Motor-Entscheidung nächste Woche
Red Bull pocht weiter auf einen Entwicklungsstopp bei den Motoren. Aus Vernunft- und Kostengründen, wie die Teamführung sagt. Mit Honda sei man sich einig über eine Motoren-Übernahme ab 2022. Von der FIA soll es nächste Woche eine Klarstellung geben.
Es sind entscheidende Tage und Wochen für Red Bull. Es geht um 2021, 2022 und die Zukunft des Rennstalls allgemein in der Formel 1. Mit dem RB16B liegt Red Bull nach eigenen Angaben voll im Plan. Die grassierende Corona-Mutation in England bremst die Fahrzeugentwicklung nicht ein.
Die Produktionsabteilung kann in Milton Keynes in voller Mannstärke arbeiten. Die Ingenieure sind größtenteils in der Fabrik. "Die Corona-Probleme betreffen mehr den Londoner Raum. Wir sind ja doch nördlicher", führt Sportchef Helmut Marko aus. "Wir sind gut im Plan. Wir können produzieren. Wir sind in der glücklichen Lage, dass Aston Martin bei uns ausgezogen ist, und wir dadurch Abstandsregelungen großzügig einhalten können." Die Zusammenarbeit mit Aston Martin endete im letzten Jahr.
Abtriebsverlust von 20 Prozent
Auch die Verschiebung der Testfahrten um zehn Tage auf Mitte März spielt Red Bull in die Karten. "Es ist angenehmer, dass die Produktion nicht so unter Druck ist. Wir werden mit entsprechenden Ersatzteilen nach Bahrain kommen." Dort wird man dann sehen, ob die Ingenieure ihre Entwicklungsziele mit dem RB16B erreicht haben. "Das Ziel ist, auf das Abtriebslevel von Ende 2020 zu kommen", sagt der Le Mans-Sieger von 1971. Der Verlust durch die geänderten Regeln war im ersten Moment enorm. "Man verliert etwa 20 Prozent", beziffert Marko.
Red Bulls Ziele sind abgesteckt. Mit neuer Fahrer-Paarung, mit Sergio Perez an der Seite von Max Verstappen, will man Mercedes herausfordern. Der Rennstall aus Milton Keynes will vom Saisonstart an bei der Musik sein. Und nicht wie in den letzten Jahren üblich einem Rückstand hinterherlaufen.
Aufgrund der strengen Homologationsrichtlinien werden rund 60 Prozent des alten Autos übernommen, wie Teamchef Christian Horner ausführte. Der Laie dürfte deshalb nicht viele Unterschiede zwischen alt und neu ausmachen. Mal abgesehen von den offensichtlichen Änderungen, die den Unterboden, Diffusor und die hinteren Bremsbelüftungen betreffen. Hier müssen die Teams Einschnitte vornehmen. Deshalb der hohe Abtriebsverlust, den die Teams über die Entwicklung wieder reinzuholen versuchen. Die Aerodynamik darf angefasst werden. "Der Fachmann sieht die Änderungen dort gleich", meint Marko.
Der Grazer will nicht zu viel versprechen. Zu oft sah sich Red Bull in den letzten Jahren auf dem richtigen Weg, um beim Saisonstart doch von Mercedes abgehängt zu werden. Wen die neuen Regeln stärker treffen, sei erst bei den Testfahrten absehbar. "Jedes Team, jede technische Gruppe berichtet davon, dass man auf einem äußerst guten Weg sei. Das ist um diese Zeit immer das gleiche." Ansonsten lässt sich Red Bulls Sportchef nicht zu viel entlocken.
Red Bull einig mit Honda
Red Bull beschäftigt sich nicht nur mit dem 2021er Auto. Seit 1. Januar darf auch das 2022er Modell wieder in den Windkanal. "Das sind die Studien voll im Gange." Und da taucht ein großes Fragezeichen auf. Die Ingenieure entwickeln das nächstjährige Auto um den Honda-Sechszylinder herum. So ist das seitdem 2014 die Hybrid-Monster in die Formel 1 einzogen. Das Chassis wird um die Eckdaten des V6, der Hybridsysteme, Kühler, Steuerboxen und Elektronik herum aufgebaut. Der Platz für diese Bausteine bestimmt, wie der Rest des Fahrzeugs aufgebaut ist.
Doch noch ist nicht sicher, ob Red Bull 2022 überhaupt den Honda-Antrieb weiterverwendet. Man will es, doch es braucht dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen: einen Entwicklungsstopp auf der Motorenseite und eine Angleichung bei der Leistung. Seit Oktober, seit der Rückzugsankündigung der Japaner aus der Formel 1, arbeiten die Parteien an einem Deal, der die Übernahme garantiert. Red Bull und Honda seien sich inzwischen einig, versichert Marko. "Es ist alles geklärt zwischen uns. Das Timing steht. Alle sind in den Startlöchern. Aber es gibt erst ein okay, wenn wir schriftlich einen Nachweis von der FIA haben, dass der Entwicklungsstopp auf der Motorenseite kommt."
Red Bull braucht einen Entwicklungsstopp. Ansonsten kann man das Projekt nicht angehen. Betrieb, Wartung und Reparatur werden ohnehin große Ressourcen verschlingen. Vor allem, wenn mal ein unerwartetes Problem auftaucht. Das passierte bei den hochkomplexen Antriebseinheiten selbst noch 2020, im siebten Jahr. Die Entwicklung kann man da nicht noch selbst stemmen. Weil das nur ein Hersteller kann. Red Bull fehlen dafür die Einrichtungen, die Werkzeuge, das Knowhow, die Ingenieure.
"Keine Lex Red Bull.
Red Bull pocht auf den im Englischen "Engine freeze" – also ein Einfrieren der Motoren. "Wir warten auf die Entscheidung der FIA. Da sollte nächste Woche eine entsprechende Klarstellung erfolgen." Der Doktor stellt klar. "Es ist keine Lex Red Bull. Wir haben einen Kostendeckel. Wir diskutieren über eine Einschränkung und Reduzierung bei den Fahrergehälter. Nur bei den Motoren soll weiter alles offen bleiben. Noch dazu, dass die Tendenz ganz klar dahin geht, dass das neue Motorenreglement auf 2025 vorgezogen wird. Dieser Motor war leider ein derartiger Kostentreiber. Jetzt da noch weiter zu investieren, macht keinen Sinn."
Marko appelliert an die Motorenhersteller Mercedes, Ferrari und Renault, dem Plan eines Entwicklungsstopps zuzustimmen. "Für die Formel 1 ist es eine ganz klare Vernunft-Entscheidung." Der Sportchef geht auch auf die Bedenken der Kritiker ein, ohne dabei konkret zu werden. Ein Entwicklungsstopp allein wird nicht reichen. "Das wird von der FIA in irgendeiner Form geregelt werden."
Was, wenn 2022 ein Hersteller einen Leistungsvorteil hat? Den wird er dann bis zur Einführung des neuen Reglements behalten, und die anderen hinterherlaufen, ohne Chance auf Ausgleich. Die Entwicklung in so einem Fall wieder zu öffnen, ginge ja nicht. Weil Red Bull nicht die Kapazitäten dazu hat. Und auch für die anderen wäre es nicht so einfach, weil die Prüfstandsläufe eingeschränkt sind, um Kosten zu sparen.
Also bedarf es anderen Mechanismen. Und da fürchten die Kritiker, dass in der Formel 1 eine Art "Balance of Performance" wie im GT-Sport Einzug erhalten könnte. Dass dem einen Motorhersteller zum Beispiel mehr Benzindurchfluss gestattet werden würde, um Defizite auszugleichen. "Das wäre der Anfang vom Ende der Formel 1., protestierte Mercedes-Teamchef Toto Wolff im vergangenen Jahr.
Kein Plan B bei Red Bull./strong>
"Der Engine Freeze ist einmal das wichtigste", meint Marko. "Das sogenannte Sicherheitsnetz der Angleichung wird sicher schwieriger werden. Aber wenn der Entwicklungsstopp da ist, ist das ganze Projekt schon mal leichter für uns zu stemmen." Was, wenn es doch nicht dazu kommt? Was, wenn die FIA keinen Mechanismus findet, der Mercedes, Renault, Ferrari und Red Bull.Honda gleichermaßen besänftigt?
Im Falle eines Scheiterns droht der Formel 1 eine Zerreißprobe. "Das würde bedeuten, dass Red Bull seine Formel 1.Situation drastisch überdenken muss", sagt Marko. "Das ist keine Erpressung. Aus reinen Vernunft- und Kostengründen ist ein Engine Freeze der einzige Weg mit diesen unglückseligen Triebwerken." Gibt es einen Plan B bei Red Bull, falls die Honda-Übernahme scheitert? "Nein, gibt es nicht." Man kann das durchaus so verstehen: alles oder nichts. Entweder Motor in Eigenregie oder Rückzug.