"Snowden": Oliver Stones Plädoyer für die Freiheit
Regisseur Oliver Stone bringt mit "Snowden" die Geschichte um den Whistleblower Edward Snowden auf die Leinwand.
Oliver Stone (70, "Platoon") ist bekannt für seine politisch orientierten Filme, für seine eigenen Verschwörungstheorien und dafür, zu polarisieren. Mit "Snowden" wagt sich der Regisseur auf dünnes Eis. Sein Film beleuchtet die Person Edward Snowden, dessen Privatleben und Beziehung. Snowden, das ist der Whistleblower, der geheime NSA-Dokumente veröffentlichte und damit die weltweite Massenüberwachung der US-Geheimdienste offenlegte. In den USA gibt es zwei Meinungen dazu: Er ist entweder ein Held oder ein Verräter. Stones Haltung dazu wird durchaus deutlich. Sein Streifen ist aber vor allem ein Plädoyer für die Freiheit.
Einen Trailer zu "Snowden" sehen Sie hier
Die Story
Als Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt) im Jahr 2013 seinen Job bei der NSA hinter sich lässt und nach Hongkong fliegt, tut er das stillschweigend, ohne dass NSA-Mitarbeiter oder seine langjährige Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley) davon etwas ahnen. In Hongkong trifft er sich mit den Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) und Ewen MacAskill (Tom Wilkinson) sowie der amerikanischen Dokumentarfilmerin Laura Poitras (Melissa Leo), um Informationen über weltweite und in tiefste Privatbereiche vordringende Überwachungsprogramme der US-Regierung zu enthüllen.
In Rückblenden wird der Werdegang Snowdens gezeigt, der eigentlich zur US-Armee wollte und dann als herausragender Programmierer und Berater für IT-Sicherheit bei CIA und NSA arbeitet. Von seiner Geheimdienstarbeit desillusioniert, trägt er nach einer schockierenden Entdeckung hunderttausende geheime Dokumente zusammen, die das ganze Ausmaß der Datensammlung deutlich machen. Ein Fokus liegt auch auf seiner Beziehung zu Lindsay Mills, seiner großen Liebe, die ihn bei seinen internationalen Stationen begleitet. Sie lässt er am Ende zurück und findet den Mut, seinen Grundsätzen entsprechend zu handeln.
Held oder Verräter?
Der Fall Edward Snowden polarisiert, keine Frage. Den meisten dürfte sein Name ein Begriff sein. Spätestens als durch ihn aufgedeckt wurde, dass auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel von den USA angezapft wurde, war er den Deutschen bekannt. Für die Amerikaner ist er entweder Verräter oder Held, unabhängig davon, wie er als Person ist oder unter welchen Beweggründen er gehandelt hat. Diesen Einblick in die Privatperson Edward Snowden, in seinen Alltag und in seine Prinzipien gewährt Oliver Stone. Das gelingt ihm durch eine unaufgeregte Erzählweise und einen großartigen Hauptdarsteller: Joseph Gordon-Levitt (35, "Don Jon").
Gordon-Levitt passte sogar seine Art zu sprechen an das reale Vorbild an. Kleiner Tipp: Am besten die Originalfassung ansehen. Der Film-Snowden kommt unaufgeregt rüber, etwas verschlossen und durch und durch patriotisch. Er will in der Armee dienen, wird aber aus gesundheitlichen Gründen vom Dienst freigestellt. Daraufhin kommt er bei CIA und NSA zu Ruhm. Er hat die höchste Sicherheitsfreigabe, entwickelt extra Programme und darf u.a. in Genf, in Hongkong und auf Hawaii seinem Land dienen. In Genf allerdings bröckelt sein Patriotismus das erste Mal.
Und auch der Zuschauer hält hier den Atem an, wenn ihm ein Kollege vorführt, wie leicht es ist, die Regeln auszuweiten und Kameras in ausgeschalteten Laptops zu aktivieren. Und das, auch wenn eine Person nicht auf der Liste der Terrorverdächtigen steht, sondern nur über fünf Ecken mit einem Namen darauf in Berührung gekommen ist. Dieses Schneeballprinzip führt dazu, dass eine unermessliche Datenmenge gesammelt wird. Wenn Snowden auf Hawaii seinen Kollegen zeigt, dass die gespeicherten Daten aus Amerika doppelt so hoch sind wie zum Beispiel aus Russland, fällt es einem nicht schwer, Snowdens Motiv hinter seiner Tat nachzuvollziehen.
Die große Liebe
Großen Wert legt Stone auf die Beziehung von Snowden zu Lindsay Mills. Sie ist das Gegenteil von Ed: offen, kontaktfreudig und vertritt den Standpunkt, man habe als Bürger das Recht, die Regierung zu hinterfragen. Shailene Woodley (24, "Das Schicksal ist ein mieser Verräter") spielt Lindsay Mills, die Person, die Edward Snowden zu all seinen Einsätzen gefolgt ist und mittlerweile auch bei ihm im Exil in Moskau lebt. Sie sagt im Film einmal den Satz: "Ich habe nichts zu verbergen." Ein Satz der bezeichnend ist für viele Menschen weltweit. Als würde das eine Massenüberwachung rechtfertigen können. Snowden kontert: Das sei das Dümmste, was man sagen könne. Es gehe um die Grundrechte des Menschen. Freiheit statt Sicherheit.
Doch CIA-Ausbilder Corbin O'Brian, diabolisch gut dargestellt von Rhys Ifans ("Notting Hill"), erklärt Snowden, für die meisten Menschen gehe Sicherheit vor. Dafür würden sie auch einen Teil ihrer Freiheit aufgeben. Doch wie groß dieser Teil tatsächlich ist, weiß eben niemand so genau. Die Methoden, die Programme - all das scheint endlos im Cyberspace. Auch Nicolas Cage ("Drive Angry") alias CIA-Angestellter Hank Forrester beschwerte sich über einige Methoden der CIA. Ohne Erfolg, wie er Snowden verrät. Er wird mundtot gemacht. So wie Cage mit kleiner Plauze und altmodischer Weste agiert, wünscht man sich, er hätte mehr Filmminuten.
Ebenso überzeugen Oscar-Gewinnerin Melissa Leo als Dokumentarfilmerin Laura Poitras, Zachary Quinto, der Spock aus "Star Trek Beyond", als Journalist Glenn Greenwald sowie Tom Wilkinson als Reporter Ewen MacAskill. Man fiebert mit ihnen mit, dass die Veröffentlichung nicht in Gefahr gerät. Als Snowdens externe Speicherkarte vom CIA-treuen Trevor James, gespielt von Scott Eastwood, entdeckt zu werden droht, steht ihm ein anderer Kollege bei. Auch wenn erst drei Angestellte öffentlich gegen die Methoden des US-Geheimdienstes geschossen haben, so scheint es doch mehr Personen zu geben, die die Herangehensweise hinterfragen.
Fazit:
Man könnte endlos über "Snowden" schreiben. Es ist ein spannender Thriller, der ruhig erzählt wird, einem aber doch alles abverlangt im Kinosessel. Kurzweilig trotz fast zweieinhalb Stunden Laufzeit. Ein anderer Blickwinkel kann nie schaden. Egal wie man zu Snowdens Diebstahl steht. Es ist ein Film, den die Internet-Generation sehen sollte. Am Ende stellt sich zudem der echte Edward Snowden den Kinogängern, ein emotionaler Gänsehaut-Moment. Snowden ist mehr als der Whistleblower, er ist ein Mensch mit Prinzipien. Bereut er etwas? Auch diese Antwort liefert Stones Film.
Der Streifen könnte, sollte und möchte die Diskussion der Massenüberwachung weiter befeuern. Denn die wird wohl weitergehen. Edward Snowden konnte in dieser Hinsicht wenig verändern, denn viele geben online weiter munter ihre Daten preis und stimmen Geschäftsbedingungen zu, ohne darüber groß nachzudenken. Doch was bringt Sicherheit ohne Freiheit? "Big brother is watching you" - Will man das wirklich einfach so hinnehmen?