Vorzeichen sprechen für Aston Martin
Sebastian Vettel stellt sich einer neuen Herausforderung. Aston Martin strebt den dritten Platz im Konstrukteurs-Pokal an, der Pilot selbst, seinen Weg im Team zu finden und Spaß zu haben. Dann komme der Erfolg von allein. Den Umbruch in der Formel 1 versteht Vettel als große Chance für seinen Rennstall.
Sebastian Vettel hat in seiner Laufbahn vier Weltmeisterschaften gewonnen. Er hat 53 Siege und 57 Pole-Positions eingefahren. Er ist einer der erfolgreichsten Rennfahrer der Geschichte. Und doch haben die letzten Jahre bei Ferrari Zweifel geweckt. Die letzte Pole-Position datiert vom GP Japan 2019. Der letzte Sieg aus Singapur 2019. Der letzte WM-Titel von 2013 mit Red Bull.
Im schnelllebigen Geschäft Formel 1 sind vergangenen Erfolge schnell vergessen. Der letzte Grand Prix zählt. "Man kann nichts erreicht haben, und ist mit ein paar guten Rennen trotzdem der Held. Anders herum kann man, wie in meinem Fall, mehr als 50 Rennen gewonnen haben, und trotzdem sagen die Leute, ich sei nach einer schwächeren Phase nur Durchschnitt", weiß der 33-jährige Heppenheimer.
Frieden mit Ferrari-Ende
Vor allem das letzte Jahr bei Ferrari hat die Kritiker auf den Plan gerufen. Doch Vettel möchte sich nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen. Eine Saison der Herausforderungen, mit vielen Tiefs und nur ganz wenigen Hochs – wie etwa das Podest in der Türkei – sei abgehakt. "Ich habe meinen Frieden geschlossen. Ich weiß, dass das nicht mein gewohnter Standard war. Da schaue ich vor allem auf mich selbst. Was andere sagen oder schreiben, interessiert mich aber nicht." Eine Frage von zu viel Druck sei es nie gewesen: "Ich wäre glücklich, Tonnen von Druck zu haben, und um die Weltmeisterschaft zu fahren."
Jetzt wartet eine neue Aufgabe. Mit einem kleineren Team. Weniger Ressourcen. Anderen Werkzeugen. Einer anderen Herangehensweise ans Rennfahren. Weniger Mythos, weniger Politik, dafür nicht mehr als fünftes Rad am Wagen, sondern als Hoffnungsträger, um den ein neues Projekt unter der legendären britischen Sportwagenmarke aufgebaut werden soll. Schon 2021 sollen die Erfolgserlebnisse zurückkommen. Das Team, damals Racing Point, will an den starken Leistungen des Vorjahres anknüpfen, Podestplätze einfahren und träumt sogar von Siegen, wenn es die Umstände zulassen. "Letztes Jahr sind wir WM-Vierter geworden. Der dritte Platz war möglich. Diesen Platz sollten wir anstreben", sagt Vettel dazu.
"Die Favoritenrolle ist an Mercedes verteilt. Red Bull ist der erste Herausforderer. Dahinter kommen hoffentlich direkt wir. Wir wollen nicht nur in dieser Position fahren, sondern der Spitze auch näher kommen." Für das neue Projekt rückt der Ex-Weltmeister zunächst den Wohlfühlfaktor in den Vordergrund. "Das größte Ziel ist es erst einmal, mich einzuleben, meinen Weg im Team zu finden, und Spaß zu haben. Zu diesem Zeitpunkt sind wir alle sehr euphorisch. Mal sehen, wie es aussieht, wenn das Auto mal auf der Strecke ist." Das wird am Donnerstag (4.3.) der Fall sein. Dann bestreitet Aston Martin mit dem AMR21 einen Shakedown über 100 Kilometer in Silverstone.
Vettel glaubt an WM-Potenzial
Bislang kennt Vettel sein neues Auto nur aus dem Simulator. "Da fällt es mir schwer, Vergleiche zu ziehen. Die Hardware ist von Team zu Team unterschiedlich. Und damit das Gefühl für das Auto, und wie es sich verhält." In der Winterpause standen überwiegend Trockenübungen im Lastenheft. "Es ist ein anderes Auto mit einer anderen Philosophie. Ich habe viel mit den Ingenieuren gesprochen, um mich mit den Unterschieden vertraut zu machen – technisch und bei den Abläufen. Da gibt es Dinge, die ich dazulernen muss. Auf der anderen Seite bin ich mit meiner Arbeitsweise, meiner Methodik gut aufgestellt und kann viel ins Team einbringen."
Die Möglichkeiten, in der Fabrik zu sein, waren wegen der geltenden Corona-Vorschriften eingeschränkt. So lief vieles auch über virtuelle Plattformen oder das Telefon ab. Die Corona-Krise macht es nicht einfach, das neue Team im Detail kennenzulernen. Dazu kommen weniger Tests vor der Saison – drei statt sechs Tage – und eine verkürzte Trainingszeit am Rennwochenende. Vettel wird seine Erfahrung brauchen, um möglichst schnell im AMR21 in Schwung zu kommen.
Schnelle Erfolge würden helfen, die Kritiker verstummen zu lassen. Und damit in Ruhe auf eine erfolgreiche Zukunft hinzuarbeiten. Vettel versteht Aston Martin als langfristiges Projekt. Die Team.ührung hat den Kampf um den Weltmeistertitel in drei bis fünf Jahren als Ziel ausgerufen. Und da will Vettel federführend sein. "Ich glaube daran, noch einmal Weltmeister werden zu können. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Ich bin noch nicht zu alt, und habe noch ein paar gute Jahre. Das ist ein langfristiges Projekt. Bei Mercedes hat es auch gedauert", sagt Vettel, ehe er nachschiebt. "Vielleicht geht es mit den Änderungen in der Formel 1 auch schneller."
Vergleich zu Red Bull damals
Budgetobergrenze und Regelrevolution mit neuen Autos ab 2022: Das sind die Vorzeichen, die Aston Martin und Vettel optimistisch stimmen. "Wir haben gute, talentierte Leute. Dieses Team hat eine enorme Stärke darin entwickelt, effizient zu arbeiten. Sie sind schon immer mit weniger Geld ausgekommen, und waren trotzdem gut." Die Mannschaft aus Silverstone war es in der Vergangenheit gewohnt, das Geld zusammenzuhalten, und es nicht mit beiden Händen rauszuwerfen. Darauf wird es unter dem Cost Cap in der Formel 1 ankommen.
Erstmals setzt das Regelwerk finanzielle Grenzen. Während Topteams wie Mercedes, Red Bull und Ferrari schrumpfen und das Personal in andere Projekte stecken müssen, kann Aston Martin sogar noch wachsen. Derzeit beschäftigt das Team rund 500 Mitarbeiter. Bei den Topteams kümmerten sich in der Chassisabteilung zwischen 850 und 1.000 um das Auto. Zu viel, um im Rahmen der 145 Millionen Dollar zu sein. "Früher hat unser Team oberhalb seiner Gewichtsklasse boxen müssen. Jetzt können wir auf Augenhöhe umso härter zuschlagen", meint Team.esitzer Lawrence Stroll.
Mit Vettels Erfahrung, mit seinem Input soll das junge Projekt schnell Flügel bekommen – analog zum Aston-Martin-Logo. Der Ex-Weltmeister weiß auch, wie es ist, mit weniger klarzukommen. Sein Einstieg in die Formel 1 führte über das kleine Toro Rosso. "Als ich zu Red Bull stieß, befand sich die Mannschaft auch in einer Aufbauphase. Sie waren nicht das Team, das sie heute sind. Die Situation ist gut vergleichbar mit der von heute bei Aston Martin."