VW Baja Race Touareg
Mit einem spektakulären Touareg will VW beim berühmt-berüchtigten Wüstenrennen Baja 1.000 in Mexiko auftrumpfen. Das am Mittwoch (19.11.) in Los Angeles vorgestellte Wüstenschiff verfügt über einen 550 PS starken V12-TDI aus dem Le Mans-Sportwagen der Konzerntochter Audi.
Mit diesem Race Touareg will VW die nordamerikanische Wüstenrennszene ordentlich aufmischen und damit an eine große Tradition anknüpfen: In den frühen Tagen der Baja-Rennen, Ende der sechziger Jahre, gaben nämlich die Fahrer von VW-Buggys den Ton an. Heutzutage gewinnt man mit einem 1.600er-Boxermotor natürlich keinen Blumentopf.
Wer in der Topklasse, bei den so genannten Trophy-Trucks, vorne mitmischen will, braucht Leistung, und zwar nicht knapp. Bis zu 800 PS leisten die stärksten der V8-Monster. VW hält mit allerfeinster Le Mans-Technik dagegen. Das TDI-Herz des Baja Race Touareg ist eine Leihgabe von Audi: Der VW Trophy-Truck wird von jenem V12-Dieselmotor angetrieben, der die R10-Sportprototypen zu drei Gesamtsiegen beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans befeuert hat.
Mehr Power als Dakar-Pendant
550 PS und maximal 850 Newtonmeter soll der 5,5-Liter-TDI-Motor leisten, fast doppelt so viel wie die Fünfzylinder-Turbodiesel in den Race Touareg, die bei der Dakar-Rallye zum Einsatz kommen. Und dennoch kann man diese Leistungsangaben für den Baja-TDI getrost als Tiefstapelei einordnen: Es mache doch keinen Sinn, schon vor dem ersten Start die Konkurrenz aufzuschrecken, lässt man durchblicken. Im Gegensatz zu den allradgetriebenen Dakar-Autos beschränken sich die Baja-Renner auf Heckantrieb. Anders als früher in der Sahara und künftig in Chile gilt es bei dem Rennen auf der mexikanischen Halbinsel Baja California nämlich nicht, himmelhohe Dünenkämme zu bezwingen.
Das Geläuf ist dafür oft umso rauer. „Warum die Räder an unseren Trophy-Trucks so groß sind?“, juxt Ryan Arciero. „Ganz einfach, weil bei der Baja die Löcher tiefer sind als anderswo.“ Arciero besitzt zusammen mit VW Werksfahrer Miller den renommierten gleichnamigen Rennstall. Im Winter begannen die Amerikaner mit den Planungen für den Mittelmotor-Wüstenrenner. Acht Monate später stand der erste Baja Race Touareg TDI auf den beinahe ein Meter hohen Rädern.
Test ohne Karosserie./strong>
In einem fast dreiwöchigen Mammut-Test im Lucerne Valley trimmten die Arciero-Miller-Männer, unterstützt von Ingenieuren des VW-Konzerns, den wüsten Renner jetzt zur Wettbewerbsform. Auf Äußerlichkeiten legte man dabei keinen großen Wert: Der Baja-Renner fuhr ohne Karosserie. Erstens, weil die Beplankung durch die aus Kohlefaser gefertigten Paneele technisch nicht unbedingt notwendig ist. Zweitens, weil das fertige Erst am Mittwoch (19.11.), also kurz vor dem Start zum Baja 1.000-Rennen, stellte VW den Boliden auf der Los Angeles Motor Show offiziell vor.
Der Baja-Touareg ist seinem Pendant aus der Serie wie aus dem Gesicht geschnitten. „In allen seinen Abmessungen entspricht er genau der Serie, allerdings um exakt 10,5 Prozent vergrößert“, verrät Don Tebbe, der Technische Leiter von Arciero-Miller. Das Reglement der US-Wüstenrennszene ist simpel gestrickt. „Erlaubt ist fast alles“, erläutert Arciero. „Der Motor muss vom gleichen Hersteller stammen wie die Silhouette der Karosserie, und hinten ist eine Starrachse vorgeschrieben.“ Bei der Tankgröße musste VW Abstriche machen: Die Veranstalter erlauben nur 240 Liter; die V8-Benziner von Chevy und Ford dürfen hingegen fast 80 Liter mehr an Bord nehmen.
„Das macht aber nichts“, ist sich Mark Miller sicher. „Denn erstens haben wir mit dem Diesel einen rund 20-prozentigen Verbrauchsvorteil. Und zweitens sind die Reifen der limitierende Faktor: Nach spätestens 200 Meilen sind sie am Ende. Dann müssen wir eh einen Stopp einlegen.“ Bei der Karosserie gab sich das VW Designcenter in Kalifornien große Mühe, die Silhouette des Serienautos perfekt nachzuempfinden. Ein glatter Etikettenschwindel: Denn technisch hat das Rennauto mit dem Serienprodukt ungefähr so viel zu tun wie ein Wüstenschiff mit einem Ozeandampfer.
Fliegender Teppich
Rückgrat des Baja-Touareg ist ein solider Stahlrohrkäfig; extrem lange Querlenker vorne und Längslenker hinten ermöglichen schier unglaublich große Federwege: Die hintere Starrachse kann zwischen oberem und unterem Totpunkt satte 76 Zentimeter hin- und herschwingen. Beim Dakar-Touareg ist der Federweg per Reglement auf mickrige 25 Zentimeter begrenzt. Schon eine kurze Mitfahrt als Copilot an der Seite von Mark Miller zeigt: Der Baja-Touareg schwebt wie ein fliegender Teppich über Hindernisse fast aller Art. Selbst auf übelsten Pisten behält Miller ein Reisetempo von mehr als 120 km/h bei.
Ob er mit dem Dakar-Touareg hier genauso schnell fahren könnte? Miller schüttet sich schier aus vor Lachen. „Völlig unmöglich. Aber mit dem Baja-Auto könnte ich noch deutlich zulegen. Bis zu 180 km/h schätzungsweise.“ Der Baja-Touareg ist unbestritten das wildeste Rennauto, das Volkswagen je auf Kiel gelegt hat. Nur der sehr dezente Klang des Motors will nicht so recht zu seinem autoritären Auftritt passen. Gedämpft durch Turboaufladung und Partikelfilter, entfleucht den beiden Auspuffrohren kaum mehr als ein böse klingendes Zischen. Doch schon Le Mans hat gezeigt, dass Lautstärke und Leistungsvermögen des riesigen V12 in umgekehrt proportionalem Verhältnis zueinander stehen. Wenn das kein gutes Omen ist.