Befreiungsschlag für Ferrari?
Die WM-Titel sind vergeben. Beim GP Brasilien würde Ferrari aber gerne noch einmal ein Ausrufezeichen gegenüber Mercedes setzen und damit die Gerüchte über die Motoren-Tricksereien aus der Welt schaffen. Die letzten Infos gibt's in der Vorschau.
Nur weil Mercedes und Lewis Hamilton in Sachen Meisterschaft schon alles klar gemacht haben, heißt es nicht, dass die letzten beiden Saisonrennen uninteressant werden. Ganz im Gegenteil! Jetzt muss niemand mehr Rücksicht auf die WM-Stände nehmen. Jeder kann befreit angasen. Die meisten Piloten haben nichts mehr zu verlieren. Und die Rennstrecke in Sao Paulo ist ja sowieso immer Garant für Action.
Das Einschalten zur besten Sendezeit am Sonntag (Start um 18.10 Uhr) sollte sich vor allem für Ferrari-Fans lohnen. Die Scuderia muss den Zweiflern beweisen, dass der Motor trotz der letzten Technik-Direktive weiter klar die Nummer eins im Feld ist. Auf der langen Geraden dürfte es für die Konkurrenz einfach sein, per GPS-Analyse Rückschlüsse auf die Power-Daten zu ziehen.
Auch das typisch-launische Interlagos-Wetter könnte mal wieder dafür sorgen, dass beim Samba-Grand-Prix keine Langeweile aufkommt. Aktuell ist die höchste Regenwahrscheinlichkeit zwar für den Trainingsfreitag vorhergesagt, doch in Brasilien haben sich die Prognosen schön häufig als falsch herausgestellt.
Die Strecke: Autodromo José Carlos Pace Sao Paulo
Sao Paulo gehört zu den Dinos im Kalender. Schon seit 1972 werden auf der berühmten Strecke in Interlagos (übersetzt: „ zwischen den Seen“) Grand Prix Rennen ausgetragen. Damals lag die Piste noch im Brachland vor den Toren der Stadt. Mittlerweile hält die Krake Sao Paulo das 4,309 Kilometer lange Asphaltband fest umschlossen.
Der Grand Prix von Brasilien war in seiner Geschichte immer wieder Schauplatz berühmter Schlachten. Unvergessen bleibt der erste Heimsieg von Ayrton Senna 1991, bei dem er sich total erschöpft und von Krämpfen geschüttelt auf das Podium schleppte. Auch das Krimi-Finale 2008, als Lewis Hamilton Felipe Massa wenige Meter vor dem Ende den Titel wegschnappte, dürfte vielen F1-Fans noch gut in Erinnerung sein.
Vom Layout her hat das Autodromo José Carlos Pace alles zu bieten: Lange Vollgaspassagen wechseln sich mit schnellen und langsamen Kurven ab. Zwei DRS-Zonen – auf der Ziel- und der Gegengerade – sorgen stets für viel Action. 800 Meter über Meereshöhe gelegen bedeutet das Rennen auch für die Turbos Schwerstarbeit. Nach dem Extrem-Test von Mexiko (2.200 m) sollten die Ingenieure allerdings für diese Herausforderung gewappnet sein.
Fast Facts GP Brasilien
- Streckenlänge: 4,309 km
- Rundenanzahl: 71
- Renndistanz: 305.909 km
- Streckenrekord: 1:10.540 min. (Bottas, 2018)
- Top-Speed: 338 km/h
- Längste Vollgaspassage: 935 Meter (zwischen Kurve 12 & 1)
- Geringste Geschwindigkeit: 80 km/h (Kurve 10)
- Distanz von der Pole Position bis zur ersten Kurve: 194,9 Meter
- Reifenmischungen: C1, C2 und C3
Das Setup für den GP Brasilien
Die Einstellung des Fahrwerks ist durch das abwechslungsreiche Layout stets kompliziert. Aus den langsamen Kurven 8, 9, 10 und 12 benötigen die Piloten gute Traktion und damit eine etwas weichere Abstimmung. Die schnellen Ecken (Kurven 3 bis 7) verlangen dagegen eine stabile Straßenlage. Hier muss der optimale Kompromiss gefunden werden. Ein Fragezeichen schwebt immer über dem Asphalt. In Sao Paulo werden die Ingenieure regelmäßig von neuen Bodenwellen überrascht, die von einem zum anderen Jahr entstehen.
Bei den Flügeln ist der richtige Mix aus Luftwiderstand und Abtrieb gefragt. Wegen der langen Gerade wird der Heckflügel nicht maximal angewinkelt. Vorne setzen die Piloten dagegen tendenziell auf etwas mehr Anstellung, damit das Auto auf der Vorderachse stabil in die schnellen Kurven einlenkt. In puncto Bremsbelastung gibt es dagegen keine großen Herausforderungen. Auch die Reifen sollten kein Thema sein. Nachdem Pirelli in den Vorjahren immer mal wieder mit weichen Mischungen experimentiert hat, gibt es diese Saison die drei harten Sorten C1 bis C3.
Technische Upgrades:
Die WM ist gelaufen. Große Upgrade-Pakete dürfte beim vorletzten Rennen der Saison niemand mehr aus dem Hut zaubern. Dennoch lohnt sich ein genauer Blick auf die Technik. Jetzt kommt normalerweise die Zeit, in der die Ingenieure schon die ersten Experimental-Teile für die kommende Saison auspacken. Ein Upgrade hat Ferrari schon angekündigt. Charles Leclerc muss sich nach seinem Ölleck im dritten Austin-Training eine neue Antriebseinheit einbauen lassen, was zu einer Rückversetzung in der Startaufstellung führt.
Die Favoriten:
Mit seiner Startplatzstrafe dürfte Leclerc bei einem normalen Rennverlauf nichts mehr mit dem Sieg zu tun haben. So setzen die Tifosi alle Hoffnungen in Sebastian Vettel. Nach dem Pech in Austin würde der Heppenheimer in Brasilien bei seinem 100. GP-Start für Ferrari sicher gerne direkt wieder zurückschlagen. Mit dem Power-Vorteil auf der langen Geraden sollte Ferrari vor allem im Qualifying wieder gut aussehen. Um der Welt zu beweisen, dass die roten Raketen nicht von der FIA eingebremst wurden, dürften die Ingenieure dieses Mal auf Setup-Experimente mit maximalem Abtrieb verzichten.
Mercedes darf man bekanntlich nie unterschätzen. Die Silberpfeile gewannen vier der letzten fünf Rennen in Interlagos. Das Team würde gerne beweisen, dass es auch ohne Chef Toto Wolff geht, der sich nach dem Titelgewinn eine kleine Auszeit gönnt. Red Bull dürfte sich in der Theorie wegen des PS-Defizits des Honda-Motors etwas schwerer tun als zuletzt. Max Verstappen wird wieder mal auf Regen hoffen müssen. Sein Husarenritt im Jahr 2016 bei wechselnden Bedingungen dürfte den Fans noch gut in Erinnerung sein.
Im Mittelfeld erwarten wir wieder das alte Duell zwischen McLaren und Renault. Zuletzt hatte McLaren im Qualifying klar die Oberhand, musste sich dann aber im Rennen gegen die Angriffe der Franzosen wehren. Sollten die ersten fünf Teams ein paar Punkte übrig lassen, sehen wir Racing Point und Alfa Romeo in der besten Position für Abstauber-Zähler.
So lief das Rennen im Vorjahr – GP Brasilien 2018:
Eigentlich hätte Max Verstappen den Brasilien Grand Prix 2018 gewinnen müssen. 44 Runden lang zog der Holländer eine große Show ab. Von Startplatz fünf hatte er sich dank einer guten Taktik und dem Verschleißvorteil mit den weichen Pirellis zur Rennmitte an die Spitze gesetzt. Doch als sich Esteban Ocon kurz nach seinem Boxenstopp mit frischen Reifen zurückrunden wollte, boxte der Franzose den Red Bull von der Piste.
Verstappen konnte zwar weiterfahren, doch Lewis Hamilton staubte den Sieg locker ab. Mit dem fünften Platz von Valtteri Bottas machte Mercedes auch noch den fünften Konstrukteurspokal klar. Kimi Räikkönen im Ferrari komplettierte das Podium. Nach dem Rennen kam es zwischen Verstappen und Ocon noch in der FIA-Garage beim Wiegen zu Handgreiflichkeiten und dem Austausch von verbalen Unhöflichkeiten.
In unserer Galerie zeigen wir noch einmal die vielen Highlights des GP Brasilien 2018.