"Die Frau im Mond": Die Leiden einer Liebestollen

Nach "Assassin's Creed" widmet sich Marion Cotillard in "Die Frau im Mond" einer wesentlich anspruchsvolleren Rolle. Leicht macht es einem der Film von Nicola Garcia aber nicht.
Die französische Schauspielerin Marion Cotillard (41) ist ein Phänomen. Absolute Blockbuster-Rollen wie in "The Dark Knight Rises" oder "Assassin's Creed" meistert sie ebenso schlafwandlerisch, wie höchstanspruchsvolles Kultur-Kino à la "Macbeth" und "Der Geschmack von Rost und Knochen". Nicht zu vergessen ihr Part im Ultra-Klamauk "Anchorman - Die Legende kehrt zurück". Vom Film-Chamäleon Cotillard ist also viel zu erwarten gewesen in der Romanverfilmung "Die Frau im Mond - Erinnerung an die Liebe"...
Liebe lieber ungewöhnlich
Für eine Frau der 1940er Jahre Frankreichs lebt die junge Gabrielle (Cotillard) ihre Sexualität erstaunlich offenherzig aus. Männern, die ihr Interesse geweckt haben, macht sie nicht nur Avancen, nein. Sie schreibt ihnen regelrechte Aufforderungen zum Sex, wartet nicht extra, bis die Herren der Schöpfung sich zum ersten Schritt der Kontaktaufnahme bequemen. Doch mit ihrer forschen und impulsiven Art vertreibt sie nicht nur etwaige Partner, sie sorgt in ihrem beschaulichen Heimatdorf zusehends für einen Skandal.
Einzig der Saisonarbeiter José (Alex Brendemühl) hat ein Auge auf die als geisteskrank verschriene Gabrielle geworfen. Und da eine Ehe zu dieser Zeit in erster Linie zur Absicherung geschlossen wurde, und nicht aus Liebe, finden sich die beiden schnell vor dem Traualtar wieder. Gabrielle scheint sich bereits mit ihrem Leben in einer emotionslosen Ehe abgefunden zu haben, als sie in einem Kurort in den Alpen den verwundeten Kriegsveteran André Sauvage (Louis Garrell) kennenlernt. Schon während des ersten Gesprächs mit dem körperlich wie seelisch schwer mitgenommenen Mann stellt sie fest: Es gibt sie also doch, die wahre Liebe.
Die Hauptfigur macht es einem nicht leicht
Auch in "Die Frau im Mond" liefert Cotillard ein gewohnt starkes Mienenspiel ab. Ihr kauft man die vor Verlangen vergehende, einsame Seele jede Sekunde im Film ab. Mit einher geht aber auch die Tatsache, dass sich ihre Figur speziell dem vorgeschobenen Ehemann José gegenüber sehr ungerecht verhält. "Es stimmt was alle sagen", giftet der sie nach Jahren der Geduld schließlich an. "Du bist ein Scheusal". Ganz unrecht will man ihm als Zuschauer in diesem Moment nicht geben, hat Cotillard immerhin auch diesen Aspekt ihrer Rolle überzeugend getroffen.
Es macht es dem Zuschauer allerdings auch verdammt schwer, eine emotionale Bindung zu ihr einzugehen, ja eingehen zu wollen. Ein bisschen fühlt man sich dann wie einer der Bewohner ihres Heimatdorfs, der sie als Spinnerin abstempelt. Die Sympathien schieben sich so eher zu ihrem Ehemann, der erfrischend gutmütig dargestellt wird. Ob das allerdings die Intention der 70-jährigen Regisseurin Nicola Garcia gewesen ist?
Die Macht der Liebe
Insgesamt kommt "Die Frau im Mond" als gemächlicher Film daher, der drei ausgesprochen schön inszenierte Schauplätze zu bieten hat. Der Kurort in den Alpen wird zum zentralen Ort, findet Gabrielle hier immerhin, wonach sie ihr gesamtes Leben gesucht hat: die wahre Liebe. Demensprechend wenig verwunderlich, dass ihre dort erlebten Höhen, Tiefen und schließlich das ganze Ausmaß ihres Selbstbetrugs den fesselndsten Part der Romanverfilmung darstellen - sofern man als Zuschauer zu diesem Zeitpunkt nicht bereits resigniert hat. Denn leicht macht es die unbändige Sehnsucht der Protagonistin weder ihren Verehrten, noch den Zuschauern. Da entschädigt auch das durchaus überraschende Ende von "Die Frau im Mond" nur bedingt.
Fazit:
Wer von "Die Frau im Mond" einen bequemen, durch und durch romantischen Film erwartet, wird stark enttäuscht aus dem Kino gehen. Ja, es gibt viel nackte Haut und sinnliche Momente zu sehen, in seinem Kern ist der Streifen von Nicola Garcia aber recht sperrig ausgefallen. Ähnlich wie seine Hauptfigur macht er es einem nicht leicht, ihm gegenüber nach den rund zwei Stunden vollauf positiv gestimmt zu sein.