Luxuswohnwagen mit viel Aussicht

Es ist eines der Besonderheiten im Modelljahr 2019, und das Caravan-Highlight auf der CMT: Eriba pumpt den Touring zum Luxusliner auf. 74.990 Euro kostet der handgefertigte 820er. In Stuttgart feiert er seine Premiere.
Was. Für. Ein. Gerät. 2,60 Meter hoch, 8,48 Meter breit, 2,36 Meter breit und eine Masse in fahrbereitem Zustand von 2.050 Kilogramm: Das ist Heavy Metal auf Rädern – und durchaus wörtlich zu nehmen. Denn Eriba vergreift sich nicht einfach am Namen seiner ikonischen Keimzelle. Wo Touring draufsteht, ist tatsächlich auch Touring drin.
Wie bei Troll & Co. spannen komplexe Maschinen auch beim Touring 820 Aluminiumbahnen über einen in diesem Fall monströsen, selbsttragenden Käfig aus verschweißten Vierkantrohren. Nur Zentralrohrdeichsel, Monoachse und Hubdach sind auf dem Weg zum XXL-Format verloren gegangen. Aber wen wundert (und stört) das schon angesichts von 2,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse und 2,05 Meter Stehhöhe?
Kunststoff hat ausgedient
Traditionell dämmt Eriba die Zwischenräume des Stahlfachwerks mit PU-Platten, doch Dach- und Bodenkonstruktion entsprechen prinzipiell jener des Nova: Der GfK-PU-Boden nimmt nicht nur Wannen für Frisch- und Abwassertank auf, sondern auch die Heizschlangen der serienmäßigen Warmwasserheizung mit integriertem 8,4 Liter Boiler und Fußbodenheizung. Das Dach in bewährter Pual-Bauweise wird seitlich umgebogen (für Insider: hier mit 100er- statt 50er-Radius), damit es auf Stoß und dicht auf die Wände aufgesetzt werden kann. Die Verbindung zum typischen gepfeilten Bug und zum Heck stellen von innen gedämmte GfK-Formteile her.
Ansonsten hat Kunststoff (fast) ausgedient: Den Blick auf das Chassis verdecken handgefertigte, anthrazit pulverbeschichtete Alu-Schürzen, in den polierten Rangiergriffen und im Stoßfänger aus Edelstahl spiegelt sich das blaue Licht der in den Zierleisten verborgenen LED-Leuchtstreifen. Selbstredend lassen sich auch LED-Positions- und Rücklichter in die Lightshow integrieren. Deichselabdeckung? Massives, schwarz beschichtetes Warzenblech. Selbst die Toilettenklappe, auf der Computerretusche noch ein schnödes Standardteil mit Plastikrahmen, sitzt in Wahrheit bündig zwischen Aluprofilen.
Und wenn man sich ein wenig bückt, erhascht man einen Blick auf die glänzenden Zylinder der hydraulischen, selbstnivellierenden Hubstützenanlage. "Wir haben hier einen Wagen, der echt ist", fasst Rudi Fimpel, Produktmanager für Eriba, das Offensichtliche fast ein wenig lapidar zusammen. Dass die Läufe über den Alurädern aus Tiefzieh-Kunststoff bestehen? Geschenkt. Besonders stolz ist das Eriba-Team auf die an Bug und Heck umlaufenden, tief getönten Fenster, die sich mit Ausnahme der Eckfenster öffnen lassen. Offensichtliche Parallelen zu einem US-Caravan-Klassiker, der seit der Hymer-Übernahme durch die amerikanische Thor-Gruppe quasi zur Familie gehört, sind laut Eriba reiner Zufall.
Ein Highlight: Die Küche
Geabut wird der Eriba Touring 820 von verdienten und speziell geschulten Mitarbeitern in einer eigenen Halle gefertig. Besonders stolz ist Hausdesigner Frank Venter auf die Küche. Die Erklärung, warum, sparen wir uns an dieser Stelle und verweisen auf die selbsterklärenden Bilder. Fakt ist: Die vielen Radien und Rundungen stellen die Handwerker beim Aufbringen der Umleimer vor echte Herausforderungen.
360-Grad-Ansicht
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Zur technischen Ausstattung der Kombüse gehören neben dem stilvollen Zweiflamm-Gaskocher ein Lift für eine Kaffeemaschine nebst Magazin für Kaffeepatronen und ein gegenüber postierter 152 Liter fassende Kompressorkühlschrank inklusive 17,5 Liter Gefrierfach. Dessen Hunger auf elektrischen Strom deckt das serienmäßige Hymer-Smart-Battery-System, das eine 95 Ah AGM- mit einer Lithium-Ionen-Batterie kombiniert und das für komplette Autarkie mit Solarzellen und einem zweiten Li-Ion-Akku erweitert werden kann.
An Steckdosen wird nicht gespart
Auch das dimmbare Beleuchtungskonzept mit seinen vier Lichtebenen, also LED-Lichtschläuche über den Oberschränken, auf Höhe der Küchenarbeitsplatte und knapp über dem Boden plus die klassische Funktionsbeleuchtung, nährt sich aus dem elektronisch geregelten Stromspeicher, der bei Tests in Wohnmobilen bereits überzeugt hat. Wo immer möglich und sinnvoll, hat Eriba USB- und 230-Volt-Steckdosen untergebracht. Auch wenn wir nicht gezählt haben: Es sind viele. Richtig viele. Dass sich die gesamte Bordtechnik, zu der übrigens auch eine Dachklimaanlage gehört, über das zentrale Farbdisplay über der Tür und ein mobiles Endgerät steuern lässt, versteht sich in dieser Preisklasse von selbst.
Nur für die Hydraulikstützen aus dem Hause E&P, jüngstes Beutekind von Alko, ist eine eigene App nötig. Noch ein Wort zur Stützenanlage. Dadurch, dass ein zentraler Stempel die Achsen entlastet, kann sie den 820 tatsächlich nivellieren und sogar anheben – zum Beispiel für einen Reifenwechsel. Apropos: Da der Gaskasten zur Wahrung der Form nicht in gleichem Maße gewachsen ist wie der Rest, reist das serienmäßige Reserverad unterflur.
Keine Einblicke, aber einen tollen Ausblick
Doch zurück nach drinnen. Aus gestalterischen Gründen bleibt der Raum zwischen dem organisch geformten Küchenoberschrank und dem Quergeschränk über der lederbezogenen Bugdinette leer. Was den Blick erst auf die aufgedoppelten und mit Stoff kaschierten Verblendungen rund um die Bug- und später auf die an den Heckfenstern lenkt. In jenen der starren Eckfenster verbergen sich Stoffplissees, die gemeinsam mit klassischen Raffrollos an allen planen Fenstern auch den letzten Rest von Licht von den Insassen fernhalten. Intime Einblicke zu erhaschen ist aufgrund der hohen Fensterlinie und der tiefdunklen getönten Acrylfenster aber auch so ein schwieriges Unterfangen.
Umso ungehinderter ist der Ausblick aus den "Visier"-Fenstern, egal ob aus der Sitzgruppe oder aus dem Bett. Letzteres wagt mit einem weit ausgeschnittenen V am Fußende einen Spagat zwischen Doppel und Einzelbett, was auch gut klappt. Wer trotzdem eine durchgängige Liegefläche von 2,20 mal 2,02 Meter haben möchte, kann die Lücke auch schließen. Auch für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass jemand die Sitzgruppe zum Zusatzbett umfunktionieren möchte, hat Eriba vorgesorgt. Und zwar mit einem simplen und deswegen genialen Trick: Das Bein des Einhängetischs hat einen langen und einen kurzen Schenkel. Durch einfaches Umklappen schmiegt sich der lange unter die Platte und der kurze stützt sie am Boden ab. Zusatzpolster drauf, beziehen, fertig.
Das schnörkellose, robuste und durchdachte Vollwert-Bad mit Dusche hat Eriba aus dem Fundus der Reisemobilabteilung von Hymer stibitzt – offensichtlich kein Fehler. Aber auch die Möbelkonstruktion ist fürs Kilometerfressen gemacht: Wie im Eriba Nova (und in Hymermobilen) krallen sich die Scharniere der Oberschrankklappen in Aluprofile. Selbstredend werden die Klappen analog von mechanischen Hakenschlössern beaufsichtigt, die Schranktüren von Pushlocks.
Preis des Eriba Touring 820
Der Touring 820 hat natürlich seinen Preis: 74.990 Euro verlangt Eriba für sein neues Flaggschiff. Mit 80.000 muss rechnen, wer elektronisches Stabilisierungssystem, Mover und Markise an Bord haben möchte. Das meiste andere ist ja schon da.