Rolls-Royce Phantom Coupé
Ein Phantom bleibt ein Phantom. Daran ändert sich auch nichts, wenn man den Dachaufbau und die Zahl der Türen reduziert. Nur der Chauffeur guckt in die Röhre, denn das Rolls-Royce Coupé will ein Selbstfahrer-Auto sein.
Nur wenige Autos wirken am Fuß des 1.838 Meter hohen Wendelstein nicht mickrig. Beim Rolls-Royce Phantom Coupé ist es anders, denn der Zweitürer dreht den Spieß optisch um und degradiert den Münchner Hausberg zur Kulisse. Ein 5,61 Meter langer, monolithischer Wagenkörper, 1,99 Meter breit und von einem – im Vergleich dazu – knapp geschnittenen Dachaufbau zur lichten Höhe von 1,59 Meter gebracht, sind mehr Auto, als gemeinhin in Form eines Coupés realisiert werden. Dennoch wirkt der Rolls-Royce nicht riesig. Voraussetzung dafür sind allerdings die Anwesenheit eines Gebirgsmassivs im Hintergrund und die Abwesenheit anderer Verkehrsteilnehmer, die als Größenmaßstab fungieren könnten.
Das beste Auto der Welt?
Elegant, aber ein bisschen kühl steht das Coupé da, obwohl es optische Anklänge an jene Zeit gibt, als freistehende Kotflügel die Seitenansicht der herrschaftlichen Autos prägten. Ein vom Schweller aus im kühnen Schwung nach oben abbiegender Falz an der Flanke soll an jene Jahre erinnern – und gibt sich mit der Andeutung schnell zufrieden. Ansonsten steht der große Wagen ganz in der Tradition seiner mächtigen Vorfahren. Sie alle sollten zu ihrer Zeit das beste Auto der Welt sein. Dieses Coupé will nun der beste Zweitürer der Welt sein, und tatsächlich sind allein die Türen eine Schau. Ja, sie hinten anzuschlagen ist keine neue Idee und bereits im Drophead Coupé genannten Cabrio der aktuellen Modell-Palette von Rolls-Royce realisiert worden. Trotzdem, nach dem weiten Aufschwenken der Portale besteigt man diesen Wagen so würdevoll wie kaum einen anderen. Vorausgesetzt man beabsichtigt, auf einem der vorderen Fauteuils Platz zu nehmen.
In den Fond gelangt man dagegen nicht ganz so elegant und vor allem nicht so schnell. Denn die Vordersitze lassen sich nicht mit einem Handgriff nach vorn klappen und schieben. Eine Funktion, die in jeder Serien-Ausstattungsliste eines durchschnittlichen Kompaktwagens als Easy Entry auftaucht. So klappt man beim Phantom Coupé erst manuell die Lehne vor und fährt anschließend den Sitz elektrisch gen Armaturentafel. Das damit verbundene kurze Innehalten darf freilich nicht als Nachteil missverstanden werden. Schließlich gewinnt man ein wenig Zeit, um die Freude auszukosten, die dem Aufentern in den Fond vorausgeht. Tatsächlich wirkt das Platzangebot im Fond beschnitten, doch lediglich, wenn man an den ballhausweiten Raum in der Phantom-Limousine denkt. Nein, im Coupé sitzt auch der nordeuropäisch großgewachsene Fahrgast kommod, sehr sogar.
Und vor allem die Fond-Reisenden können ein Extra des kleinen Phantom am besten genießen: den Sternenhimmel. 1.500 Lichtleiterkabel sind in die Lederbespannung des Daches von Hand eingezogen, und ihre Strahlkraft kann - je nach Gemütszustand der Passagiere - gedimmt werden. Was das Sternenzelt kostet, ist noch nicht bekannt, aber es wird teuer werden, sehr sogar.
Schließlich verlangt Rolls-Royce auch für das vergleichsweise profane Schleifen der Edelstahl-Motorhaube inklusive des Windschutzscheibenrahmens erhebliche 9.520 Euro. Nicht wenig, wenn man weiß, dass diese Hauben ohnehin stets aus Edelstahl sind und man den Aufpreis im Grunde für das Weglassen des Lacks - fünf Schichten, jede von Hand poliert - bezahlt.
Das Farbregister umfasst 44.000 Möglichkeiten
Andererseits sind solche Kostenfragen Petitessen. Zumindest für die typischen Rolls-Royce-Kunden. Denn schließlich werden 80 Prozent der ausgelieferten Autos noch kräftig mit ungewöhnlichen Extras individualisiert, die nicht in der üppigen Liste der Werks-Schmankerl stehen. Was nicht ganz einfach ist. Beispiel Lackierung: Das Farbregister umfasst schon standardmäßig 44.000 (in Worten: vierundvierzigtausend) Möglichkeiten. Und dann kommt noch die Auswahl bei Leder und Holz dazu, wobei es natürlich völlig in Ordnung ist, wenn man einen eigenen Knollen Wurzelholz in der Rolls-Royce-Manufaktur vorbeibringt, um ihn zur Armaturentafel adeln zu lassen.
Individualität ist das eine, was Phantom-Kunden suchen und zweifellos bekommen. Schließlich sind 2007 gerade einmal 1.010 Stück verkauft worden - weltweit. Wenn das Coupé Ende September auf den Markt kommt, wird sich an dieser Zahl kaum etwas ändern, denn schon heute ist die Beschaffung von Bullenleder und edlen Hölzern der Engpass, der eine Ausweitung der Fertigung verhindert. So beträgt die Wartezeit auf das Coupé bereits jetzt mehr als ein Jahr. Wie üblich hat die treue Kundschaft nämlich Kaufverträge unterschrieben, bevor sicher war, dass aus der Studie 101 EX Concept von 2006 ein Serienmodell werden würde.
Ruhe und Entspannung sind die anderen Triebfedern, einen Rolls-Royce zu fahren. Selbst nach längsten Strecken sollen die Phantom-Fahrer entspannt aus ihrer Yacht für die Straße steigen können. Profanes wie Wind- oder Antriebsgeräusche, holzig ansprechende Federungen oder unbefriedigend arbeitende Klimaanlagen sind Fremdwörter im Rolls-Royce-Duden. Dafür wird kräftig in die Technik-Trickkiste gegriffen. So kühlen zwar im Siebener-BMW und im Phantom die gleichen Klima-Kompressoren, aber im Rolls-Royce sind es zwei. Das Zwillings-Pärchen erlaubt somit eine noch feinfühligere Regelung als das Einzelkind beim bürgerlichen Cousin.
Klassische Coupé-Stärken
Der verfügt dagegen mittlerweile über eine ganze Batterie von Assistenz-Systemen. Das bekannteste ist sicher der Abstandsregel-Tempomat. Ihn gibt es bei Rolls-Royce nicht, selbstverständlich auch kein Nachtsichtgerät oder belüftete Sitze. Man scheut den elektronischen Overkill und besinnt sich vielmehr auf die klassischen Coupé-Stärken.
Dazu gehören auch vier vollständig versenkbare Seitenscheiben, die heute kaum ein Zweitürer mehr zu bieten hat. Beim Phantom haben es die Designer verstanden, der Karosserie die ideale Form zu geben, so dass Fahrten mit voll geöffneten Scheiben ein Genuss sind und keine zugige Angelegenheit.
Zum Fahren ist er schließlich da, zum Selberfahren. Denn während in das Volant der Phantom-Limousine ein Chauffeur greift, soll das Coupé allein den Selbstfahrer ansprechen. Gegenüber dem technisch weitgehend identischen Cabrio wurde aus diesem Grund die Verwindungssteifigkeit erhöht und die Federung eine Nuance straffer ausgelegt. Nicht zu vergessen: Das Tankvolumen wuchs um 20 auf 100 Liter. Was auf einen gesegneten Appetit des V12 hindeutet. 460 Pferdestärken wollen eben gefüttert werden, auch wenn sie ein Phantom bewegen.