Entdeckungsreise ins Böhmische Paradies

Mal was Neues entdecken und trotzdem nicht so weit wegfahren? Wie wäre es mit Nordböhmen? Unsere Tour führt mit dem Oldie-Wohnmobil nach Tschechien in Richtung Riesengebirge und ins Böhmische Paradies.
„Ganz wichtig: Nicht Russisch sprechen! Und niemals nackt zum Baden gehen.“ Das gibt uns ein Freund als Reisetipp für unseren Urlaub in Tschechien mit auf den Weg. Er fügt dann noch hinzu: „Die Tschechen sind nämlich sehr prüde!“ Doch es ist Sommer und verdammt heiß.
So können wir dem schönen Natursee einfach nicht widerstehen. Wir fühlen uns unbeobachtet, als wir uns bei Sonnenuntergang unserer Kleider entledigen, um ins kühle Nass zu springen. Den ebenfalls unbekleideten älteren Herrn hatten wir aber wohl übersehen. Freundlich begrüßt er uns zuerst auf Tschechisch und wechselt, als er unser Unverständnis registriert, schnell ins Russische: „Straswujtie!“
Unbefangen streckt er uns seine Hand entgegen, die wir zögerlich ergreifen. In seiner kugelrunden Nacktheit scheint er sich keineswegs unwohl zu fühlen. Ungezwungen bietet er uns Schnaps aus einem Flachmann an. „Wo hat er denn den jetzt herbeigezaubert?“, denke ich verwundert. „Spassiba, njet!“, murmeln wir nun unsererseits verklemmt, als wir den Hochprozentigen ablehnen. Schnell schieben wir noch ein umgangssprachliches tschechisches „Díky!“ für danke hinterher. Smalltalk mit Fremden im Adamskostüm bei Einbruch der Dunkelheit finden wir dann doch etwas seltsam. Eilig verabschieden wir uns.
Unterwegs mit Frau Scherer
Aber von Anfang an: Den See bei Konstantinovy Lázne besuchen wir erst am Ende unserer Reise. Und das Davor ist schließlich auch berichtenswert. Diesmal sollte unser Urlaub mit unserem Mercedes Rundhauber namens Frau Scherer nach Tschechien führen, denn leider stehen uns nur zwei kurze Wochen zur Verfügung. Da erscheint uns unser Nachbarland eine gute Wahl zu sein. Wir möchten vor allem wandern, daher entscheiden wir uns für eine Rundreise durch Nordböhmen. Von der tschechischen Seite des Elbsandsteingebirges wollen wir bis ins Riesengebirge fahren und weiter bis zu den spektakulären Felsenstädten bei Adersbach und Weckelsdorf.
Vom Grenzübergang Schmilka aus planen wir, zu unserer ersten Tour aufzubrechen. Bei Hřensko befindet sich die größte natürliche Sandsteinbrücke Europas. Das klingt spektakulär. Wahrscheinlich ist es das auch, aber der touristische Rummel vor Ort, mit Bimmelbahn und Gartenzwergnippes, schreckt uns dermaßen ab, dass wir das Gaspedal unseres 55 Jahre alten Oldtimers bis zum Bodenblech durchdrücken. Das Prebischtor wird ohne uns klarkommen müssen. Zum Glück finden wir einen adäquaten Ersatz: Das Kleine Felsentor bei Jetřichovice tut es auch.
Am nächsten Tag wandern wir rund um die Felsenburg Khaa bei Krásná Lípa. Einen interessanten Stellplatz mit Übernachtungsmöglichkeit finden wir im Hinterhof eines alten Fabrikgeländes am Ortsende (Stellplatz-Tipps siehe am Ende des Artikels). Ivan Mečl, der Herausgeber des Kunstmagazins Umelec, ist gerade dabei, die restaurierungsbedürftigen Gebäude als Café, Begegnungsstätte und Druckerei herzurichten. Noch hat der Ort einen eher herben Charme, aber man kann bereits spüren, wie viel Liebe in das Projekt fließt.
Ein Besuch des Berges Jeschken ist bei einer Nordböhmen-Tour natürlich ein Muss. Vor allem das futuristische Barbarella-Restaurant im nadelspitzen Berghotel, 1966 vom Architekten Karel Hubáček entworfen, beeindruckt uns. Vom Fuße bis zur Antennenspitze misst der Turm beachtliche 94 Meter. Kein Wunder, dass das markante Gebäude schnell zum Wahrzeichen der Stadt Liberec und der gesamten Region wurde.
Wandertour durch die Felsenstadt
In Adersbach finden wir einen schönen Campingplatz, auf dem es nur so wimmelt von durchtrainierten Kletterern. Die sogenannte Felsenstadt zieht nämlich nicht nur Busladungen von Tagestouristen an, sondern ist mit ihren über 2000 Routen eines der bekanntesten und beliebtesten Klettergebiete des Landes. Der Sandstein gilt aber als besonders schwierig. Auch die Sicherungshaken sind selten gesetzt und zum Teil wenig verlässlich. Die bekanntesten Felsformationen in Adršpach heißen das Liebespaar, Bürgermeister und Bürgermeisterin sowie die Felsenkrone (im nahe gelegenen Weckelsdorf).
Faszinierend ist in diesem Zusammenhang auch das sogenannte Poseidon-Labyrinth. Das größte unterirdische Höhlensystem Europas, bestehend aus Felsspalten, Schluchten und Schotterhöhlen, wurde erst im 21. Jahrhundert entdeckt. Kurz vor der polnischen Grenze bei Horní Mísečky führt uns eine schöne Wanderung zur Quelle der Elbe, die hier Labe heißt. Wir genießen die angenehmen kühlen Temperaturen auf 1500 Metern und freuen uns, dass wir einen Blick auf die Schneekoppe erhaschen können.
Auch das sogenannte Böhmische Paradies darf bei dieser Reise auf keinen Fall fehlen. Das weithin sichtbare Symbol des ältesten Naturschutzgebiets Tschechiens ist die Burg Trosky. Die eindrucksvolle Silhouette mit den zwei Türmen gibt im Gegenlicht der untergehenden Sonne ein kitschig-schönes Fotomotiv.
Langsam jedoch haben wir genug von der Wanderei, denn das Thermometer zeigt wieder weit über 30 Grad an. So erinnern wir uns an den wunderschönen Badesee in einem Steinbruch bei Konstantinovy Lázne in Westböhmen, den wir vor ein paar Jahren besucht hatten. Ein faszinierender Ort mit steilen Felsterrassen rundherum und einem fast unwirklich grünen Wasser. Ja, und da wären wir eben wieder am Anfang des Textes. Von wegen prüde, die Tschechen ... Russisch sprechen sollte man aber besser trotzdem nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Böhmen: Reise- und Camping-Tipps
Reisezeit: Wir waren Anfang August mitten zur Ferienzeit unterwegs. Manche Attraktionen wie die Adersbach-Weckelsdorfer Felsenstadt waren leider extrem überlaufen. Wahrscheinlich sind alle genannten Ausflugsziele außerhalb der Hochsaison deutlich entspannter zu besichtigen.
Campingplätze: In Tschechien gibt es ein nahezu flächendeckendes Netz von Campingplätzen. Gemessen an anderen mitteleuropäischen Ländern sind die Anlagen meist kleiner, einfacher ausgestattet, aber auch günstiger. Sie liegen oft an einem See oder Fluss. Wildcampen ist generell verboten und nicht empfehlenswert.
Essen und Trinken: Restaurantbesuche sind in Tschechien nach wie vor deutlich günstiger als in Deutschland. In Tschechien liegt die Promillegrenze für Autofahrer bei null. Daher gibt es in den Restaurants eine gute Auswahl an alkoholfreien Bieren. Mein Favorit: Birell.
Währung: 25 Tschechische Kronen (CZK) entsprechen etwa 1 Euro.
Tourenziele: Stellplätze und Sehenswürdigkeiten
Kleines Felsentor/Malá Pravčická Brána, kostenpflichtiger Parkplatz vor dem Restaurace U Loupežáku (50°51’43.3”N 14°21’19.1”E).
Felsenburg Khaa bei Krásná Lípa, Stellplatz mit Übernachtungsmöglichkeit (Dusche und WC-Benutzung inklusive) für 15 Euro im Hinterhof eines alten Fabrikgeländes am Ortsende (50°55’01.3”N 14°27’58.2”E).
Ausflug zum Jeschken/Ještěd, Parkplatz an der Kabinen-Seilbahn (50°44’10.1”N 15°00’07.1”E). Einfacher Fahrpreis 99 CZK/Person (49 CZK/Kind). Hundemitnahme ist gegen Gebühr möglich.
Adršpach/Adersbach, der Campingplatz neben dem Schloss ist etwa einen Kilometer von der Felsenstadt entfernt (www.penzionzamecka.cz, 50°37’08.6”N 16°06’41.9”E). Eintritt Felsenstadt: Erwachsene: 120 CZK, Kinder: 70 CZK, Hunde: 10 CZK. Geöffnet von Mai bis Oktober. Geheimtipp: Nach 18 Uhr ist der Eintritt frei. Obwohl es eigentlich offiziell verboten ist, wird der kristallblaue See nun von Badegästen in Beschlag genommen.
Ostaš, der kostenpflichtige Parkplatz (50°33’25.4”N 16°12’52.8”E) bzw. der kleine, naturnahe Campingplatz nebenan sind ein guter Ausgangspunkt für eine kurze Wanderung zum Friedlandfelsen.
Horní Mísečky, kostenpflichtiger Parkplatz (50°44’00.8”N 15°34’02.6”E). Von hier kann man zur Elbquelle wandern (Rundweg ca. 17 Kilometer).
Böhmisches Paradies, Český ráj mit Burg Trosky (www.hrad-trosky.eu, 50°30’59.400”N 15°13’50.404”E).
Natursee bei Konstantinovy Lázne, See mit Badebetrieb (49°52’28.6”N 12°58’45.6”E). Parken kostenlos. Eintritt in das Bad: 50 CZK/Person. Hunde haben keinen Zutritt.