VW Golf GTI, Audi A 3 2.0 TFSI, Seat Leon 2.0 TFSI und Skoda Octavia RS
Der von einem Turbolader zwangsbeatmete Zweiliter-Direkteinspritzer wird in den Kompakt-Autos des VW-Konzerns flächendeckend verbaut. Das wirft die Frage auf, wer das beste Paket geschnürt hat: Audi, Seat, Skoda oder doch die Mutter selbst?
Wenn eine ursprünglich eher exotische Begrifflichkeit Eingang in den alltäglichen Sprachgebrauch gefunden hat, dann die der Synergien. Jene – das hämmern uns die Wirtschaftsbosse beharrlich ein – gilt es zu nutzen, wenn ein Unternehmen am Markt bestehen will. Im Verbund mit der gleichfalls bis zum Erbrechen zitierten Globalisierung ergeben sich daraus zuweilen durchaus skurrile Konfigurationen, die sich am Beispiel des multinationalen VW-Konzerns trefflich studieren lassen. Jener vereint unter seinem Dach längst nicht mehr nur so bodenständige Marken wie Volkswagen (Deutschland), Audi (Deutschland), Seat (Spanien) und Skoda (Tschechien), sondern hat sich in seinem Bestreben nach einem gehobenerem Image auch so illustre Autobauer wie Bentley (Großbritannien) und Lamborghini (Italien) einverleibt. Dass die Großmannssucht im Stammhaus dadurch nicht zur Gänze unterbunden wurde – beispielhaft ist hier das Experiment Phaeton anzuführen – sei hier nur am Rande erwähnt. Was aber tun, wenn man so viele Firmen unter einem Dach vereinen will? Klar doch – Synergien nutzen.
Audi und Seat sportlich - Skoda und VW bodenständig: Stimmt das so wirklich?
Deshalb befeuert der ehedem von und für die italienische Sportwagen-Dependance entwickelte prächtige V10-Saugmotor längst nicht mehr nur den Lamborghini Gallardo, sondern verhilft inzwischen auch dem sportlichen Luxusliner Audi S8 zu fulminanten Fahrleistungen. Wenngleich die verwandtschaftliche Nähe mit Hubraum- und Leistungsdifferenzen durchaus wirkungsvoll kaschiert wird. Denn – und damit sind wir beim Kernpunkt des Themas – Synergien haben beileibe nicht nur positive Effekte. Der durch die flächendeckende Verwendung gleicher Bauteile oder Aggregate bewirkten Kostenersparnis steht nämlich eine deutlich geringere Differenzierung gegenüber. Gleichmacherei bedingt Austauschbarkeit, Austauschbarkeit wiederum schadet dem Image und damit letztlich auch dem einzigartigen Verkaufsargument – von Betriebswirten neudeutsch Unique Selling Proposition, kurz USP genannt. Im Fall des im Zusammenhang mit Audi und Lamborghini zitierten Beispiels mag das noch angehen. Wie aber sollen sich Brot-und-Butter-Autos mit grundsätzlich gleicher Technik Konzern-intern und vor allem auch in den Augen der Käufer gegeneinander abgrenzen lassen? Volkswagen hat zu diesem Zweck bereits vor Jahren einen marketing-technischen Kunstgriff bemüht und seine Alltagsmarken Audi, Seat, Skoda und VW nach außen hin vermeintlich klar positioniert. Der primären Marschrichtung gemäß sollen die Bayern und die Spanier mit ihrem eher südlichen Temperament die sportlich orientierte Klientel bedienen, wohingegen es den Niedersachsen und den Tschechen obliegt, die bodenständige Kundschaft zufriedenzustellen.
Preislich liegen die deutschen Marken an der Spitze
In Bezug auf Preisgestaltung und Qualitätsanspruch wird den deutschen Marken ein gewisser Führungsanspruch eingeräumt – in der Theorie. Wie aber sieht nun die Praxis aus? Um dies zu ergründen, empfiehlt sich der Vergleich von vier Konzernmodellen mit identischer technischer Ausstattung. Um im bezahlbaren Rahmen zu bleiben, fiel die Wahl auf die bei VW europaweit mit dem hochmodernen Zweiliter-TFSI-Motor bestückte Kompaktklasse. Dem Test stellen sich mit dem VW Golf GTI der Urvater der sportlich-kompakten Limousine, mit dem Audi A3 2.0 TFSI das Premiummodell des Konzerns in dieser Klasse, mit dem Seat Leon 2.0 TFSI ein avantgardistisch gezeichneter Südländer und mit dem Skoda Octavia RS ein familienfreundlicher Sportler mit überdurchschnittlichem Raumangebot. Grundsätzlich ist das Feld leistungs- und preistechnisch sehr homogen besetzt. Einzig der Seat Leon fällt mit einem Grundpreis von 22.190 Euro und 185 PS ein wenig aus dem Rahmen. Die anderen Fronttriebler treten jeweils mit 200 PS an und sind ab rund 25.000 Euro zu haben. Wobei letztlich erst der Blick auf die Testwagenpreise die ganze Wahrheit verrät. Während nämlich der schon serienmäßig ausgesprochen üppig ausgestattete Skoda Octavia im Vergleich der Grundpreise noch anführt, erobert er sich im vollen Testwagenornat inklusive großem Audio-Kommunikationssystem mit 29.535 Euro Platz zwei hinter dem mit 27.325 Euro preiswertesten Seat, der insgesamt jedoch auch weniger komplett an den Start geht. Navi, 18-Zöller und mit Leder bezogene Sitzbezüge fehlen hier. Die Preisgestaltung des ebenfalls sehr gut ausgestatteten Golf GTI geht mit 30.980 Euro gleichfalls in Ordnung. Audi hingegen wird seinem Ruf als Premiumhersteller vor allem auch bei der Preiskalkulation gerecht. Der zugegebenermaßen ausgesprochen üppig konfigurierte Testwagen schlägt mit beachtlichen 36.655 Euro zu Buche. Zur Erinnerung: Das waren einmal 72.000 Deutsche Mark.
Da vermag das samtig-weiche Leder-Gestühl allenfalls ansatzweise zu trösten, obwohl der Audi verarbeitungstechnisch zweifellos einen tadellosen Eindruck hinterlässt. Kaum etwas zu mäkeln gibt es diesbezüglich auch bei VW und Skoda. Einzig die Plastikklappe des Aschenbechers musste beim Octavia schon mal nachdrücklich zum Schließen überredet werden. Davon abgesehen überzeugt der preiswerte Tscheche mit klarem Design, wertig wirkenden Alu-Blenden und der geschickt gewählten hellgrau/dunkelgrau/schwarzen Farb-Material-Kombination seiner gut konturierten Sitze. Die Innenraum-Anmutung ist auch beim Seat ohne Fehl und Tadel, wenngleich der Spanier aufgrund der großen Kunststoffflächen und des etwas trist geratenen Instrumententrägers einen nüchterneren Auftritt pflegt als die Konzern-Konkurrenz. In Sachen Verarbeitungsqualität hat der Leon jedoch nicht ganz die Klasse von Golf & Co. Aus dem rückwärtigen Passagierabteil war zuweilen ein nicht näher zuzuordnendes leichtes Klappern zu vernehmen, bei nasser Witterung und ebensolcher Kleidung der Insassen hatte die Lüftung selbst bei höchster Gebläsestufe und eingeschalteter Klimaanlage Mühe, die riesige Frontscheibe frei zu blasen. An Frosttagen war der Seat innen gar vereist. Dafür beglücken die Spanier ihre Kunden an anderer Stelle mit pfiffigen Details. Die Glaseinsätze links und rechts der A-Säule dienen dem besseren Überblick bei Abbiegemanövern und an Fußgängerüberwegen, der Zugang zur Fondbank gerät mit den in die hinten oben in die rückwärtigen Türen integrierten Griffen ebenso einfach und kreativ wie einst beim Alfa 156. Und die Ergonomie geht hier wie auch bei Audi und Skoda absolut in Ordnung.
Alle Marken bringen ihr Image gelungen zum Ausdruck
Beim Golf GTI gilt dies grundsätzlich ebenso, wenn auch mit minimalen Einschränkungen. Wer lange Beine hat und einer niedrigen Lenkradposition den Vorzug gibt, gerät hin und wieder mit der voluminösen Lenksäule in Konflikt. Zudem fällt die Sitzposition im GTI etwas höher aus als beispielsweise im Audi A3. In allen Fällen rundum gelungen ist der Transport des Markenimages. Der Audi kommt sportlich-gediegen, der Seat südländisch-frisch daher. Der VW zitiert insbesondere mit seinen karierten Stoffbezügen gekonnt die Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, jene Zeit also, als der Begriff GTI legendär und wurde und einer ganzen Klasse den Namen gab. Beim Skoda blitzt innen wie außen an passender Stelle die hauseigene CI in Form kräftig grüner Farbe hervor. Wo man sich am wohlsten fühlt, mag also entweder Geschmackssache sein oder von handfesten äußeren Umständen oder Vorlieben bestimmt werden. So gibt es den Audi A3, der als einziger der Kontrahenten auch mit Allradantrieb zu haben ist, in dieser Form beispielsweise nur als Zweitürer. Andernfalls muss zum Kombi-ähnlichen Sportback gegriffen werden. Wer vier Türen mag oder braucht, wird bei Seat und Skoda fündig: Den Leon und den Octavia RS gibt es jeweils nur mit mehreren Zugängen, letzteren zudem wahlweise als Stufenhecklimousine – hier fallen die sportlichen Bezüge aufgrund des großen Heckflügels auf dem Kofferraumdeckel etwas deutlicher aus – oder als Kombi. Nur Volkswagen lässt den Kunden bezüglich der Zahl der Schlupflöcher die Wahl: Der Golf GTI ist mit vier oder zwei Pforten und – ebenso wie der Audi A3 2.0 TFSI – wahlweise mit einer manuellen Sechsgang-Schaltbox oder dem Doppelkupplungs-Getriebe DSG zu haben. Mit Letzterem lassen sich die Kompaktsportler auf Wunsch auch gänzlich stressfrei im Automatikmodus bewegen.
Für den vorliegenden Vergleich wurden die Autos selbstverständlich so ähnlich wie möglich konfiguriert. Soll heißen: Alle verfügen über Frontantrieb, manuelles Sechsgang-Getriebe, die vom jeweiligen Hersteller präferierte Bereifung und – wie zuvor bereits erwähnt – den im Konzern überaus beliebten Zweiliter-TFSI-Motor. Dieser hilft seit Kurzem auch der Stufenheckversion des Golf, dem VW Jetta, auf die Sprünge.Basis des über Benzin-Direkteinspritzung, Abgasturbolader, eine kontinuierliche Einlassnockenwellenverstellung und ein variables Schaltsaugrohr verfügenden Triebwerks ist der als Sauger 150 PS starke Zweiliter-FSI-Motor, dessen vier in Reihe angeordnete Zylinder jeweils 8,8 Zentimeter voneinander entfernt stehen. Jener wird bei Audi, Skoda und Volkswagen mit jeweils 0,7, bei Seat hingegen mit nur 0,5 bar zwangsbeatmet. Letzteres hat jedoch keine technischen, sondern modellpolitische Gründe. Mit 185 PS lässt der Leon 2.0 TFSI mehr Raum für den in Barcelona bereits in den Startlöchern stehenden Cupra.
Die geringere Leistung schadet dem Seat kaum
Zum Nachteil gereicht dem Spanier seine geringfügige motorische Unterlegenheit ohnehin nicht. Im Alltag und beim Kurzstreckensprint sind keine Einbußen gegenüber der Konkurrenz zu verzeichnen. Selbst auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim kann der smarte Fünfsitzer trotz seines mit 7,6 Kilogramm pro PS eher mäßigen Leistungsgewicht mithalten. Dank seiner recht guten Traktion, dem neutralen, narrensicheren Fahrverhalten und dem Umstand, dass er auch dann, wenn seinen Bridgestone Potenza-Pneus doch einmal das Talent ausgeht, nie über die Vorderräder ins Off zu schieben droht, ist er mit 1.21,3 Minuten exakt so schnell wie der mit der Kraft von 200 Pferden antretende Audi A3. Hauptgrund hierfür ist die spürbar schlechtere Traktion des Ingolstädters. Kurvenausgangs ringen seine 17 Zoll großen Pirelli P Zero Rosso-Reifen oft vergebens um Grip. Zudem ist der Audi ein deutlich nervöserer Zeitgenosse als sein südeuropäischer Kollege. Pendelbewegungen um die Fahrzeughochachse sind bei ihm fester Bestandteil des sportlichen Fahrprogramms. Das erschwert die exakte Linienwahl und macht das Leben auf der Strecke nicht eben leichter. Kritik verdient auch das selbst im deaktivierten Zustand bei harschen Bremsmanövern stark regelnde Stabilitätsprogramm ESP. Auch beim Golf ist die notorische Besserwisserei des nicht gänzlich abschaltbaren elektronischen Sicherheitsnetzes ein ärgerliches und zudem zeitraubendes Dauerthema. Zumal derlei Vorsicht in Anbetracht des gutmütig untersteuernd geratenen Charakters des GTI gar nicht Not getan hätte. Bezüglich der Traktion gilt das beim Audi Gesagte. Auch hier geht es nur selten verlustfrei voran. Zudem sind beim VW deutliche Antriebseinflüsse in der Lenkung zu vermelden.
Der Größte ist am schnellsten
Ganz anders beim Skoda Octavia RS. Das Dickschiff unter den Kompakten des VW-Konzerns schlägt sich bei der Zeitenhatz bravourös. Als einziger der Kontrahenten bleibt der geräumige Tscheche unter der 1.21er-Marke – knapp zwar, aber immerhin. Mit einer Zeit von 1.20,9 Minuten sichert sich die 1.452 Kilogramm schwere Stufenheck-Limo den Sieg in dieser Disziplin und letztlich auch in der Gesamtwertung. Seine gute Performance auf der Strecke verschafft dem RS jenen Wertungspunkt, mit dem er sich vom zweitplatzierten Audi A3 absetzen kann. Bei allen anderen wertungsrelevanten Kriterien ist die ungemein enge verwandtschaftliche Nähe nämlich nicht zu übersehen. Der Spurt von null auf 100 km/h gelingt in drei von vier Autos in 7,3 Sekunden. Einzig der Golf GTI tritt mit 7,1 Sekunden einen Zacken flotter an. Auch bis Tempo 180 bleibt das Feld denkbar dicht beisammen. Einzige Ausnahme: der Seat Leon 2.0 TFSI. Auf der langen Sprintetappe muss der Spanier seiner freiwilligen Selbstbeschränkung auf 185 PS dann doch Tribut zollen. Er verliert auf den in dieser Disziplin schnellsten Audi A3 knapp vier, auf den zweitlangsamsten Golf GTI immerhin noch 2,3 Sekunden.
Da passt es ins Bild, dass das Werk die Höchstgeschwindigkeit des Seat mit vergleichsweise moderaten 221 km/h angibt. Skoda traut dem Octavia RS 240 km/h Spitze zu, der Audi und der VW rangieren dazwischen. Denkbar geringe Unterschiede auch im Slalom: Mit Ausnahme des Golf durcheilen die Kompaktsportler den 180 Meter langen Pylonendschungel unisono mit gut 66 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Der etwas zu weich abgestimmte und nicht übermäßig direkt agierende GTI ist rund 1 km/h langsamer.Somit ist es wieder einmal die Bremsprüfung, der es obliegt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wobei vorab erwähnenswert erscheint, dass keines der Konzernmodelle hier zur Gänze überzeugen kann. Ob bei der Warm- oder der Hochgeschwindigkeitsbremse – in der einen oder anderen Disziplin erlaubt sich jeder der Kontrahenten einen mehr oder weniger dicken Lapsus. Beginnen wir mit dem Flaggschiff, dem Namensgeber der GTI-Klasse – dem VW Golf. Seine diesbezügliche Performance enttäuscht nicht zuletzt aufgrund seiner ruhmreichen Vergangenheit besonders. Die mit 312 Millimeter messenden Scheiben vorn und 286 Millimeter-Disks hinten im Grunde ausreichend dimensionierte Bremsanlage verzögert den 1,4-Tonner kalt mit lediglich 10,1 m/s², warm mit noch schlechteren 9,8 m/s². Aus 200 km/h kommt der GTI gar erst nach 160,8 Meter zum Stehen. Zum Vergleich: Sportwagen vom Kaliber des im Supertest vorgestellten Pagani Zonda F lassen sich rund 37 Meter früher durchparieren.
Die Bremsen des Seat Leon genügen nicht den Anforderungen
Deutliche Ausfallerscheinungen auch bei Seat. Zwar verfügt der Leon auch über vergleichsweise mickrige 260er-Scheiben an der Hinterachse. 41,7 Meter Bremsweg im warmen Zustand – das entspricht einer Verzögerung von gerade einmal 9,3 m/s² – sind jedoch selbst angesichts dieses Understatements nicht zu akzeptieren. Unterm Strich verspielt der fahrdynamisch durchaus überzeugende Spanier an eben diesem Punkt seinen sicher geglaubten zweiten Platz in der Gesamtwertung. Bei Skoda und Audi sieht die Sache zwar besser aus, wirklich zupackend geben sich jedoch auch deren Stopper nicht. Aus 200 km/h unterschreiten auch der Tscheche und der Bayer die für sportliche Autos gemeinhin als Minimum gehandelte Verzögerungsgrenze von 10 m/s². Beim A3 enttäuscht die mäßige Vorstellung doppelt, weil seine Bremsanlage mit 345er-Scheiben vorn und 310-Millimeter-Disks hinten eigentlich sehr großzügig dimensioniert ist. Unterm Strich legen die trotz guter äußerer Bedingungen flächendeckend schlechten Verzögerungswerte der kompakten Fahrzeugflotte jedenfalls den Verdacht nahe, dass die negative Beschleunigung auf der Prioritätenliste des VW-Konzerns nicht sehr weit oben angesiedelt ist. Dabei ließen sich doch gerade hier trefflich Synergien nutzen. Denn ob in vier verschiedenen Kompaktmodellen ein und dieselbe Bremse Dienst tut, interessiert doch nun wahrlich keine Socke – so lange sie nur wirklich tut.