"Independence Day: Wiederkehr": So langweilig kann Bombast sein
Hat sich die Wartezeit von 20 Jahren auf die Fortsetzung von "Independence Day" gelohnt? Allenfalls für Hardcore-Fans von Roland Emmerich, denen es nichts ausmacht, die Welt immer und immer wieder untergehen zu sehen.
Eines gleich vorweg: "Independence Day: Wiederkehr" wird viele Nostalgiker in die Kinosäle locken. Zu groß ist die Freude, die Fortsetzung des Pathosfests von 1996 zu sehen, das von den Fans als Action-Meisterwerk und von vielen Kritikern zumindest als "Guilty Pleasure" anerkannt wird. Zu groß ist auch die Wiedersehensfreude, die alten Recken Jeff Goldblum und Bill Pullman, inzwischen 20 Jahre gereift, erneut gegen die Weltraum-Aggressoren kämpfen zu sehen. Kurzum, "Independence Day: Wiederkehr" lebt sehr stark vom Erbe seines filmischen Vorfahren - und verprasst es.
Den Trailer zu "Independence Day: Wiederkehr" gibt es bei Clipfish zu sehen
Gut vorbereitet?
Auf Mutter Erde hat sich seit des ersten Alien-Angriffs im Jahr 1996 einiges getan. Es wurde nicht nur das pulverisierte Weiße Haus des US-Präsidenten neu aufgebaut, nein, die Menschheit machte dank der erbeuteten Raumschiffe und Waffen der Angreifer einen Quantensprung in der Technologie. Die "Schwerkraft wurde besiegt" und neueste Abwehrsysteme in Stellung gebracht, wie Präsidentin Lanford (Sela Ward) in einer Rede zu Beginn des Films praktischerweise die vergangenen 20 Jahre Revue passieren lässt.
"Aber das alles wird nicht genügen...", weiß David Levinson (Jeff Goldblum), der einst mit Captain Steven Hiller (Will Smith) die Außerirdischen dank eines Computervirus besiegen konnte. Und wie Goldblums Figur Ian Malcolm aus "Jurassic Park" dürfte es auch Levinson hassen, immer Recht zu behalten: Mit einem gigantischen Mutterschiff rücken die Aliens erneut an, vaporisieren die interstellare Verteidigungslinie der Menschen und schicken sich an, zu Ende zu bringen, was sie vor 20 Jahren versäumten - die Auslöschung allen Lebens auf der Erde.
Mehr Emmerich geht kaum
Heroische Sprüche, noch heroischere Taten und mehr Patriotismus als auf einem Parteitag der Republikaner: Roland Emmerich ist auch in "Independence Day: Wiederkehr" um keines seiner Markenzeichen verlegen. Ob er einen Mengenrabatt auf US-amerikanische Flaggen bekommt, so gerne wie er sie in seinen Zerstörungsorgien irgendwo im Hintergrund wehen lässt? Bei wirklichen Innovationen geizt der deutsche Filmemacher hingegen im Sequel...
Es sind die ewig steten Schauwerte, die Emmerich dem Zuschauer bietet, die aber schon in "2012" ihren Zenit erreichten. Der Stuttgarter hat ein nicht übersehbares Faible dafür, die Welt explodieren zu lassen, während ein ungemein robustes Vehikel mit den Protagonisten darin durch die Apokalypse manövriert. In "Godzilla" war es Jean Reno und das stabilste Taxi der Welt, in "2012" der tollkühne John Cusack in seiner fliegenden Kiste. In "Independence Day 2" da darf nun Judd Hirsch (Julius Levinson, David Levinsons Vater) gleich zweimal vor der Endzeit davondüsen, einmal in seinem Boot, dann in einem Schulbus. Das sieht zwar Emmerich-typisch wieder bombastisch aus, ist aber gefühlt eben schon tausendfach gesehen und stellenweise regelrecht langweilig. Oder wird der Regisseur etwa einen Schulbus voller Kinder den Aliens zum Fraß vorwerfen? Natürlich nicht.
Mit Liam Hemsworth, Maika Monroe, Jessie Usher und Charlotte Gainsbourg stellt Emmerich neue Hauptfiguren vor. Die bleiben allerdings derart blass, dass einen ihr Schicksal völlig kalt lässt. Gainsbourgs Figur Dr. Catherine Marceaux ist regelrecht überflüssig, der Charaktermimin wird überhaupt keine Möglichkeit gegeben, sich auszuzeichnen. Nur wenn die alten Haudegen aus Teil eins in Gefahr geraten, kommt so etwas wie Spannung auf - der Schwerpunkt liegt aber nun einmal nicht auf ihnen, sondern auf den neuen Charakteren.
Kriegsführung für Anfänger
Ohne auf genaue Storydetails einzugehen, so soll zumindest gesagt sein, dass der Plot von "Independence Day: Wiederkehr" mehr Löcher hat, als ein Schweizer Trikot. Zudem sind diese Plotlöcher so groß, dass selbst das Mutterschiff der Aliens problemlos hindurchfliegen könnte - und das ist, wie bereits der Trailer zum Film verriet, mal eben so groß wie der Atlantik.
Natürlich muss beziehungsweise darf man bei Filmen wie "Independence Day" nicht zu sehr über das Gezeigte nachdenken. So war es auch im ersten Teil schon schwer zu schlucken, dass ein kleiner Hackerangriff die gesamte Flotte der Aliens zum Abstürzen brachte, weil die ihr Antivirus-Programm nicht aktualisiert haben, ehe sie die Welt angriffen. Aber in der Fortsetzung häufen sich diese Momente einfach zu sehr. Von permanenten Zufällen mal abgesehen, ergibt die Angriffsstrategie der Aliens anders als im Vorgänger schlichtweg keinen Sinn. Aber könnte man nicht bei der großen Endschlacht einen Countdown einblenden, bis zu dessen Ablauf ein gewisses Ziel neutralisiert werden muss, ja wie sollte man denn sonst Spannung erzeugen? Emmerich scheint darauf keine Antwort zu kennen.
Zwar versucht er den Außerirdischen eine neue Facette zu verleihen, Innovation sieht aber auch hier anders aus. Sci-Fi-Fans bekommen einen kleinen Tipp: Bereits 1986 ließ sich James Cameron diese Storywendung einfallen, als er den zweiten Teil von Ridley Scotts ins Leben gerufene "Alien"-Reihe drehen durfte.
Fazit:
All dieser Kritik zum Trotz, Emmerichs Art, Filme zu drehen, war in der Vergangenheit kommerziell immer erfolgreich. Sein Bombast, der dem Gehirn für zwei Stunden Urlaub gönnt, ist für viele Kinogänger die perfekte Abendunterhaltung, wenn verkopftes Kino à la Christopher Nolan in dieser Hinsicht wenig Entspannung bietet. Filmische Spannung will aber jeder, und die kommt angesichts der vorhersehbaren Geschehnisse in "Independence Day: Wiederkehr" leider viel zu kurz und bietet die exakt selben Schauwerte wie der Vorgänger. Dann lieber den Klassiker von 1996 noch einmal in den DVD-Player werfen.