Brauerei-Hopping im Wohnmobil

Käse und Tulpen? Klar, wir sind in den Niederlanden. Es gibt da auch Grachten, Windmühlen, Flohmärkte, Strände und lebenslustige Menschen. Aber Bier? Ein genussvoller Selbstversuch.
Bierbrauen hat auch in den Niederlanden tatsächlich eine lange Tradition, die bis zu den Mönchen im Mittelalter zurückreicht – ähnlich wie in Belgien. Allerdings verlor die Bier-Geschichte der Niederlande bis zum Beginn der 1980er Jahre zunächst immer mehr an Bedeutung. Brauereien traditioneller niederländischer Biere konnten nicht mit den neuen, großen Pils-Brauereien wie Amstel, Grolsch und Heinecken konkurrieren. So bestand die Bier-Landschaft irgendwann nur noch aus Pils.
Doch ab Ende der 1980er Jahre erlebt das Land der Oranier, inspiriert durch Belgien, später auch durch englische Bierarten wie Stout und IPA, eine Bier-Revolution. Zwischen 2010 und 2013 hat sich die Zahl der Bierbrauereien in NL verdoppelt. Kreative Mikrobrauereien sprießen aus dem Boden wie die bunten Tulpen und überraschen mit einer Vielzahl an Geschmacksvarianten und tollen Ideen rund um den goldenen Gerstensaft.
Elf Tage dauert unsere Bier-Tour durch die Niederlande. Wir haben jeweils zwei Tage pro Station eingeplant plus einen Tag für Utrecht. Neben den Brauereien gibt es an jedem Ort noch viel mehr Schönes zu erleben. Wer mehr Zeit hat und eine noch größere Vielfalt an Spezial-Bieren kennenlernen möchte, dem bietet sich von Gulpen aus die Möglichkeit, die Tour nach Belgien zu verlängern.
1. Die Gefängnisbrauerei
Im geschichtsträchtigen Veenhuizen, in der Provinz Drenthe, starten wir. Anfang des 19. Jahrhunderts als Armenkolonie weitab der Zivilisation gegründet, wurde der Komplex Jahrzehnte später zur Strafkolonie. Über 100 denkmalgeschützte Gebäude und das Gefängnismuseum zeugen von dieser besonderen Vergangenheit. Mit Landbau, Bäcker, Schlachter, Webstube war Veenhuizen autark. Möbel und Kleidung wurden von den Kolonisten selbst hergestellt. Wo früher Landprodukte verarbeitet wurden, braut man seit 2011 Bier. "Maallust Brouwerij" befindet sich in der vormaligen Getreidemühle.
Die Besucher genießen den Gerstensaft neben kupfernen Braukesseln oder im atmosphärischen Biergarten. Wie wäre es da mit einem frisch-fruchtigen "Kolonisten-Weizen" oder einem bitter-malzigen "Vagabunden-Vienna"? Dazu Bierkäse aus der angrenzenden Käserei "Kaaslust". Der Lettertyp auf den Flaschen im Brau-Shop ist den historischen Häuseraufschriften Veenhuizens angepasst. Aufschriften wie "Bitter en Zoet" (bitter und süß) auf dem Haus des Apothekers und "Maallust" (Mahl-Lust) auf dem Haus des Müllers verraten etwas über die früheren Bewohner.
Sechs Fahrrad- oder Wander-Kilometer von der Brauerei entfernt campt man idyllisch im Weiler Westervelde auf einer Wiese am Bauernhof zwischen Ziegen, Hühnern und Rindern. Jelte Brandsma betreibt Camping "Boschlust" mit Bullerbü-Flair seit 40 Jahren. Man kann sogar sein eigenes Pferd mitbringen und Retro-Caravans mieten.
Maallust Brouwerij Adresse: Hoofdweg 140, 9341 Veenhuizen
2. Die Hafenbrauerei
Meeresluft schnuppern heißt es als nächstes. Wir steuern auf das friesische Seefahrtsstädtchen Harlingen und auf einen Superlativ zu: die einzige außerhalb eines Deiches, auf Meerseite liegende Brauerei der Welt. Im "Brouwdok" können Bierliebhaber Kreationen von Bier-Kapitän Gerard Ipenga und Leon Rodermond probieren. Die beiden lieben es zu experimentieren. Das Ergebnis genießt man auf der herrlichen Hafenterrasse mit Blick auf Segelschiffe und Wattenmeer. Bei Schietwetter ist das Lokal mit seinen großen Fensterfronten eine gute Alternative.
Wer spontan vorbeikommt, sich nicht für eine Verkostung angemeldet hat, aber trotzdem hinter die Kulissen blicken möchte, sollte das nette Personal ansprechen. "Da lässt sich immer was machen", sagt Ipenga, der 2012 erste Brauversuche in seinem Garten unternommen und dort auch seine erste kleine Brauerei aufgebaut hatte. Wer so wie wir mit Hund reist, wird sich im Brouwdok wohlfühlen. Genau wie Ipengas Hund Yfke, der Bierdeckel fangen kann, dürfen verträgliche Vierbeiner hier frei herumschnüffeln.
Als Campingstation eignet sich "De Zeehoeve", nur einen Kilometer Fußweg über den Deich am Meer entlang von der Brauerei entfernt und zwei Kilometer vom Zentrum. Weil es uns hier so gut gefällt, hängen wir noch einen Strandtag dran. Der Strand von Harlingen ist klein, aber mit seiner Stelzenstrandbar und grasenden Deichschafen im Hintergrund doch einzigartig.
BrouwdokAdresse: Nieuwe Willemskade 8, 8862 Harlingen
3. Die Binnensee-Brauerei
Ein spektakulärer Streckenabschnitt über den Abschlussdeich folgt. 75 Kilometer später, im bezaubernden Monnickendam, fahren wir zur "Bierderij Waterland" am Yachthafen. Direkt am Kanal, nur fünf Gehminuten vom historischen Zentrum entfernt, nutzen wir das Camper-Arrangement der Brauerei: "Wer sich anmeldet, darf gerne für einen Tag und die Nacht auf unserem Parkplatz campen", bietet Brauerei-Eigentümer Frank Dutman an. Perfekt für einen feuchtfröhlichen Abend!
Das erste "Sunset Red IPA" trinken wir auf der Terrasse am Wasser in der Abendsonne. Nun müssen wir aber Grundlage schaffen. Zum Essen eignet sich ein Tisch im Brau-Lokal mit offener Küche, Bäckerei und Eisdiele. Gerichte werden aus Bio-Zutaten bereitet, genau wie das Bier. Gär- und Hopfenreste der Bierherstellung landen übrigens in den Futtertrögen der Kuh-Halter von Monnickendam. Deren Käse und Milch wiederum findet Verwendung in der Küche des Lokals. Ein regionaler Kreislauf, über den man viel auf einer Führung erfahren kann. Durch Glasscheiben blicken wir, Bio-Burger mampfend, auf die Braukessel. Bar, Lounge mit gemütlichen Sofas und ein kleiner Bier-Laden – alles befindet sich in einer ehemaligen Druckerei, später Lagerhaus, in das 2018 die Brauerei zog. Da Brau-Chef Sam de Bolle aus Belgien kommt, haben die Waterland-Biere belgischen Charakter. Am nächsten Morgen wandern wir über die im April 2019 eröffnete "Brauer-Brücke" in das Zentrum. Die typisch holländische Zugbrücke wurde nach der Brauerei benannt.
Bierderij Waterland Adresse: Galgeriet 4, 1141 Monnickendam
4. Der Biererzähler in Utrecht./strong>
Bevor wir die nächste Brauerei ansteuern, planen wir einen Programmwechsel und wagen uns mit dem Mobil in die große Stadt. Nein, nicht Amsterdam! Wir fahren in die "Bierstadt" Utrecht, denn dort gibt es zahlreiche Brauereien, Bier-Cafés und den "Bierverteller" (deutsch: "Biererzähler"). Der charmante Laden in der Stadtbummel-würdigen Twijnstraat bietet 600 Spezialbiersorten, sortiert nach Geschmack. Luisa Schroën und ihr Team nehmen sich Zeit, um für jeden Kunden das passende Bier zu finden. Also keine falschen Hemmungen: Fragen Sie, beschreiben Sie, versuchen Sie Ihren Geschmack in Worte zu fassen, schließlich stehen Sie im Wohnzimmer des "Biererzählers" – Treffpunkt für Bierfreunde, für Verkostungen, für kulturelle Events in gemütlich-familiärem Rahmen. Eine Besonderheit sind hier die "Growlers": Biere, die es nur in sehr kleiner Auflage gibt, die nicht in Flaschen abgefüllt werden. Sie gibt es hier gut gekühlt und direkt vom Fass in Transportgefäße mit Henkel gegossen – also ideal für das Picknick im nächsten Park.
Überhaupt kann man sich in der Twijnstraat prima mit weiteren Picknick-Utensilien eindecken: Nebenan gibt es den Käseladen "Kazerij Stalenhoef", auch sind ein Bäcker, Fischhändler und eine Chocolaterie ganz in der Nähe. Ein schlechtes Gewissen wegen vieler Kalorien ist unbegründet: Erklimmen Sie unbedingt das Wahrzeichen Utrechts, den höchsten Kirchturm von Holland. Nach 465 Stufen haben Sie eine fantastische Aussicht auf die Stadt.
De Bierverteller (Spezialbier-Boutique) Adresse: Twijnstraat 47, 3511 ZH Utrecht Telefon: 00 31/3 07 37 13 06, Öffnungszeiten: Di.–Fr. 11–19 Uhr, Sa. 10–18 Uhr, So. 12–18 Uhr
Turm-Besichtigung Öffnungszeiten: nur im Rahmen einer geführten Tour möglich, alle 30 Minuten Dauer: 1 Stunde Ticket: Erwachsene 10 Euro, Kinder (4–12 Jahre) 5 Euro Adresse: Domplein 9, 3512 JC Utrecht./p>
5. Die Fort-Brauerei
Vor den Toren Utrechts, am Fluss Lek, liegt eine Brauerei, die das Herz von Historien- sowie Naturliebhabern höher schlagen lässt. Hier wird auf einem geschichtsträchtigen Areal gebraut: Fort Everdingen wirkt mit Efeu-überwachsenen Mauern und Wassergraben wie ein "Lost Place". "War es auch", berichtet Marco Lauret, der das Gelände 2015 mit Partnerin Danielle Duits kaufte, um die "Fortbrouwerij Duits & Lauret" aufzubauen. Errichtet wurde Fort Everdingen 1842. Als Teil der "Neuen Holländischen Wasserlinie" diente es der Verteidigung Westhollands. Während des Zweiten Weltkriegs war es vom Deutschen Militär besetzt, später nutzte es der Kampfmittelräumdienst, sodass es lange für die Öffentlichkeit verschlossen blieb. Fortwächterin Carla öffnet uns. Tatsächlich kann man auf dem Gelände campen.
Vom Wall sehen wir das Brau-Lokal. Doch das Bierchen muss warten. Zuerst Füße vertreten im Naturareal "Goilberdingerwaarden". Biegen Sie hinter dem Fort-Eingangstor rechts auf den Pfad ab! Im Brau-Lokal gibt es 14 Duits&Lauret-Biere. Bei einer gebuchten Verkostung erfährt man Interessantes, zum Beispiel dass gefiltertes Wasser aus der Gracht für den Brauprozess genutzt wird. Noch mehr Einblicke? Schließen Sie sich dem Fortwächter-Rundgang an, immer sonntags, 10.30 Uhr. Von September bis April allerdings bleiben die Bunker geschlossen. Dann gehört das Fort den Fledermäusen und Eulen. An Sommerabenden hingegen kann man Biber im Fortwasser schwimmen oder Eisvögel über der Gracht flattern sehen.
Fortbrouwerij Duits & Lauret Adresse: Noodweg 2, 4121 KK Everdingen
6. Die Öko-Brauerei
Ab in die südlichste Provinz Limburg nach Gulpen. Durchschreitet man die Glastür des "Haus des freien Brauers", öffnet sich eine Welt für Bierfans: die Bar, an der 16 Gulpener Biere gezapft werden, Geschmacksbibliothek, Biertheater, Braulokal und Experimentier-Labor. Im Biergarten rankt Hopfen. Wir bestellen "High-Beer" (drei kleine Gläser unterschiedlicher Biere mit passenden Snacks). Die Schlecht-Wetter-Variante ist eine "Vintage-Verkostung" im Kellergewölbe. Dort lagern alte Jahrgänge, die mit jüngeren verglichen werden. Selbstverständlich nicht auf leeren Magen. Die gereichten Häppchen sind wie das Bier regional und biologisch. "Unser 25-Meilen-Konzept", erklärt Betriebsleiter Jan Beckers – alle Zutaten stammen aus der Region binnen eines Radius von 25 Meilen. Nachhaltigkeit wird bei Gulpener großgeschrieben. Neben der Familien-Brauerei von 1825 entsteht 2020 ein neues Brauhaus – das nachhaltigste Europas! "Der Energieverbrauch beim Brauprozess liegt 87 Prozent unter dem bisherigen", so Beckers.
Check-in auf "Boerderijcamping Groenendaal" am Ortsrand: Familie Ploemen betreibt neben Landwirtschaft den idyllischen Campingplatz auf ehemaligem Weidegrund ihrer Kühe. Noch immer halten sie 55 Milchkühe, bei deren Fütterung Gäste morgens dabei sein dürfen. Natürlich genießt man hier als Camper frische Landmilch im Kaffee. Bis zur Brauerei radelt man keine drei Kilometer, auch Maastricht ist radelnd zu erreichen (rund 18 Kilometer).
Gulpener Bierbrouwerij Adresse: Rijksweg 16, 6271 AE Gulpen