Der erste Knaus-Wohnwagen mit Fibre-Frame-Technik

Mit dem selbsttragenden Fibre-Frame aus Kunststoff beginnt die Zukunft bei Knaus. Er soll stabiler und leichter sein als herkömmliche Sandwich-Aufbauten. Entsprechend groß sind die Erwartungen.
Kein Hersteller zuvor hat einen so radikalen Schritt Richtung Caravanzukunft unternommen wie Knaus mit dem Fibre Frame. Laut Hersteller verkleben Roboter 22 geschäumte und mit einer hochglänzenden, UV-beständigen Schicht ummantelte Kunststoffprofile zu einem selbsttragenden Rahmen. Sehen durften wir die fleißigen Maschinen übrigens noch nicht. In diesen Rahmen werden Dach, Wände und Boden eingeklebt: keine Schrauben, keine potenziellen Lecks.
Neben höherer Stabilität, mehr Freiraum bei der Inneneinrichtung – die Möbel müssen nämlich keine tragende Rolle mehr erfüllen – verspricht Knaus sich und der Kundschaft durch die neue Konstruktion verlässlich hohe Qualität, geringere Kosten, Preise und Gewichte und, vor allem, Zukunftsfähigkeit. Denn: Der Fibre Frame ist quasi beliebig formbar. Vom Aero-Caravan bis zum Fullsize-Boliden soll damit alles möglich sein. Dass der Fibre Frame sein Potenzial noch nicht komplett ausreizt, verrät die Waage: Der Azur ist nicht nennenswert leichter als vergleichbare Caravans, aber trotz aufwendiger Möblierung und Bordtechnik eben auch nicht schwerer. Beim Preis dagegen überflügelt er die Konkurrenz. Kostenspareffekte kommen vermutlich erst bei höheren Stückzahlen zum Tragen. Vorhang auf für den Supertest!
Knaus Azur 500 FU Überblick
- Grundpreis ab: 43.990 Euro
- Gesamtlänge/Breite/Höhe: 7,24/2,31/2,72 m
- Zul. Gesamtgewicht: 1.700–2.000 kg
- Schlafplätze: 2 + 2
Wohnen
Erst elektrisches Licht setzt den Azur richtig in Szene: LED-Leuchtbänder unter, an und über den sauber verarbeiteten, stabilen Möbeln zeichnen die Formen nach und lassen das Interieur plastisch werden. Die Sorge, dass die Helligkeit vor lauter Effekt auf der Strecke bleibt, ist unbegründet, wie der Licht-Check zeigt. Ohne künstliche Illuminierung indes ist der Azur düster, was an den stark getönten Scheiben liegt. Schlecht beraten ist deshalb, wer das Panoramadachfenster über der Sitzgruppe nicht bestellt. Dass es Aufpreis kostet, ist ein erster Hinweis auf die Preispolitik von Knaus. Weitere folgen im entsprechenden Kapitel.
Die Sitzgruppe mit ihrem verlängerten Schenkel links hat Sitzpolster aus Memoryschaum, der Popos aller Formen wunderbar bettet. Dagegen fallen die aus optischen Gründen quaderartigen und darum steilen Rückenlehnen klar ab. Von unbequemem Sitzen rund um den großen, quadratischen Tisch kann freilich dennoch keine Rede sein, ein Quäntchen besser ginge aber schon. Die Sitzgruppe hält noch weitere Besonderheiten parat. Die stoffbespannten Sitztruhen ohne Deckel sind eine. Die andere versteckt sich hinter einer Stoffbespannung und heißt Smart Wall.
Zwei Regalschränke und eine Klappe als Küchenverbreiterung geben verborgenen Stauraum frei, der jedoch nur für Krimskrams genutzt werden kann. Taschenbücher passen jedenfalls nicht hinter die Türen. Eine Art Geheimregal verbirgt sich auch hinter den Rückenlehnen der linken Sitzbank. Manch Camper mag offene Ablagen vermissen – die beiden Türchen neben dem Eingang kompensieren deren Fehlen nur bedingt und lassen sich im Sitzen nur ungelenk öffnen. Dafür herrscht immer Ordnung.
Der Küchenkorpus hat drei Schubladen mit stabilen Auszügen und sicheren Verschlüssen. Die beiden Dachstauschränke verbergen sich hinter einer gemeinsamen Klappe, was unproblematisch ist. In die Arbeitsplatte eingelassen ist eine rechteckige, tiefe Spüle mit edlem, hoch aufragendem Hahn und ein bestens nutzbarer Reihen-Dreiflammkocher. An seiner Einbauposition zeigt sich ein Designkniff des Azur: Alle Möbel sind um acht Grad gedreht. Und diese Flucht nimmt auch der Herd samt Arbeitsplatte auf. Wäre er weiter Richtung Fenster installiert, sähe das zwar weniger gut aus, ließe aber mehr Platz für die Küchenarbeit.
Die Klappe in der Smart Wall taugt allenfalls als Abstellfläche für eine Kaffeemaschine, die aber woanders verstaut werden muss. In einem Korpus rechts neben dem Küchenblock, der nicht bis zur 2,09 Meter hohen Decke reicht (Fibre Frame und üppige Außenhöhe machen’s möglich), steckt der Absorberkühlschrank mit automatischer Energiewahl und beidseitig öffnender Tür. Darüber und darunter warten zwei weitere Staufächer.
Multifunktional ist das Möbelelement gegenüber. Es beherbergt den für zwei Personen ausreichend großen und beleuchteten Kleiderschrank, dessen Kleiderstange aber weit hinten montiert ist. Hinter der Klappe eine Etage tiefer steht auf einem Podest die Truma-Combi 6-Heizung, dafür öffnen sich Richtung Eingang zwei weitere praktische Regalschränke. Darüber können an einem Schwenkarm TV-Geräte bis 27 Zoll Bildschirmdiagonale angebaut werden. Steckdose und Antennenkabel sind schon da.
Der 500 FU ist der einzige Azur mit Längsdoppelbett, offenem Waschbereich und separatem Toiletten- bzw. Duschraum. Die leichte Evopore-Kaltschaummatratze ist gute 2,06 mal 1,40 Meter groß, jedoch nur gegen Aufpreis mit einer zusätzlichen Water-Gel-Auflage ausgestattet, die im Testwagen für ein sehr gutes Liegegefühl sorgt, obwohl der Serienrost keine Härtegrad- und Kopfteilverstellung hat. Mit einer Ablage über dem gepolsterten Betthaupt, kleinen geschlossenen Fächern sowie Dachstauschränken rundum kann sich das Stauraumangebot im per Faltvorhang abtrennbaren Schlafzimmer sehen lassen.
Stauraum ist auch im funktionalen Waschbereich mehr als ausreichend vorhanden. Das aufgesetzte, aber kleine Trog-Waschbecken ist solide und gut zugänglich, einzig der Kaskaden-Wasserhahn dürfte ein klein wenig höher aufragen. Am geschlossenen Toilettenraum mit Duschwanne ist funktional nichts zu beanstanden. Der Platz rund um die Toilette und in den beiden Klappenfächern ist üppig.
Beladen und Fahren
Der Zugang zu den Sitztruhen ist dank in die Polster integrierter Deckel super einfach. Wer auch von außen unter die Sitzgruppe gelangen will, muss Serviceklappen extra ordern. Der Stauraum dort ist gut nutzbar, aber nicht riesig. Deutlich geräumiger ist der Frachtraum unter dem Bett. Hier ist zwar die Außenklappe Serie, doch Kabelkanäle und der am Boden montierte, jedoch umrahmte Wasserablass-Ventilblock mahnen beim Ein- und Ausladen von Campingmöbeln zur Vorsicht. Den Zugang von innen erschwert der nur hälftig aufklappende Lattenrost. Er muss zudem von Hand aufgehalten werden, da der einzelne Gasdruckdämpfer das Gewicht der Matratze selbst ohne Bettzeug nicht trägt.
Die Grundfläche der Oberschränke taugt mehrheitlich für zusammengelegte Kleidungsstücke, in diversen Fächern sind Zwischenböden eingelegt. Prima ist, dass sämtliche Fächer und Türen sicher verriegelt sind. Der schwere Tisch wird abgesenkt von nur einem Plastikriemen mit Druckknopf gesichert.
Auffällig gleichmäßig sind die Radlasten des Azur 500 FU. Mit der maximalen Auflastung auf 2.000 Kilogramm darf munter eingeladen werden. Allein die Stützlast muss im Auge behalten werden, die Waage im Stützrad liefert näherungsweise Infos dazu. Die selbstnachstellenden Bremsen der Knott-Achse packen erst sanft, dann beherzt zu, das Fahrverhalten gibt keinerlei Anlass zur Kritik – anders der Schlingerdämpfer Knott KS 25, der stark knarrt. Die 17-Zoll-Reifen des Testwagens sind bereits über ein Jahr alt und haben keine hohe Überlastreserve.
Technik
Der Fibre Frame bestimmt das Technikkapitel. Fugen zwischen den 22 glänzenden Rahmenteilen sind nicht wahrnehmbar. Auf Schürzen verzichtet Knaus, denn die unteren Frame-Teile sind als solche ausgebildet. Sehr feine Kratzer lassen sich tatsächlich per Heißluft aus dem Frame entfernen, tiefe Schrammen müssen geschliffen und poliert werden. Bei Unfallschäden sollen sich einzelne Rahmenteile und die Wände auswechseln lassen.
Dass sich durch das Glattblech der Seitenwände links und rechts je eine Holzlatte abzeichnet, ist ein Schönheitsfehler. Stärker wiegt, dass der Unterboden aus Holz besteht und die Wände mit EPS gedämmt sind. Bei einer neuartigen Aufbaukonstruktion würde man sich hier GfK und XPS wünschen. Nur zur Dämmung von Dach und Boden kommt der geschlossenporige Schaum zum Einsatz. Auch Abdeckgummis und Silikonfugen zwischen Rahmen und Wänden würde man sich dezenter wünschen.
Für Wärme sorgt eine Truma-Combi-Heizung mit 6 kW. Die Ausströmer sind gut positioniert, jedoch erfolgt der Seitenwechsel der Warmluft unter dem Wagenboden, was Abzug bei der Wintertauglichkeit gibt, was die optionale Vorzelt-Heizungsdüse mit Strangsperre punktemäßig wieder ausgleicht.
Die Innenbeleuchtung des Azur ist sehr opulent. Eine Show ist die Einschaltinszenierung der Deckenbeleuchtung über den Betten und der Sitzgruppe: Die Lichtstrahlen "wachsen" als Lauflicht aus der Wagenmitte nach vorn und hinten. Auch die Umrissbeleuchtung auf der Zeltseite ist bei Nacht spektakulär, aber teuer. Größter Nachteil der Lichtpracht: Bis zu 350 Watt müssen für sie aufgebracht werden, was das Ladegerät im Kleiderschrank mit dauerhaftem und deshalb nervendem Lüfterlauf quittiert.
Obwohl es Akkus laden kann, ist keine Batterievorbereitung an Bord. Über das kleine Zentraldisplay mit winziger Schrift können die Hauptlichtgruppen und die Tauchpumpe aktiviert, der Wasserstand abgelesen und die Heizung gesteuert werden. Durch die BUS-Lichttechnik lassen sich an allen Aufenthaltsorten im Azur alle Lichter schalten. Dass USB-Anschlüsse Aufpreis kosten, ist unverständlich.
Lichtcheck
angelehnt an DIN EN 12464-1
1. Zu "grün" und vollen Punkten fehlt nicht viel in der Sitzgruppe. Und das ohne Deckenlampe.
2. Eine sehr helle Mitte und dunklere Ecken, was im Alltag keine Probleme macht, führt zu Gelb.
3. Das Licht am Waschtisch ist vor allem im breiten Spiegelschrank hell. Auch im T-Raum ist Licht genug.
4. Das Schlafzimmer ist zwar der schummrigste Bereich, in der Praxis genügt das Licht aber auch hier.