fast das Maximum unter diesen Umständen", sagte der Weltmeister, der seine Tabellenführung gegenüber Andreas Mikkelsen mit diesem Ergebnis auf 39 Punkte ausbauen konnte.