Bei Miosga spricht sich Sigmar Gabriel für Trump-Unterstützung aus: "Müssen alles dafür tun"

Eines ist nach dieser Ausgabe von "Caren Miosga" im Ersten klar: Sigmar Gabriel und Saskia Esken sind keine Freunde. Am Ende der Sendung am Sonntagabend nimmt sich die Moderatorin Zeit, um ihren Gast, Ex-Bundesaußenminister der SPD, nach einer wichtigen Personalie zu fragen. Es geht um Saskia Esken, ihres Zeichens Bundesvorsitzende der Partei. Die ist sehr unbeliebt, hat sich in den letzten Monaten vor allem in den Medien ungeschickt verhalten. Ihr Landesverband hat sie nicht für den Parteivorstand nominiert. Und nun?
"Ich erkläre nicht, wer in die Bundesregierung reinkommt. Das ist nicht mein Amt", so Gabriel auf die Frage von Miosga. "Aber dass Frau Esken in den letzten Monaten und Jahren nicht dazu beigetragen hat, dass die Zustimmung zur SPD exponentiell angestiegen ist, ist kein großes Geheimnis." Die SPD stecke in einer Krise. "Frau Esken hat nach meiner Meinung die SPD nicht aus dieser Krise hinausgeführt, dass sie sagen könnte, ich habe jetzt eine Aufgabe, ins Kabinett zu kommen."
Ob es fair sei, wenn bei zwei Wahlverlierern als Vorsitzende einer ein Ministeramt bekäme und den Parteivorsitz behalte, während die Zweite möglicherweise leer ausgehe, will Miosga wissen. "So ist das Leben in der Politik", antwortet Gabriel kurz und bündig. Er muss es wissen. Immerhin hat sich auch er nicht ganz freiwillig aus der Tagespolitik verabschiedet.
Gabriel nennt Präsenz der Amerikaner "ein Hindernis" für Putin
An diesem Sonntag ist Gabriel einer von vier Gästen bei Caren Miosga. Es geht um den Krieg in der Ukraine, um dessen mögliches Ende - und darum, wie sich Europa verhalten sollte, wenn eine Entscheidung fällig ist. Es ist eine sehr ruhige Diskussion. Gestritten wird nicht. Wie auch? Miosga ist nicht auf Krawall gebürstet, und ihre Gäste sind es auch nicht.
Donald Trump schon. Der US-Präsident ist mittlerweile hundert Tage im Amt - und hat ein Chaos hinterlassen. Immerhin hält er die Welt in Atem. So kam auch die Unterzeichnung eines Rohstoffdeals mit der Ukraine ziemlich überraschend. "Wir haben gleiche Beteiligungsrechte für die Ukraine und für die USA, es geht nicht mehr darum, dass die Ukraine mit Rohstoffen für die Militärhilfe der USA bezahlt, sondern es gibt einen Investitionsfonds, in den die USA einbezahlen können zu 50 Prozent mit zukünftiger Militärhilfe. Und damit ist eine der ganz wesentlichen Sorgen der Ukraine, nämlich dass die USA wegbrechen könnten als Unterstützer, fast vom Tisch", lobt Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff das.
Die Amerikaner werden in Zukunft im Land sein, sagt Gabriel, und das sei gut: "Die schiere Präsenz der Amerikaner dort wird ein Hindernis sein für Russlands Präsident Putin, sich zu überlegen, das Land nach einer gewissen Erholungsphase wieder anzugreifen." Allerdings macht Gabriel auch klar: Amerikanische Streitkräfte in der Ukraine wird es nicht geben.
"Russland ist aus Sicht Amerikas kein ernstzunehmender Gegner"
Rebecca Barth, Ukraine-Korrespondentin der ARD, sieht ein ganz anderes Problem. Für sie hat das Abkommen vor allem symbolischen Charakter. Immerhin müssten die Rohstoffe, um die es geht, erst gefördert werden. Das könne bis zu zehn Jahren dauern. Vorher müsse der Krieg in dem Land beendet sein, denn dass ein US-Unternehmen in einem Kriegsland Bodenschätze zu heben versuche, sei unwahrscheinlich.
"Hat der russische Präsident Putin ein Interesse an der Beendigung des Konfliktes?", fragt sich Sigmar Gabriel - und antwortet erstaunlicherweise mit "ja". Russland habe der Krieg wirtschaftliche Probleme gebracht. Putin habe sich aus Syrien zurückziehen und nordkoreanische Soldaten ins Land holen müssen, die an der Seite Russlands kämpfen. "Richtig nach großer Stärke sieht das alles nicht aus", analysiert Gabriel. "Deswegen kommt es darauf an, dass die Europäer alles dafür tun, Trump auf diesem Weg zu bestärken, auf dem er jetzt ist."
Europa müsse die Senatoren unterstützen, die Russland feindlich gesonnen seien. Wer die sind, weiß er nicht, aber irgendwie hofft er, dass da welche sind. Russland stehe nicht im geopolitischen Interesse der USA. Denn: "Russland ist aus Sicht Amerikas kein ernstzunehmender Gegner. Russland ist wirtschaftlich und technologisch ein Zwerg, ist in der Abhängigkeit von China", erklärt der ehemalige SPD-Politiker. Trump wolle den Ärger loswerden, als den er Europa sehe, um sich ganz auf China zu konzentrieren.
Europa habe gerade ein ganz anderes Problem, sagt der österreichische Militärexperte Franz-Stefan Gady. Er warnt: Europa müsse sich strategisch darauf vorbereiten, ohne die Amerikaner auszukommen.
Das glaubt auch Rebecca Barth. Sie hält den US-Präsidenten nicht für zuverlässig, zu oft seien die Hoffnungen der Ukrainer auf Frieden zerstört worden. Sie rät: "Ich wäre sehr vorsichtig. Mit all dem, was jetzt passiert, sollten wir eher schauen auf das, was getan wird, und nicht auf das, was gesagt wird." Denn Putin sei ein Gegner der freien und souveränen Ukraine.Der neue Bundeskanzler, der am Dienstag gewählt wird, sollte als Erstes das Verhältnis Deutschlands zu Polen und Frankreich wieder in Ordnung bringen. "Und dann sollte er sich in dieser 'Coalition of the Willing' als Nation so beteiligen, wie das der größten Volkswirtschaft in der Europäischen Union angemessen ist."
"Dann würden sich viele Menschen in der Ukraine freuen"
Gabriel kritisiert, dass eine direkte strategische Frage von Europa nie beantwortet worden sei. Man habe zwar gesagt, die Ukraine dürfe den Krieg nicht verlieren, aber einen Konflikt mit Russland habe man auch gescheut. "Meine Vermutung ist: Je mehr der Eindruck entsteht, wir bereiten einen größeren Konflikt mit Russland vor, kann es passieren, dass sie innenpolitisch in ein Riesendilemma geraten. Dass sie zwar wissen, was sie außenpolitisch zu machen haben, aber ihnen innenpolitisch die Gefolgschaft verweigert wird."
Der neue Bundeskanzler werde also sehr viel nach innen kommunizieren müssen, um für das eine Mehrheit zu haben, was er nach außen tun müsse. Die fehlende Debatte darüber sei das Hauptproblem: "Folgen uns unsere Bürger auf unserem Weg? Verstehen sie, dass die Sicherheit unserer Kinder und Enkelkinder jetzt davon abhängt, welche Erfahrung Russland mit uns macht?" Gabriel bezweifelt, dass die Deutschen freiwillig der Ukraine helfen, wenn es hart auf hart kommt - oder einem anderen Land, das von Putin angegriffen wird.
Auch die Ukraine setze Hoffnung in die neue Bundesregierung, fügt Barth hinzu. Sie erwarte Engagement und ein schnelles Handeln Europas. "Wenn da die neue Bundesregierung ihren Beitrag leisten könnte, dass man entschlossener ist, dann würden sich viele Menschen in der Ukraine freuen."