Die Chevrolet Corvette Grand Sport kombiniert den Antrieb der
Stingray mit dem Querdynamikrahmen der Z06 zum perfekten Mittelweg.
Ein Test in ungeahnten Dimensionen.
Das Quecksilber klettert an diesem Testtag kaum über die
Nulllinie, die Bedingungen sind alles andere als optimal. Das macht
die Ergebnisse nur umso beeindruckender: ...
Trotz spürbarem Radschlupf wütet die Corvette Grand Sport der
normalen Stingray bis 100 km/h um mindestens vier Zehntel davon
(Messung: 4,4 Sekunden), den Slalom durchkurvt sie dank der
geringeren Vorderachslast schneller als die Z06, ...
... und auf dem Kleinen Kurs haut sie am Ende eine 1.08,7 heraus
– fast dieselbe Zeit wie ein 34 PS stärkerer, gut 120 Kilo
leichterer Porsche 911 GT3 RS!
Die Kurvengeschwindigkeiten spielen in der Champions League: 92
km/h ausgangs Querspange, 105 km/h in der Senke. Das Schöne: Bei
Bedarf nimmt einen die Vette dabei ein bisschen an die Hand. Denn
neben den verschiedenen Fahrprogrammen beinhaltet ihr Antrieb auch
eine ...
... einstellbare Traktionsregelung. Kein Primitivgelumpe, das
nach dem Aktion-Reaktion-Prinzip an den Rädern herumfuhrwerkt,
sondern ein aktives System, das die Ursache quasi beim Schopfe
packt.
Prinzip: Der Motor ist permanent in Kontakt mit der
Sperrensteuerung, berechnet, wie viel Drehmoment die Hinterachse
verträgt, und cuttet es entsprechend zurecht. Modusabhängig, in
Echtzeit und derart punktgenau und feinfühlig, dass man selbst
dann, wenn man kurvenausgangs derbe über die Curbs rumpelt, weder
ein Halten noch ein Zucken im Hintern spürt.
Der V8-Motor mit 6,2 Liter Hubraum, 466 PS, 630 Nm,
Direkteinspritzung und Trockensumpf stammt aus der Stingray. Den
Antrieb vervollständigen ein Siebenganggetriebe, das sie einem auf
Wunsch zugunsten einer Achtstufenautomatik ausbauen, sowie ein
elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial an der Hinterachse.
Im Moment des Losfahrens merkt man dementsprechend noch keinen
Unterschied: Die Chevrolet Corvette Grand Sport bollert im Test,
ballert, brodelt und trommelt genauso herzallerliebst durch ihre
vier Endrohre wie die Stingray auch.
Sobald man aber ihre 1.585 Kilo unter Zug in eine Kurve treibt,
distanziert sie sich recht unmittelbar, recht deutlich und recht
endgültig vom Ursprungsmodell. Der Grund liegt im Fahrwerk, das man
aus der Teilekiste der Z06 komponiert.
Konkret: Es werden nicht nur alle wesentlichen Fahrwerksteile
(inkl. serienmäßiger Verstelldämpfer, spezifischer Stabis und
Federn), die supergesizeten Raddimensionen und das große Kühlsystem
übernommen, sondern – auf Wunsch – auch das Z07-Paket für 14.500
Euro extra.
Das Leistungsgewicht liegt bei 3,4 kg/PS. Das Bemerkenswerte:
Der Antrieb der Stingray und das Fahrwerk der Z06 harmonieren
perfekt. Mit Stingray und Z06 kommt man sich aufgrund ihrer
jeweiligen Gegebenheiten bisweilen wie beim Rodeo vor, ...
... die Corvette Grand Sport hingegen ist ein Ritt auf einem
Bullen, der immer genau das macht, was man ihm gerade befiehlt –
das Tier im Bann, wenn man so will.
In der Weitläufigkeit dieser Fahrdynamik-Spielwiese liegt nur
ein Problem. Wer immer wilder auf ihr herumturnt, immer noch später
bremst, mit immer noch aberwitzigerem Tempo in Kurven sticht und
immer früher voll auf dem Stempel steht, wird irgendwann
feststellen, dass auch die Weite ein Ende hat.
Die Vergangenheit - 1962: Shelbys Cobra dominierte seinerzeit
den US-Rennsport, Chevy wehrte sich mit einer Leichtbauversion der
C2 – der ersten Grand Sport. Nur fünf Stück wurden damals
gebaut.
1996: Mit der C4 wurde das Grand-Sport-Thema serienreif. 1.000
Exemplare wurden gebaut. Eckdaten: 335 PS, Sechsganggetriebe und
rote "hash marks" als Markenzeichen.
2010: Nach einer Pause in Generation C5 feierte die Grand Sport
mit der C6 ihr zweites Comeback. Wie das aktuelle Modell
unterschied sie sich durch verschiedene Z06-Komponenten von der
Ausgangsbasis.
Die Corvette Grand Sport erinnert einen daran, dass Performance
nicht alleine aus Längs- und Querdynamik entsteht, sondern primär
dadurch, dass beide Faktoren zueinander in einem gesunden
Verhältnis stehen. Und das hier ist ein Volltreffer: Ungeheuer viel
Grip, Traktion und Seitenführung, dazu ein Motor, der das
Fahrwerkskonstrukt nie wirklich überfordert, einem aber trotzdem
nicht verloren darin vorkommt.