Forscher suche Dunkle Energie und Materie im Labor
Neutronen zwischen parallelen Platten geben Aufschluss über mögliche Kräfte im Universum (Illu.). © TU Wien
"Alle Teilchen, die wir heute kennen, machen nur fünf Prozentder Masse und Energie im Universum aus", erläutert diePressemitteilung der TU Wien. "Der große Rest - die 'DunkleEnergie' und die 'Dunkle Materie' - bleibt bis heutemysteriös."
Zwar kann man die Dunkle Materie nicht sehen, dennoch wirkt siedurch ihre Gravitationskraft auf die bekannte Materie ein - etwaauf die Rotation von Galaxien. Die Dunkle Energie hingegen, so diebisherige Vorstellung, ist dafür verantwortlich, dass sich dasUniversum immer schneller ausdehnt.
Dunkle Energie kann man mit einer zusätzlichen physikalischenGröße beschreiben, mit Albert Einsteins sogenannter KosmologischerKonstante. Eine Alternative dazu sind sogenannteQuintessenz-Theorien: "Vielleicht ist der leere Raum gar nichtleer, sondern erfüllt von einem bisher unbekannten Feld,vergleichbar mit dem Higgs-Feld", erläutert Prof. Hartmut Abele vomAtominstitut der TU Wien.
Gemeinsam mit dem Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenobleführen die Wiener Physiker hochsensitive Untersuchungen vonGravitations-Effekten auf winzigen Abständen durch. Damit lässtsich nun der Bereich, in dem man neue Teilchensorten oderzusätzliche Naturkräfte vermuten könnte, hunderttausend mal stärkereinschränken als bisher. Über ihre Experimente haben die Forscher.orab auf "arXiv.org" berichtet.
Da sich andersartige Teilchensorten und zusätzliche Naturkräfteauch in Experimenten auf der Erde nachweisen lassen sollten,entwickelten Tobias Jenke und Hartmut Abele von der TU ein extremsensitives Instrument, mit dem an der Neutronenquelle des ILL dieGravitationskraft vermessen werden kann. "Neutronen sind dafüroptimal geeignet", erläutern die Forscher. "Sie sind elektrischneutral und kaum polarisierbar. Auf sie kann im Experiment bloß dieGravitation wirken – und allenfalls auch neue, bisher unbekannteZusatzkräfte."
In den Experimenten werden die Neutronen zunächst abgekühlt undzwischen zwei parallelen Platten hindurchgeschickt. Nach denGesetzen der Quantenphysik kann sich das Neutron dabei nur in ganzbestimmten Zuständen mit ganz bestimmten Energien befinden, die vonder Stärke der Kraft abhängt, die von der Gravitation auf dasTeilchen ausgeübt wird. Indem man die untere Platte vibrierenlässt, kann man die Neutronen zwischen den Zuständen hin und herwechseln lassen. So lassen sich die Abstände der Energieniveausvermessen.
"Das Experiment ist ein wichtiger Schritt zur Modellierunggravitativer Wechselwirkungen bei sehr kleinen Distanzen. DieNeutronen am ILL und die Messinstrumente aus Wien bilden zusammendas beste Werkzeug, um nach winzigen Abweichungen von der Newton‘schen Gravitationstheorie zu suchen, die von manchen Theorienvorhergesagt werden", sagt Peter Geltenbort vom ILL.
Wie leicht eine solche Abweichung aufzufinden ist, hänge vonverschiedenen Parametern ab - zum Beispiel von der Stärke derKopplung eines hypothetischen neuartigen Feldes an die bekannteMaterie. Bestimmte Wertebereiche für diese Parameter gelten längstals ausgeschlossen: Gäbe es eine "Quintessenz" mit solchenKopplungsstärken, hätte man sie bereits in anderenPräzisions-Experimenten finden müssen. Doch noch immer blieb eingroßer "erlaubter" Parameterbereich, in dem sich neue physikalischePhänomene verstecken könnten.
Mit der neuen Neutronen-Methode lassen sich nun allerdingsTheorien in diesem Bereich testen: "Bisher konnten wir bei unserenMessungen keine Abweichungen zum bekannten Newton’schenGravitationsgesetz finden", sagt Hartmut Abele. "Dadurch können wirnun einen weiten Bereich von Parametern ausschließen." DieMessergebnisse legen nun ein Limit für den Kopplungsparameter fest,das hunderttausendmal unterhalb der Grenzen liegt, die sich ausanderen Messmethoden ergaben.
Auch wenn sich auf diese Weise bestimmte hypothetische Teilchenausschließen lassen, sei es noch immer möglich, dass sich unterhalbdieser verbesserten Nachweisgrenze neuartige Physik verstecke, sodie Forscher abschließend und wollen deshalb ihreGravitations-Resonanz-Methode noch weiterentwickeln. "Wenn sichauch dann keine Hinweise auf Abweichungen von den bekannten Kräftenergeben, könnte Albert Einstein schließlich noch Recht behalten:Seine Kosmologische Konstante erscheint dann immer plausibler."