Punktediät trotz gutem Auto
Das Red Bull B-Team Alpha Tauri hat einen der besten Saisonstarts in der Geschichte des Rennstalls hingelegt. Trotzdem ist Technik-Chef Jody Egginton nicht ganz zufrieden. Und jetzt, wo man endlich ein starkes Auto gebaut hat, müssen die Ingenieure für 2022 ein komplett neues Modell entwickeln.
Seit der Saison 2006 ist Red Bull mit zwei Teams in der Formel 1 am Start. Über viele Jahre gurkte das B-Team unter der Bezeichnung Toro Rosso im hinteren Mittelfeld herum. Vergangenes Jahr haben die Marketing-Strategen dann den Namenswechsel auf die Modemarke "Alpha Tauri" vollzogen. Man könnte fast sagen, dass mit dem neuen Namen auch endlich der Erfolg kam.
Nach einem mäßigen Start in das Jahr schaffte Pierre Gasly mit seinem Sieg in Monza eine echte Sensation. Am Saisonende war Alpha Tauri praktisch bei jedem Rennen ein fester Punktekandidat. Der Kampf gegen Ferrari um Platz sechs in der WM-Wertung ging nur knapp verloren.
Mit dem AT02 gelang dem kleinen Team aus Faenza diese Saison noch ein weiterer Schritt nach vorne. Von den neun Rennen fuhr Gasly immerhin sieben Mal in den Top sechs der Startaufstellung los. Mit 48 Punkten belegt Alpha Tauri aktuell Rang fünf in der Teamwertung, was den vor der Saison ausgegebenen Zielen entspricht.
Ärger über verlorene Punkte
Technikchef Jody Egginton kann sich allerdings nicht ganz freuen: "Das war sicher kein schlechter Start. Aber wir sind trotzdem nicht ganz zufrieden. Wir haben durch Unfälle und andere Fehler schon jede Menge Punkte liegengelassen." Vor allem Yuki Tsunoda trübt die Bilanz. Der ungestüme Rookie konnte bislang nur neun Zähler zum Guthaben beisteuern. Dafür sorgte der Japaner mit teils wilden Abflügen immer wieder für Arbeit bei den Mechanikern.
Und auch bei Pierre Gasly lief zuletzt nicht alles glatt. Im ersten Spielberg-Rennen krachte ihm Charles Leclerc schon in der Startrunde aufs Heck, was zum frühen Aus führte. Bei der zweiten Heimspiel-Sause auf dem Red-Bull-Ring verpokerte man sich mit der Strategie. Die weichen Reifen am Start zwangen beiden Alpha-Tauri-Piloten einen Zusatzstopp auf. Am Ende sprangen für Gasly nur zwei magere Zähler heraus.
Die Teamleitung hofft, dass man in den verbleibenden Rennen der Saison das gute Potenzial des Autos auch entsprechend in Punkte umwandelt. Doch wie gelang Alpha Tauri in der Winterpause überhaupt solch ein großer Schritt, wo doch große Teile der Technik eingefroren waren?
Auch Egginton kann die Steigerung nicht ganz erklären: "Das aktuelle Auto ist eine Evolution des letztjährigen Modells. Es sieht zwar von außen so aus, als habe sich das Paket stark verbessert. Aber was die DNA angeht, ist es nicht komplett anders."
Unterboden, Aero & Honda-Motor
Offenbar passen jetzt einfach alle Elemente zusammen: "Mit der Aerodynamik sind wir im Mittelfeld gut dabei. Wir hatten jetzt Strecken, auf denen unterschiedliche Flügel verlangt waren und konnten überall eine konkurrenzfähige Pace setzen. Auch was die Power Unit angeht, sind wir jetzt gut im Spiel", freut sich Egginton.
Nach Einschätzung des Briten könnten Alpha Tauri die neuen Unterboden-Regeln geholfen haben. "Wir haben im Entwicklungsprozess ein paar gute Lösungen gefunden, die uns weitergebracht haben, und sind einigermaßen zufrieden damit, wie viel wir von dem verlorenen Abtrieb zurückgewonnen haben. Aber es hätte natürlich immer noch besser sein können."
Natürlich hat auch die Kooperation mit Red Bull und die Übernahme alter Teile des Schwesterteams zum Aufstieg beigetragen. Aber die Zusammenarbeit mit dem Partnerteam lief bereits im Vorjahr auf vollen Touren. "Wir haben nichts grundlegend anders gemacht. Es ist mehr die konstante Weiterentwicklung über den Winter. Von Rennen zu Rennen bringen wir nur Kleinigkeiten. Es gibt keine große Ausbaustufe, die wir dann nicht verstehen", erklärt Egginton.
Verlässt Alpha Tauri die Erfolgsspur?
Mit großen Schritten konnte Alpha Tauri die Lücke zum vorderen Mittelfeld schließen. Doch ausgerechnet jetzt kommt mit dem 2022er Reglement der große Einschnitt. Die Gefahr im Kräfteverhältnis wieder zurückzufallen scheint von außen größer als die Möglichkeit noch weiter nach vorne zu kommen.
Auch Egginton schaut mit gespaltenen Gefühlen in die Zukunft: "Wir sind als Team so stark aufgestellt wie nie zuvor in der Geschichte dieses Rennstalls und jetzt wird alles geändert. Aber ich betrachte als Ingenieur auch immer das große Bild. Die neuen Regeln werden eingeführt, um das Überholen zu erleichtern und das Feld näher zusammenzubringen. Und so ein ganz neues Projekt ist aus technischer Sicht immer auch aufregend."
Der Entwicklungs-Chef versucht es positiv zu sehen: "Es stimmt schon, dass wir jetzt etwas hinter uns lassen müssen, bei dem wir auf einem guten Weg waren. Auf der anderen Seite haben wir aber auch schon Teams gesehen, die bei einem stabilen Reglement plötzlich aus der Spur geraten sind. Da gibt es keine Garantien."
Wechsel auf 2022er Modell
Der Wechsel auf das neue Auto soll bis zur Sommerpause abgeschlossen sein. In den nächsten Rennen kommt nur noch wenig Neues an das Auslaufmodell. "Wir haben noch ein paar Sachen in der Pipeline. Aber wie immer bei uns handelt es sich nur um Kleinigkeiten, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennen wird. Die meisten Ressourcen wandern schon in das neue Projekt. Wir haben viel zu lernen aber viel zu wenig Zeit."
Dass man das 2021er Auto noch einmal in den Windkanal schiebt, schließt Egginton aus: "Wir wollen nicht hin und her wechseln. Nach dem Abschluss des alten Projekts geht der Blick nur noch nach vorne. Der Wechsel wird jetzt in diesen Wochen vollzogen, so wie es wohl alle Teams machen. Man muss bedenken, dass sich die Regeln für 2022 ja im Detail immer noch verändern. Hätten wir schon zu früh angefangen, dann wären manche Entwicklungen vielleicht umsonst gewesen."