BMW 130i und Ford Focus ST im Vergleichstest
Mit dem 225 PS starken, von einem Fünfzylinder-Turbomotor befeuerten Focus ST bläst Ford zum Angriff in der sportlichen Kompaktklasse. Der Newcomer trifft auf die Referenz von BMW – den 130i.
Der Focus ST dürfte es schwer haben. Nicht nur, weil Ford den 225 PS starken Kompaktsportler vergleichsweise spät ins Rennen schickt – Volkswagen, Opel und BMW haben sich in der heiß umkämpften Klasse bereits hitzige Gefechte geliefert – sondern auch, weil die hausintern gesetzten Vorgaben beachtlich sind. Anfang 2003 stellten die Kölner mit dem 215 PS starken Focus RS ein Sportgerät vor, das dazu angetan war, die Konkurrenz das Fürchten zu lehren (siehe sport auto-Vergleichstest in Ausgabe 2/2003).
Die hausinterne Konkurrenz ist nicht zu unterschätzen
Mit einer Zeit von 1.18,9 Minuten deklassierte der scharf geschnittene Zweitürer mit dem Turbohammer auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim die frontgetriebene Konkurrenz. Jene ging damals in Form des Opel Astra OPC und des Seat Leon Cupra R an den Start und erwies sich trotz vergleichbarer Papierform als wenig schlagkräftig. In der Folge trug der RS mit 41 zu 29 (Astra) respektive 34 Wertungspunkten (Leon) anno 2003 einen klaren Sieg davon. Dass der Newcomer im wahrsten Sinn des Wortes ein weniger leichtes Spiel haben würde, beweist bereits der Blick ins Datenblatt. Zwar stehen dem neuen Sportmodell inzwischen zehn Pferdestärken mehr zu Gebote als einstmals dem RS. Andererseits geht der aktuelle ST aber auch nicht mehr als austrainierter Leichtathlet durch: Mit 1.472 Kilo Lebendgewicht bringt der aktuelle Sport-Focus fast vier Zentner mehr auf die Waage als sein Vorgänger. Jener war der Konkurrenz nicht zuletzt deshalb so deutlich voraus, weil er mit schlanken 1.290 Kilogramm ins Rennen ging. Die Gegner sind dem allgemeinen Trend zu mehr Komfort und Sicherheit folgend inzwischen ebenfalls schwerer, gleichzeitig aber auch deutlich stärker geworden. So gaben die Rüsselsheimer dem neuen Astra OPC gleich 240 statt der bisherigen 200 PS mit auf den eiligen Weg. BMW – im Beharren auf den Heckantrieb ohnehin ein Exot unter den Herstellern sportlicher Kompaktautos – spendierte dem Einser in der Topversion gar gleich den aus Dreier und Fünfer hinlänglich bekannten und hoch gelobten Reihensechser mit 265 PS.
Der Einser aus München bildet die Referenz der Klasse
In dieser Konfiguration – mit Heckantrieb und hoch drehendem Sechszylinder-Saugmotor – stellt der Bayer fraglos die Referenz in der sportlichen Kompaktklasse dar, wenngleich er sich in einem ersten Vergleich an der neuesten Kreation des Opel Performance Centers im Herbst des vergangenen Jahres die Zähne ausbiss (siehe sport auto 11/ 2005). Mit 42 Wertungspunkten endete die Begegnung zwischen Rüsselsheim und München mit einem Patt. Damals ging der Bajuware mit 18-Zöllern, Mischbereifung, M-Fahrwerk und Aktivlenkung ins Rennen, konnte die in ihn gesetzten Erwartungen trotz grundsätzlich guter Werte jedoch nicht erfüllen. Insbesondere die spürbare Traktionsschwäche beim Herausbeschleunigen aus engen Ecken gab Anlass zu Kritik. Dieses Mal ging BMW die Sache verhaltener an. Zum Erstaunen der Crew steht der 130i am Testtag mit 17-Zoll- Felgen und 205/50er-Goodyear Eagle NCT-Reifen rundum in Hockenheim. Und statt des Unterbaus der M GmbH zeichnet nunmehr das normale Sportfahrwerk des Mutter- Konzerns für die Zeiten verantwortlich, die Steuerung kommt ohne die gleichfalls aufpreispflichtige Aktivlenkung aus. Dem Portemonnaie kommt diese ungewohnte Zurückhaltung der Testwagenabteilung zwar entgegen. Statt für 49.840 Euro ist die bayerische Preziose nunmehr schon für 44.300 Währungseinheiten zu haben. Ob das dem Einser auch sportlich auf die Sprünge hilft, darf gemäß der legitimen Annahme, dass werksseitig eingesetztes High-End-Zubehör dazu angetan ist, ein Auto auch schneller zu machen, jedoch bezweifelt werden.
Weniger sportlich macht den BMW schneller
Tatsächlich ist derlei Skepsis jedoch unangebracht. So erstaunlich es klingen mag: Der 130i ist in seinem konservativeren Kleid ein gutes Stück überzeugender als im betont sportlichen Outfit. Nicht bei der Optik – da muten die unter der üppigen Karosserie herausstakenden 205er-Hinterreifen mit dem vergleichsweise hohen Querschnitt schon etwas schmalbrüstig an. Aber die beim betont sportlichen BMW bemängelte Traktionsschwäche kommt in dieser Auslegung deutlich weniger zum Tragen – was sich mit Zahlen belegen lässt: Mit 1.19,2 Minuten umrundet der aktuell getestete Kompakte den Kleinen Kurs ohne DSC exakt sieben Zehntelsekunden schneller als sein Bruder in Ausgabe 11/05. Dabei legt der BMW mit der verhalteneren Besohlung ein angenehm neutrales Fahrverhalten an den Tag. Die beim mischbereiften Einser zu verzeichnende Untersteuerneigung ist in diesem Trimm kein Thema mehr – was grundsätzlich stimmig ist. Schließlich wird jene durch breitere Hinterreifen prinzipiell verstärkt. Zudem gilt: Je härter ein Auto abgestimmt ist, desto eingeschränkter ist wegen der geringeren dynamischen Radlastverschiebungen die Traktion. BMW selbst konnte die Testergebnisse bislang nicht erklären, hat jedoch eine Stellungnahme angekündigt. Dass die Luft für den leistungsmäßig deutlich unterlegenen Ford in Anbetracht der verbesserten sportlichen Qualitäten des BMW dünn werden würde, lag nach der Vorgabe des Einsers auf der Hand. Mit einem Leistungsgewicht von 6,5 Kilogramm pro PS lassen sich halt keine Wunder vollbringen. Muss doch der 130i mit jedem seiner Pferdchen ein Kilo weniger in Bewegung setzen. Vor diesem Hintergrund kann sich die im Focus ST herausgefahrene Rundenzeit von 1.20,1 Minuten allemal sehen lassen – auch wenn der neue Kompakte von Ford gegen den Vorläufer diesbezüglich einigermaßen alt aussieht. Zur Ehrenrettung des Newcomers sei angemerkt, dass er sich bei der Umrundung der badischen Rennstrecke tadellos benimmt und trotz leichter Traktionsprobleme stets zuverlässig in der Spur bleibt. Trotz des Frontantriebs sind keinerlei Antriebseinflüsse in der Lenkung zu verzeichnen.
Die Bremse des Ford ist nicht immer ein Gentleman
Zudem wartet der dem Volvo-Regal entnommene Fünfzylinder-Turbomotor mit einer überzeugenden Leistungscharakteristik auf. Schon unterhalb 2.000 Touren geht’s – unterlegt von einem sonoren Klangteppich nebst hörbarem Abblas-Knallen bei abrupter Gaswegnahme – flott voran. Die vom Focus ST in der Beschleunigungsprüfung realisierten Messwerte entsprechen weit gehend denen des gleichfalls Turbo-befeuerten Tuning-Seat (Test ab Seite 18). Gewöhnungsbedürftig ist allerdings die etwas rüde Arbeitsweise der nicht ganz standfesten Bremse. Bei energischen Verzögerungsbefehlen greift der Bremsassistent spürbar ein. Die Sitzposition dürfte bekennenden Sportlern etwas hoch vorkommen, ansonsten geht die Ergonomie als sehr gelungen durch. Der Innenraum ist ebenso glattflächig gestaltet wie die Außenhaut und wird von Alu- Einlagen aufgewertet. Die genarbten Kunststoffflächen sind Geschmackssache. Der Innenraum des BMW wirkt schon wegen des beharrlich ausfahrenden Bildschirms auf dem Instrumententräger weniger aufgeräumt, hingegen mutet die Sitzposition in den gut konturierten Lederfauteuils sportiver an. Das Lenkrad liegt hier wie da perfekt in der Hand. Auch in Bezug auf die Berechenbarkeit des Fahrverhaltens gibt es zwischen den Kontrahenten trotz der Unterschiede im Antriebskonzept keine grundlegenden Unterschiede. Beide Autos sind primär der Sicherheit verpflichtet – nur schiebt der eine bei Glätte eben über die Vorderräder ins Off, während der andere dem Hüftschwung den Vorrang gibt. Letzterer wird jedoch der Herkunft des Einsers entsprechend nicht allzu rassig, sondern mit bayerischer Gemütlichkeit vorgetragen und bleibt daher stets gut beherrschbar. Im Rahmen hält sich beim 130i auch der Spritverbrauch: Mit gut 13 Litern Super Plus auf 100 Testkilometer geht der BMW zwar nicht als Sparwunder durch, im Vergleich zum immer noch sehr gesunden Durst des Ford mutet der Einser dennoch bescheiden an. Mit 14,1 Liter auf 100 Kilometer ist der Focus ST nur unwesentlich sparsamer als der unterm Strich potenter anmutende RS.