Günstiger Integrierter als Einsteigermodell

Die günstige Live-Baureihe gibt es jetzt auch als I-Modell. Knaus will mit dem Live I preissensible Käufer vom Kauf eines Integrierten überzeugen. Klappt das? Erster Check des Einzelbetten-Modells.
Der Knaus-Pressetext spricht von einem "perfekten Modell, um vom Teilintegrierten zum Vollintegrierten zu wechseln". Und tatsächlich hält Knaus die Hürde zum neuen I-Modell niedrig.
Während der Teilintegrierte Live TI als 650 MEG mit identischem Grundriss 56.110 Euro kostet, kann man in den Live I 650 MEG ab 59.990 Euro einsteigen. Rechnet man jeweils das unvermeidliche Fiat- und Live-Paket hinzu, wird der Preisunterschied sogar noch geringer und beläuft sich auf 3575 Euro. Keine große Sache, wenn man bedenkt, dass der Live I ein serienmäßiges Hubbett im Bug hat, das es für den TI nicht einmal als Extra gibt. Nicht zu beziffern ist wohl ein Plus an Prestige für den Integrierten. Sein markanter Bug orientiert sich an modernem Automobildesign und hebt den sonst unspektakulären Live-Aufbau aus der Masse.
Unterschiede zum Teilintegrierten
Beim Fahren halten sich Vor- und Nachteile der integrierten Bauweise die Waage. Einerseits vermittelt der Blick durch die große Frontscheibe sofort ein XXL-Urlaubsgefühl, andererseits müssen sich Ungeübte wegen des ausladenden Bugs ein wenig einleben. Beim Linksabbiegen steht die massive A-Säule mitunter im Blickfeld. Davon abgesehen gehört der Live I aber zu den übersichtlichen Integrierten.
Nicht so ergonomisch wie im Original-Ducato-Fahrerhaus liegen Öffner und Zuziehgriff der Fahrertür zur Hand. Und auch beim Öffnen der Motorklappe wundern sich Uneingeweihte: Die Haube muss komplett abgenommen werden, was für das schnelle Auffüllen des Waschwassers an der Tankstelle hinderlich ist.
Den Teilintegrierten hat der Live I wiederum serienmäßige LED-Scheinwerfer voraus. Deren Fernlicht macht fast die Nacht zum Tage; an das Abblendlicht muss man sich wegen der scharfen Hell-dunkel-Abgrenzung aber gewöhnen. Aufpreispflichtig, aber ebenfalls interessant: das Head-up-Display im Testwagen. So liegen Geschwindigkeitsanzeige und Navi-Wegweisung gut im Blick – sind aber im getesteten Prototyp wegen deutlicher Vibrationen kaum abzulesen. Zu den vielen Extras des Testwagens zählen auch äußerst komfortable luftgefederte Sitze, welche die etwas stößige Federung kompensieren. Die Höhenverstellung sollte allerdings auch im Stand ohne Zündung funktionieren.
Während der Fahrt halten sich die Motorgeräusche im Hintergrund, während der im Testwagen eingebaute 150-PS-Motor für angemessene Fahrleistungen sorgt und zeigt, dass die serienmäßigen 120 PS wohl zu knapp kalkuliert sind.
Typischer Grundriss mit Hubbett
Abermals geht es um Sonderausstattungen, wenn man den Wohnraum des Testwagens betritt. Die optionale Premium-Aufbautür öffnet nur im 90-Grad-Winkel. Damit liegt der solide Innengriff beim Einsteigen gut zur Hand. Lässt man die Tür offen, steht sie aber auf engen Stellplätzen im Weg. Weil die tatsächliche Durchgangsbreite kaum mehr als 50 Zentimeter beträgt und die Premium-Tür nicht in die Zentralverriegelung eingebunden ist, muss man sich fragen, ob sich der Mehrpreis lohnt.
Auch ohne weitere Zuzahlung macht die Einrichtung einen gediegenen Eindruck. Weder ein TV-Gerät noch Kopfstützen stören das Bild. Beides kommt nur bei Bedarf zum Vorschein. Die Klappen und Auszüge schließen sich sanft und selbsttätig. Nichts erinnert an ein typisches Einsteigermodell. Vielmehr ist der Knaus Live I ein typischer Integrierter, dessen Wohnraum durch das große Fahrerhaus mit den steilen Scheiben optisch gewinnt.
Für die Bewegungsfreiheit gilt das nicht uneingeschränkt. Die Sitzgruppe steht auf einem Podest, während sich das Hubbett an der Decke bis über den Tisch erstreckt. Das begrenzt die Stehhöhe in der vorderen Hälfte des Wohnzimmers auf rund 1,60 Meter. Das mächtige Bett macht sich dafür beim Schlafen bezahlt: Mit 1,50 Meter Breite ist die vordere Liegefläche alles andere als ein Notbehelf. Wenn man zuvor Lenkrad und Sitze akkurat in die unterste Position gebracht hat, liegt das Hubbett stabil auf, lässt sich leicht über den seitlichen Sitz erklettern und verwöhnt mit viel Kopffreiheit und Liegekomfort.
Die Einzelbetten im Heck stehen da nicht nach. Auch hier liegt man traumhaft bequem. Dazu gefällt der Kompromiss zwischen möglichst großer gemeinsamer Liegefläche und gutem Zugang über breite Stufen. Ablagemöglichkeiten an allen drei Seiten lassen hier keine Wünsche offen.
Kompaktes I-Modell mit ausreichend Platz
Dass dem 650 MEG sieben Meter Außenlänge ausreichen, liegt nicht zuletzt an der Zurückhaltung des Sanitärbereichs. Eine separate Dusche ist hier nicht drin. Aber warum sollte man nicht ein Kombibad wählen, wenn es so gut funktioniert wie im Live I? Einen Riegel umlegen, den Spiegel samt Waschtisch zur Seite klappen und die leichtgängige Lamellentür hinter sich schließen – fertig ist die Dusche, deren Fläche größer ausfällt als in mancher separaten Kabine. Bliebe noch zu erwähnen, dass auch das stabile Waschbecken sowie das WC gut zu benutzen ist und Spiegelflächen, Fächer, Ablagen und Beleuchtung passen.
Nicht riesig, aber effizient plante man bei Knaus auch die Küche des 650 MEG. Hier fällt die ausklappbare Arbeitsfläche angenehm auf, die Kochvorbereitungen solide unterstützt, ohne den Ausgang komplett zu blockieren. Nur für das Fach unterhalb der beiden Auszüge fehlte offenbar eine Idee. Hier muss man sich tief bücken, um an den Inhalt zu gelangen, der zudem mit ungeschützt verlegten Gas- und Wasserleitungen in Konflikt kommen kann. Dabei besteht kein Grund, verschwenderisch mit Staumöglichkeiten umzugehen.
Abgesehen vom Schränkchen neben dem Beifahrerplatz sind in der vorderen Wagenhälfte keine Fächer oder Ablagen für Kleinkram vorgesehen. Man muss sich also mit den Hängeschränken und der kleinen Sitztruhe im Einstieg begnügen. Kleidung findet in den Schränken unter den Betten Platz. Von oben und von der Seite erreicht man problemlos die breiten Kleiderstangen. 77 Zentimeter Hängehöhe reichen aber nicht für jedes Outfit.
1,17 Meter hoch ist die Garage, die außerdem mit zwei großen Seitenklappen und Ablagefächern aufwarten kann. Hier kann so einiges mitreisen. Wer dabei an motorisierte Gefährte oder den Grill denkt, freut sich über die Abdichtung in Richtung Schlafzimmer.
Einige Extras sind Pflicht
An dieser Stelle muss man aber auch ein paar Worte über die Zuladung verlieren. Der mit Diesel, Wasser und Gas befüllte Testwagen bringt 3,2 Tonnen auf die Waage. Ein beträchtlicher Teil davon geht auf das Konto von Sonderausstattungen. Wie bei einem sieben Meter langen Integrierten nicht anders zu erwarten, muss man sich also entscheiden: Soll man auf gewichtige Extras verzichten? Nimmt man besser gleich das Vier-Tonnen-Chassis? Oder verzichtet man trotz der tollen Betten auf die Benutzung mit vier Personen?
Ins Gewicht fällt beim Testwagen auf jeden Fall die optionale Warmwasserheizung, die man in dieser Preisklasse nicht unbedingt erwartet. Die serienmäßige 6000-Watt-Gebläseheizung sollte völlig ausreichen. Auch sonst stimmt die technische Ausstattung. Das Kontrollbord ist selbsterklärend; die Knaus-Service-Box, die alle Anschlüsse und Ablässe zusammenfasst, hat sich bewährt. Ein abgedichtetes Fach für die WC-Kassette zeugt von Sorgfalt.
Bei der nächtlichen Lektüre an der Sitzgruppe wären allerdings verstellbare Spots hilfreich. Andere Funktionen der Bordtechnik lassen sich wie beim Testwagen durch Optionen nachhaltig verbessern. Indem man etwa eine zusätzliche USB-Steckdose mitbestellt und einen Auszug für die hintereinander angeordneten Gasflaschen. Die lange Knaus-Preisliste erfüllt – und weckt – viele Extrawünsche. Wenn man hier beherzt seine Kreuzchen setzt, kann der Preis wie im Fall des üppig ausstaffierten Testwagens auf einen Betrag von über 80.000 Euro ansteigen.
Diese Überlegungen wären beim vergleichbaren Teilintegrierten jedoch kaum anders. Der verführerisch geringe Kostenabstand bleibt. Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass TI-Interessenten am Ende beim neuen Live I landen.
Basisinformationen Knaus Live I 650 MEG
Gurte/Schlafplätze: 4–5/4–5 Zul Gesamtgewicht: 3500 kg Länge/Breite/Höhe: 6,99/2,32/2,79 m Grundpreis ab: 59.990 Euro
Wertung
(maximal 5 Punkte möglich)
Sitzgruppe: 4,0 Punkte Möbelbau: 3,5 Punkte Schlafen: 4,5 Punkte Sanitär: 4,0 Punkte Küche: 3,5 Punkte