Alpina D5 S gegen Audi S6 Avant TDI
Audi trotzt dem Trend und packt einen Dieselmotor in den neuen S6 Avant. DIe Idee ist gut, die Umsetzung performt jedoch ein Stück weit am Anforderungsprofil vorbei – Im negativen wie im positiven Sinn! Ein Vergleich mit dem Alpina D5 S.
Bevor wir Ihnen verraten, welch übernatürliche Fähigkeit im neuen S6 steckt, und klären, wie er sich damit gegen den 39 PS stärkeren, 11.900 Euro teureren Alpina D5 S schlägt, geht’s erst mal ums Prinzip. Genauer: ums Motorenprinzip.
Nach vier Generationen mit Benzinern aller Art sattelt der Audi nämlich auf den Diesel um. Ein Schritt, der ihn voll auf Konfrontationskurs mit dem Zeitgeist bringt. Die große Frage daher: Warum macht man das? Warum jetzt, wo Teile der Öffentlichkeit die Selbstzünder am liebsten in der Hölle schmoren sähen? Ganz einfach: Die Entscheidung wurde zu einem Zeitpunkt gefällt, als die Welt noch in Ordnung war – vor Dieselgate und der Hexenjagd danach. Wenn Sie mich fragen, dann ist sie aber auch heute noch goldrichtig! Sicher, die Neuausrichtung ist mit Einschnitten verbunden: zwei Zylinder weniger als der Vorgänger, 349 statt 450 PS – beides nicht gerade Aushängeschilder für ein neues S-Modell. Doch seien wir ehrlich: Der S6 war schon immer eher einer für die Autobahn, einer, bei dem es um Tempo ging, nicht um Performance. Und über die Distanz gibt es einfach nichts Besseres als einen dicken Diesel – Stimmungsmache hin oder her!
Passt, aber nur prinzipiell
Dass sein Dreiliter-V6 trotzdem nicht so recht ins Gesamtbild passt, hat jedenfalls weniger mit seinem Verbrennungsprinzip zu tun, sondern mit dessen Auslegung. Konkret: mit einer Schwachstelle darin, die für seine Punkteausbeute in diesem Test zwar unerheblich bleiben wird, die Fahrgefühle aber trübt. Die Rede ist vom Ansprechverhalten, das mit matt noch nett umschrieben ist.
Dabei bringt der S6 von Haus aus alles mit, um genau dem entgegenzuwirken: den elektrisch angetriebenen Verdichter, kurz EAV – einen kleinen Vorschaltlader, der über ein 48V-Bordnetz gespeist wird. Binnen Millisekunden wird er per E-Maschine auf 70.000 Umdrehungen beschleunigt – mit dem Ziel, jene Phase zu überbrücken, die der Abgasturbo braucht, um seinerseits auf Touren zu kommen. Aus unserer Testerfahrung wissen wir: Das Ganze funktioniert vorzüglich. Die Studien RS 5 TDI und TT Clubsport waren praktisch verzögerungsfrei im Kraftaufbau. Gleiches gilt für den SQ7, mit dem die Hybridaufladung einst in Serie ging.
Beim S6 jedoch überspannt die Brücke das Turboloch nicht mal bis zur Hälfte. Der Anschub des EAV verebbt kurz nach 1.600/min, der Turbo kommt so richtig erst um zwei. Dazwischen hängt der Motor quasi in der Luft, was sich an den mauen Ela-Werten der großen Gänge prima illustriert. Immerhin: Der Wandlerautomat ist gebrieft. Er weiß, dass er die Drehzahl vom Abhang fernhalten muss, und dass sie schleunigst wieder herauszuziehen ist, falls sie doch mal reinrutscht. In einigen Situationen ist aber auch er machtlos. Beim Anfahren zum Beispiel, wo man für einen Moment am Boden festzukleben scheint.
Mehr Leistung, weniger Turbos
Bloß wie kommt’s? Wie kann der V6-TDI, der früher über alle Zweifel erhaben war, auf einmal so einknicken? Die Antwort: Nichts Genaues weiß man nicht! Ein Grund für den ladedruckleeren Raum dürften Emissionsbelange sein. Aber auch die Konfiguration der Aufladung spielt definitiv mit rein. Beim vergangenen A6 waren alle TDI ab 300 PS aufwärts Biturbos: ein kleiner Lader zum Anblasen, ein großer zum Aufblasen – die perfekte Symbiose! Der Neue verfügt zwar nach wie vor über denselben Hubraum, soll mehr Leistung und mehr Drehmoment generieren als jeder sechszylindrige Audi-Diesel zuvor, bekam aber einen Abgasturbo abgezogen. Und den kann der possierliche E-Verdichter nie und nimmer kompensieren.
Aber natürlich ist auch nicht alles Trübsal. Wenn das Vakuum einmal überwunden ist, bekommt man die Rechtfertigung für das S-Emblem sogar ziemlich eindrucksvoll zu spüren. Bei 2.500/min ist es so weit, dann brechen die Dämme und bis zu 700 Newtonmeter wie eine Lawine über den 2.095 Kilo schweren Avant herein. Zahlen? 5,4 Sekunden auf 100, 21,6 auf 200. Das mag unterm Strich deutlich langsamer sein als der vergangene S6, relativiert sich aber über die stattlichen Reichweiten sowie die ungleich günstigeren Realverbräuche, die – Sie kennen uns – keineswegs im Bummelbetrieb erzielt wurden.
Alpina zeigt, wie’s geht
Allerdings ist Audi eben nicht der Erste, der darauf gekommen ist, Sportlichkeit mit Selbstzündung zusammenzuspannen. Im Gegenteil: Der S6 entert ein Segment, das bereits von zwei echten Platzhirschen besetzt ist.
Ganz oben in der Hackordnung steht der 400 PS starke Vierfachturbo namens BMW M550d, eine Stufe darunter er hier, der kaum schwächere Alpina D5 S. Sein Dreiliter-Motor verquickt drei Lader zu 388 PS sowie 800 Nm und zeigt dem Audi, wie Diesel geht.
Okay, er klingt blecherner als der TDI, der sich auf Knopfdruck sogar eine Art V8-Gewummer auftoupiert. Dafür quillt die Kraft des Reihensechsers ansatzlos heraus. Kein Wachkoma, keine Blockaden, nur eine feiste Strömung tachoaufwärts, welche die 2.041 Kilo mühelos bis in die Hochregionen der Drehzahlskala trägt.
Zu Performance-Verrenkungen fühlt man sich trotz des fulminanten Vorwärtsdrangs aber nie hingerissen. Anders als der S6, der sich quirliger bewegt, bettet einen der Alpina in Gelassenheit. Üppige Sessel, die feine Automatik und ein Fahrwerk, das seinen Anspruch mit strafferen Federn und spezifischen Vorderachs-Querlenkern zwar untermauert, aber nur subtil entfaltet.
Jedenfalls fühlt sich seine Überlegenheit weit geringer an, als sie de facto ist: besseres Leistungsgewicht, bessere Sprintwerte, bessere Bremse! Im Klartext: Der Alpina hat den S6 von Anfang an im Griff und macht den Sack bereits im Slalom zu. 66,7 km/h zu 63,9 – ein echtes Brett, das aber auch dadurch zustande kommt, dass dem Audi beim Twist um die Hütchen permanent das Heck entgleist.
Finale furioso
Rundenzeiten? Hätten wir uns in diesem Fall eigentlich schenken können. Zum einen sind Diesel-Kombis für Rundstreckenaktivitäten ja eher selten erste Wahl, die entsprechenden Erkenntnisse also ohnehin theoretischer Natur. Zum anderen war der S6 nicht mehr in der Position, das Ruder noch herumreißen zu können. Und doch hat es sich am Ende gelohnt, im Grenzbereich vorbeigeschaut zu haben.
Dank des Kraftvorteils gibt der Alpina zwar auch auf der Rennstrecke den Ton an, den besseren Auftritt jedoch legt der Audi hin – wobei Auftritt ein recht kleines Wort ist angesichts der Größe des gebotenen Spektakels. Im Gegensatz zum D5, der sich auch von den Kurven eines Nürburgrings nicht aus der Reserve locken lässt, sich artig an die Linie knüpft und ohne Sperenzchen um Kurven spult, reißt sich der S6 nun alles vom Leib: die Manieren, die Kombi- Klischees und jegliche Behäbigkeit.
Schon auf der Landstraßen meinte man zu merken, dass er lockerer drauf ist, dass seine Hinterachslenkung und das Sportdifferenzial direkten Einfluss nehmen aufs Fahr-Feeling. Was man nicht merken konnte: wie weit dieser Einfluss reicht! Die Show beginnt beim Einlenken. Das heißt, wenn man dem S6 mit der Art des Einlenkens zu verstehen gibt, dass es jetzt gern etwas mehr sein darf – mehr Dynamik! Ist die Botschaft angekommen, reißt seine Steuerungselektronik alle Stellhebel auf Anschlag, und das 4,95-Meter-Schiff walzert in einen Allrad-Drift. Und nein, wir reden hier nicht von Rumgerutsche, sondern von Quertrieb. Besser: von ausschweifender Neutralität, die in ihrem Ablauf an den Lancer Evo erinnert und einen kompromissbehafteten Diesel-Kombi am Ende zum Handling-Helden ohne Wenn und Aber macht.