Cooler Kultcamper mit Stil

Ein Hymer-Car auf einem 80er-Jahre Ford-Transit – Jahrelang moderte dieser Camper-Oldie unter einer Fichte vor sich hin. Bis Helmut Buschbacher den coolen Kultcamper von seinem Schicksal erlöste.
"Ein richtiges Auto hat für mich einfach mal eine Motorhaube", stellt Helmut gleich zu Beginn klar. Das erklärt wohl hinreichend seine Liebe zum Ford Transit der frühen 1980er Jahre, der noch ganz klar eine Haube hatte. Aber so was von! Allerdings war der bekennende Ford-Fan nicht nur auf der Suche nach einem Transit. Nein – es sollte ein Hymer-Car sein, der bereits damals mit seinem Styling ganz weit vorne war. "Alleine schon wegen dieser sündig schönen Seitenfenster."
Die geben dem Wagen einen unverkennbaren US-amerikanischen Touch, in jenen Tagen der letzte Schrei, waren doch 1982 US-Vans stylistisch tonangebend. So auch beim Hymer-Car, der nicht erst heute eine Rarität ist. "Die Autos hatten schon immer ihre Fans, gute Exemplare sind meist in fester Sammlerhand." Entsprechend war Helmut auch bereit, sich auf ein Restaurierungsprojekt einzulassen – wie es eben unter besagter Fichte stand.
"Ziviler" Transit diente als Spenderfahrzeug
"Der Motor war völlig hinüber, und auch den Zylinderkopf hatte schon mal jemand demontiert, so dass man direkt auf die rostigen Kolben schauen konnte", blickt er heute zurück auf das anno 2014 erstandene Fahrzeug. Gut vier Jahre parkte der seinerzeit knapp 35.000 Mark teure Camper zu diesem Zeitpunkt schon unter dem harzenden Nadelbaum bei Bad Herrenalb im nördlichen Schwarzwald.
Exakt sein Wunschmodell hatte Helmut nun in den Fingern, dem er durchaus Stunden und Tage zu widmen gedachte: In Sachen Altmetall ist er kein Frischling, sondern ein erfahrener Schrauber. Zudem sind er und seine Frau Martina Mitglieder im COC, dem "Camping Oldtimer Club" – und dort sollte auch der Hymer einmal vorfahren. Eigens wurde ein zweites Fahrzeug, ein "ziviler" Transit in diesem Falle, als Spenderfahrzeug angeschafft, das nicht nur seinen Motor hergeben musste, sondern auch zahllose andere Teile der Technik oder der Innenausstattung. !Was ich eben brauchte und aus dem anderen Auto holen konnte, das holte ich.!
Der lange Weg nach Niedersachsen hat sich also gelohnt, der Ford schaffte den Weg in den nordbadischen Kraichgau sogar aus eigener Kraft. "Wir sind mit einem Leihwagen nach Hannover gefahren und dann mit dem Spender nach Hause. Die Mühe war es aber wert, ganz sicher."
Dreigang-Automatik zum Glück schon vorhanden
Gleichwohl blieb noch einiges an Arbeit: Die drehbaren Vordersitze – im Originalprospekt ist zu Recht von "Clubsesseln" die Rede – wurden gegen Neuware getauscht, was billiger war als die Sanierung, und auch der Teppichboden wanderte zu einem Spezialisten für Nachfertigungen. Ein Sattler wiederum nahm sich die Sitz- beziehungsweise Liegepolster vor, die wieder in originaler Optik erstrahlen – und äußerst bequem sind. Ganz gleich, ob man nur drauf sitzt oder sich zur Ruhe legt: "Das muss auch so sein, wir schlafen nämlich grundsätzlich unten", verrät Helmut, der sich nicht nur Klettertouren ersparen will, sondern auch Schaltvorgänge: "Mit zwei Jahren hatte ich Kinderlähmung – aber bis heute hab ich Spätfolgen."
Deshalb war auch eine Automatikvariante des Campers Pflicht, wobei sich hier noch das Original-Getriebe im Auto befindet. "Der Camper unter der Fichte hatte zum Glück genau die Dreigang-Automatik, die ich gesucht hab, das war ein Glück. Aber sonst hätte ich das auch noch umgebaut." Weniger Glück hatte er mit dem Vergaser, der erst durch kundige Hände eines weiteren Spezialisten zur Arbeit bewegt werden konnte. "Aber inzwischen brummt der Motor problemlos."
Man muss ihm zustimmen: Der 78 PS starke Vierzylinder springt sofort an – es gab alternativ auch einen 62 PS starken Selbstzünder mit 2,4 Litern Hubraum –, spontan verfällt der Zweiliter-Benziner in ein angenehm sonores Brummeln. Man spürt ab der ersten Sekunde, dass unter der Haube ein rüstiger, aber auch sehr treuer Geselle seiner Arbeit nachgeht. Nicht eben rasant und raketenhaft – aber gelassen und verlässlich, eben so, wie man es als Camper gerne möchte.
Dann den langen Wählhebel auf D, sachte von der Bremse und aufs Gas, und los geht die Reise. Den zweiten Gang legt der Schaltautomat je nach Situation und Steigung so ungefähr bei Tempo 20 ein, ab Innenstadttempo 50 rollt man in der dritten und höchsten Fahrstufe. Dabei sorgtein wenig Gefühl im Gasfuß für geschmeidigere Schaltvorgänge. Alles in allem eine sehr entspannte Art des Reisens, solange man es nicht zu eilig hat. "Man fährt auf der Autobahn eben im Laster-Konvoi, meist so mit Tempo 85 oder 90. Aber das reicht. Mit dem Auto will ich ja nicht als Erster ankommen – sondern die Fahrt genießen."
Üppige Campingausstattung im Hymer Oldie
Am Ziel sorgt dann das Aufstelldach für angenehme Raumhöhe, während der plüschig-braune Stil der Innenausstattung auf den ersten Blick verdeutlicht, dass hier die 1980er Jahre das Sagen haben. In der zweiten Reihe darf man den ganz besonderen Charme einer Cocktail-Lounge genießen – auch wegen der weit heruntergezogenen Fenster. "Links der kühle Drink aus dem Kühlschrank, rechts die praktischen Flaschen- und Gläserhalter unter dem Panorama-Fenster", beschreibt der Originalprospekt die Situation. Welch ein erfrischender Luxus!
Üppig fällt auch die heute wieder komplett funktionsfähige Campingausstattung des nur rund 1,75 Tonnen wiegenden Transit aus: Kühlschrank, Gas-Heizung von Truma, ein Fach für zwei Gasflaschen zu fünf Kilo und ein Gaskocher sind an Bord des häufig für Urlaubsfahrten genutzten Reisemobils, das im Jahr auf 3000 bis 4000 Kilometer kommt, wie Helmut schätzt. "Vor kurzem waren wir in Waging am See auf dem Transittreffen, das waren einfach schon 460 Kilometer. Im August geht’s dann in den Hunsrück und im Herbst wollen wir ein paar Kurztrips machen. Je nachdem, wie das Wetter wird. Dann ist aber mit Sicherheit auch die Heckleiter montiert", versichert er. Diese war einst vorhanden, ging aber im Laufe der Jahre verloren. "Eine originale ist so gut wie nicht aufzutreiben – aber nachfertigen kann man sie. Immerhin." Aufwendig, aber die Optik muss eben stimmig sein.
Helmut ist glücklich: glücklich über die in Etappen gelungene Sanierung des nun auch wieder in der Originalfarbe lackierten, einstigen Fichtenparkers; glücklich aber auch über das befriedigende Gefühl, das ihm der Hymer vermittelt. "Ich mag diese organische Form der alten Ford, diese wogenden Flanken. Und alleine diese Seitentür mit der mechanisch ausfahrbaren Trittstufe – das ist doch einfach zum Niederknien", schmunzelt er. "Außerdem hat das Auto eine richtige Motorhaube. Und damit wäre doch alles gesagt, oder?"
Hymer-Car Historie
Seit 1982 hießen Campingbusse von Hymer Hymer-Car. Gleichzeitig ersetzte der Ford Transit den Bedford-Blitz als Basis. Wegen der markanten Seitenfenster ähnelt der erste Hymer-Car dem "Clubmobil" von Ford, das jedoch keine Campingausstattung hatte. Ein 2-Liter-Benziner mit 75 PS oder ein 62 PS starker Diesel mit 2,4 Litern sorgte für Vortrieb, die Automatik gab es als Option. Standard war hingegen die Lackierung in Silbermetallic bis zum Aufstelldach hinauf. Gebaut wurde das Transit-Modell bis 1983 in ca. 480 Exemplaren – ein Original steht im Erwin Hymer Museum in Bad Waldsee.
Daten und Preise
Basis: Ford Transit (1982)Länge/Breite/Höhe: 4550/1980/2150 mmRadstand: 2690 mmLeergewicht: 1750–1910 kgzul. Gesamtgew.: 2360–2530 kgFahrwerk: Starrachse vorn und hinten, Scheibenbremsen vorn, Trommeln hinten, Wendekreis 11,2 m, 4-Zylinder-Ottomotor, 1954 ccm, 55 kW/75 PS, Höchstgeschwindigkeit: 121 km/h, Verbrauch: 12–14 L/100 km, 3-Gang-Automatik.Preise: Der Neupreis lag 1982 bei rund 34.800 Mark, heute sind die Fahrzeuge selten gehandelte Sammlerstücke im mittleren vierstelligen bis mittleren fünfstelligen Bereich.