Nissan Leaf im Fahrbericht
Der Leaf kann jetzt länger. Mit neuer Batterie bis zu 250 km weit. Das haben wir getestet, allerdings nicht auf einer Elektroauto-Wunderland-Strecke. Sondern da, wo er normalerweise nichts verloren hat.
Der Col de Turini. Schicksals-Pass. Legenden und Weltmeister wurden hier geboren, Dramen geschrieben. Röhrl, Sainz, Mäkkinnen und aktuell natürlich Rekordsieger Loeb – sie alle absolvierten hier die „Nacht der langen Messer“ auf der legendären Rallye Monte Carlo, brannten aberwitzige Fabelzeiten in Asphalt, Eis und Schnee.
Und da surre ich jetzt drüber, nahezu lautlos, fast verschämt, die Rallye-Götter gedanklich um Vergebung bittend ob meiner augenscheinlichen Respektlosigkeit. Sorry!
Doch von Anfang an:
30 kWh hat er jetzt zur Verfügung, der Nissan Leaf. Und um das zur Präsentation des neuen Modells in eine fahrerische Form zu gießen, könnte man sich ja einiges einfallen lassen, im goldenen Herbst an der Côte d´Azure. Am Meer entlang Richtung Spanien, bis das letzte Quentchen Strom sich verkrümelt hat. Von morgens bis abends zwischen Altstadt und Yachthafen pendeln. Wattwandern auf der Autoroute La Provençale. Aber den Col de Turini? Kann man sicher machen, allerdings doch eher mit einem Gerät aus der Nismo-Abteilung?!
Stromspar-Challenge auf der Rallyestrecke
Hilft nichts. Ein Journalisten-Kollege aus Frankreich, sagt mir der nette Herr von Nissan bei der Schlüsselübergabe, kam gestern oben am Berg mit 40 Prozent Batteriekapazität an. Rund 75 Kilometer vom Startpunkt mitten in Nizza fast ausschließlich bergauf. Dies gelte es zu unterbieten, wenn man wolle. Challenge und so. Hallo? Aber natürlich!
Vor dem Gipfelsturm auf dem Col de Turini, der Walter Röhrl neben vielen anderen Legendefahrten endgültig zum Halbgott adelte, steht erst mal Stop and Go durch die pitoresken Dörfer oberhalb der Küstenstraße an. Das hindert das Bäumchen nicht am wachsen: die Minimalistengrafik links oben im Display gedeiht zum Piktogramm einer Fichte (oder so etwas ähnlichem), Belohnung für die rücksichtsvolle Behandlung der Traktionsbatterie. Kennen Sie das, wenn das Navi die voraussichtliche Ankunftszeit anzeigt und der Ehrgeiz erwacht, da mindestens eine viertel Stunde rauszuholen? Auf 50 Kilometer Fahrstrecke? Nissan Leaf fahren ist genauso, nur andersrum.
Dann endlich der Einstieg zum Pass. Eigentlich das Signal für „ Feuer frei!“, aber ich befürchte, dass sich dann aus der anderen Display-Ecke ein pöbelnder Pixel-Holzfäller im Karo-Hemd nähert und meine neue Fichtenschonung rodet. Zwei Bäumchen.
Bremsen verboten
Bremsen: verboten. Vernichtet sinnlos wertvolle Energie. Stattdessen bearbeite ich den Schaltgnubbel auf der Mittelkonsole, wechsele zwischen normaler Fahrt und dem Rekuperationsmodus. In dem wirft der Nissan Leaf den Anker, sobald ich vom Fahrpedal gehe und wandelt die Rollenergie in Ladestrom um. Eigentlich für Bergabfahrten gedacht, funktioniert jedoch auch bergauf, statt die Serpentinen-Kehren rüde (und energetisch verwerflich) anzubremsen. Und dann im Swing durch.
Von hinten schließt ein Post-Kangoo auf, motorisch vermutlich nicht gerade gewaltig bestückt. Im Rückspiegel sehe ich den braven Dienstmann feste Verwünschungen ausstoßen. Aber sorry, kann gerade nicht schneller, bin auf Rekordfahrt. Strafzettel, soviel steht fest, gibt es heute keine.
Einige Kilometer vorher, im einspurigen Tunnel de Castillon, hatte ich kurz den Eco-Mode weggeswitcht und einmal tüchtig Strom gegeben. Geht schon voran, der Leaf, so ist es nicht. Tüchtig sogar. Aber da, wo normalerweise in diesem 800-Meter-Gewölbe das Crescendo aus möglichst vielen Zylindern an den enganschmiegenden Wänden zerplatzt, machte es nur: Surr...
Und Swing. Die ungefähr 50. Kehre des Tages. Fasziniert beobachte ich das dritte Bäumchen, das sich gerade die erste Astreihe zulegt. Spätestens jetzt würde mir der lange Regensburger, säße er auf dem Beifahrersitz, mit ruhiger Stimme eine Mordstrumm Watschn ankündigen, wenn ich nicht augenblicklich mit dem jämmerlichen Gekrieche aufhöre. Aber zum Glück sitze ich alleine im Nissan Leaf.
Jede Menge breitschwarze Gummi-Tattoos auf dem Asphalt in den Kehre. künden von Fahrern, die es hier vor kurzem noch bedeutend eiliger hatten als ich gerade, mit 60 km/h durch die Kurven surfend. Macht nichts, sehe ich endlich mal etwas mehr von der Landschaft hier, ist ja auch schön. Das dritte Bäumchen steht.
Die Batterie wurde stärker, nicht größer
Einmal abgesehen von der auf der eher mäßig gepflegten Asphaltdecke des Col de Turini etwas rumpeligen Federung und der ziemlich synthetischen Lenkung fährt sich der Nissan Leaf eigentlich ziemlich proper, wie ein Kompaktklasse-Pkw eben. Nur bedeutend leiser natürlich. Jedoch: Klimaanlage, elektrische Verbraucher – längst alles aus, am liebsten würde ich noch die Kabel der Tagfahrlichter durchzwicken. Bäumchen Nummer vier spitzt aus der schwarzen Display-Erde.
Die Reichweitenverlängerung beim neuen 30 kWh-Leaf wurde übrigens ohne eine dimensional größere Batterie erreicht, in der identischen Abmessung wie bisher ist die Energiedichte des Stromspeichers erhöht worden, 21 Kilo zusätzlich sind dadurch jetzt im Gepäck. Und acht Jahre Garantie gewährt Nissan auf den Akku, wenn man ihn kauft statt zu mieten.
79 Kilometer sollte ich noch schaffen, wenn es so weiter geht, vermeldet die Anzeige im Digital-Display. Zum Start waren es noch knapp 200. Es wird steiler, der Gipfel naht, Kehre um Kehre. Das Wachstum in meinem Privatforst lässt zu wünschen übrig, langsamer geht aber auch nicht, sonst fahre ich vermutlich rückwärts. Ich könnte jetzt die neue Lade-Karte im „NissanConnect EV System“ aktivieren, in der Ladestationen in der Nähe angezeigt werden. Vermute jedoch, das könnte in dieser Gegend eher blass aussehen, lasse es also.
Anderthalb Stunden nach Start – eigentlich sogar ein ganz ein passabler Schnitt für die Strecke im Touristenmodus – rollt der Nissan Leaf vor der Relaisstation auf 1.600 Meter Höhe aus. 41 Prozent zeigt die Kapazitätsanzeige. Frankreich ist geschlagen, Etappensieg auf dem Col de Turini. Mit einem Nissan Leaf. Wenn das der Walter wüsste...