Rennanalyse GP Brasilien 2017
Was war das Geheimnis von Lewis Hamiltons Aufholjagd? Warum hat der Undercut von Mercedes gegen Ferrari nicht funktioniert? Und was passierte am Start? Die Antworten in unserer Rennanalyse zum GP Brasilien.
Was war das Geheimnis von Lewis Hamiltons Aufholjagd?
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff brachte es auf den Punkt. Was Lewis Hamilton in dieser Saison gezeigt habe, sei „Rock’n’Roll” gewesen. Das trifft auch auf seinen Durchmarsch in Brasilien zu. Der frisch gekürte Weltmeister zeigte einmal mehr seine fahrerischen Qualitäten, indem er sich vom Start aus der Boxengasse bis auf den vierten Platz nach vorne hangelte. Vor dem Rennen rechneten die Strategen aus, Hamilton könne auf Platz fünf landen. Während des Rennens sah es zeitweise so aus, als könne er sogar gewinnen. Am Ende landete er nur 5,468 Sekunden hinter Vettel.
Was Hamilton gleich nach dem Start in die Karten spielte, war die Safety Car-Phase von Runde eins bis vier nach den zahlreichen Kollisionen. So konnte er ohne Probleme zum Feld aufschließen. Sie war in gewisser Weise aber auch ein Nachteil, weil er in diesen drei Runden nicht überholen konnte.
Mit den Soft-Reifen gestartet, schnupfte Hamilton einen nach dem anderen auf – insgesamt zehn Überholmanöver zeigte er im 71 Runden langen Rennen. In Runde 30 ging er aufgrund der Boxenstopps der Konkurrenz in Führung und hatte bis zu seinem Stopp in Runde 43, bei dem er auf Supersoft-Reifen wechselte, freie Fahrt. Die umgedrehte Reifen-Reihenfolge zahlte sich aus. “Das war bei der Hitze ein Vorteil, weil du die robusteren Reifen am Auto hast, wenn noch viel Sprit an Bord ist. So kannst du den Supersoft-Reifen am Ende besser nutzen”, erklärten die Mercedes-Strategen.
Zudem war der Motor ein entscheidender Faktor. Der Motortyp 3.1 debütierte bereits in Spa, dieses Mal war aber ein komplett neues Exemplar unter der Haube, das zum ersten Mal im Rennen mit voller Leistung gefahren wurde. Er soll rund 15 PS mehr haben als die Vorgängermodelle. Wie leicht Hamilton das Überholen damit fiel, hat man unter anderem daran gesehen, wie spielerisch er an Max Verstappen vorbeizog. „Lewis lieferte den besten vierten Platz ab, den ich jemals gesehen habe”, lobte Wolff.
Warum ging der Undercut von Mercedes gegen Ferrari nicht auf?
In Runde 27 kam Valtteri Bottas an die Box. Man wollte Sebastian Vettel und Ferrari mit einem Undercut schlagen. Doch das ging in der Praxis nicht auf, obwohl es eine beliebte Taktik ist, die sich meist auszahlt. Was ging schief? Der Abstand vor dem Stopp zwischen den beiden betrug 1,643 Sekunden. Allerdings waren die Inlap und die Outlap von Bottas und Vettel im Vergleich jeweils quasi identisch. Auch der Stopp selbst war bei Mercedes langsamer als bei Ferrari. Bei Mercedes dauerte der Reifenwechselinklusive der Fahrt durch die Boxengasse 23,064 Sekunden, bei Ferrari nur 22,763 Sekunden.
Warum war Red Bull nicht stärker?
Nach Max Verstappens Siegesfahrt in Mexiko und zwei Siegen in den letzten vier Rennen hatte man Red Bull auch in Brasilien auf dem Zettel. Doch die Bullen schwächelten. Max Verstappen wurde Fünfter, Daniel Ricciardo rettete sich nach der Kollision zu Beginn noch auf Platz sechs. “Es lag zum einen am Streckenlayout und zum anderen sind wir sehr konservative Motor-Einstellungen gefahren”, erklärt Teamchef Christian Horner. „Der Motor reagiert bei diesem Streckenlayout sensibler als es in Mexiko der Fall war, du hast mehr Vollgasanteile.”
“Du versuchst dann in den Kurven Zeit gutzumachen”, sagt Max Verstappen. „Aber das beansprucht die Reifen zu sehr und sie bauen stärker ab.” Dadurch wurden auch die Stint-Längen beeinflusst. Verstappen stoppte in Runde 62 zum zweiten Mal, weil er ohnehin 30 Sekunden vor Ricciardo lag und und somit nichts zu verlieren hatte. Ricciardo hatte zwar keine Beschädigung durch den Unfall, doch Startplatz 14 aufgrund einer neuen MGU-H war auch nicht die beste Ausgangslage.
Was passierte bei der Startkollision?
Gleich zu Beginn des Rennens krachte es. Zunächst zwischen Kevin Magnussen, Daniel Ricciardo und Stoffel Vandoorne. Die drei Streithähne bogen zu dritt in die zweite Kurve ein. Innen Haas-Pilot Magnussen, in der Mitte McLaren-Pilot Vandoorne und außen Ricciardo. Nach der Berührung war es nur noch einer: Daniel Ricciardo konnte als einziger weiterfahren.
“Es war ziemlich eng und ich habe Platz auf der Außenseite gesehen. Also habe ich versucht, so viel Raum wie möglich zu bekommen, aber ich wusste, dass zwei Autos auf der Innenseite waren. So bestand immer das Risiko, dass sie sich berühren und in mich krachen. Das ist wohl passiert, aber ich bereue nichts.”
Auch Vandoorne wusste nicht, wie ihm geschah. „Ich war im Sandwich in der Mitte, ich hätte nicht gewusst, wo ich hin sollte.” Magnussen, dem die vordere Aufhängung brach, gab sich da schon etwas schuldbewusster. “Ich muss mir das nochmal anschauen. Wenn ich früher realisiert hätte, das Ricciardo neben Vandoorne ist, hätte ich vielleicht mehr Platz gelassen. Als ich ihn gesehen habe, war es zu spät.” Die Sportkommissare untersuchten den Vorfall, beschlossen es jedoch dabei zu belassen.
Der zweite Vorfall betraf Romain Grosjean und Esteban Ocon. Für den Force India-Pilot war damit zum ersten Mal in seiner Formel 1-Karriere vorzeitig Feierabend – zuvor ist er in allen 27 Rennen angekommen. In seiner gesamten Formelkarriere liegt sein letzter Ausfall sogar drei Jahre zurück. Grosjean verlor das Auto in Kurve sechs und donnerte in Ocon. Dabei wurde die vordere Felge beschädigt. Grosjeans Erklärung: „Ich wurde in Kurve eins getroffen. Ich glaube, ich hatte hinten links einen Plattfuß und habe das Auto in Kurve sechs verloren.” Die Sportkommissare sahen den Fall wohl etwas anders und brummten dem Franzosen eine 10-Sekunden-Strafe auf.
Ergebnis GP Brasilien Rennen: