"Kein Kind, kein Haus, kein Mann": Im ARD-Porträt zieht Ina Müller schonungslos Bilanz

Wer Ina Müller vor eine TV-Kamera setzt, weiß, was er bekommt. So ziemlich alles, nur kein Reden um den heißen Brei. Da darf einen die schonungslose Offenheit der Jubilarin im ARD-Geburtstags-Porträt nicht wundern. Auf ihren Familienstand und die Lebensplanung angesprochen sagt die Bald-60-Jährige (am 25. Juli): "Ich bin erst mit 30 auf die Bühne. Da heiraten andere Frauen und kriegen Kinder. Ich musste mich halt entscheiden." Ina Müller hat sich entschieden: "Also Kinder wohl jetzt nicht."
Es ist diese Balance aus derber Unverblümtheit und feiner Melancholie, die Ina Müller einzigartig macht im deutschen Fernsehen - und die auch die Doku "Ina Müller - laut und leise" prägt. An prominenten Gratulanten mangelt es in dem 60-Minüter nicht. Am Ende knutschen Campino, Iris Berben, Micky Beisenherz und viele mehr die Porträtierte fernmündlich in die Kamera. Alle lieben Ina Müller. Nicht trotz, sondern offenbar wegen ihrer schillernden Widersprüche. "Das ist ne freie Frau", schwärmt Guido Maria Kretschmer. "Das ist ein undressiertes Pony."
Johannes Oerding: Privat ist Ina Müller eine "ruhige, nachdenkliche Person"
Die Filmemacher blicken in die niedersächsische Provinz, wo Müller als eine von vier Schwestern auf dem Bauernhof aufwuchs. Später machte sie eine Ausbildung in einer Apotheke auf Sylt, ehe sie als Teil des Musik-Kabarett-Duos Queen Bee anfing, ihre extrovertierte Seite nach den Regeln der Kleinkunst auszuleben. Daneben gibt es aber auch noch eine andere Facette: "Ich bin manchmal ein bisschen scheu, ein bisschen schüchtern", überrascht Müller. Aber nicht auf der Bühne. "Natürlich bin ich da laut. Sonst würden ja alle einpennen."
"Wenn das rote Licht nicht an ist, ist Ina tatsächlich eher eine ruhige, nachdenkliche Person", weiß auch ihr ehemaliger Lebenspartner Johannes Oerding, der mit seiner Ex immer noch Musik macht. Beide hatten sich kennengelernt bei "Inas Nacht", der wilden Kneipenshow im Ersten. Nervös sei er gewesen vor seinem Auftritt 2009 in Hamburgs ältester Seemannskneipe "Zum Schellfischposten". Er habe "ein bisschen Angst gehabt vor der Frau", die er als laut und taff wahrgenommen habe. "Da kommt der kleine Johannes mit seiner Gitarre an."
Mit dem kleinen Johannes als Musik-Gast "britzelte" aber schnell die Luft. "Dann geht das zappzapp, dann versteht man sich", erinnert sich Ina Müller an das schicksalhafte Aufeinandertreffen: "Dann waren wir erst so ein bisschen befreundet und später mehr befreundet." Im Mai 2023 gaben beide die Trennung bekannt.
"Braucht die keine Liebe oder findet die keinen?"
Seither ist Ina Müller mit alten Vorbehalten konfrontiert: "Wieso lebt die allein? Braucht die keine Liebe oder findet die keinen? Das merkt man schon, wenn du Single bist - und zwar egal, ob 30, 40, 50 oder 60: Du wirst immer angeguckt wie: Mit der stimmt doch was nicht, sonst hätte die ja einen."
Aber wer braucht schon einen Mann, der solch eine Sendung moderiert! Der Eindruck, dass Ina Müller mit ihrem Tresen-Talk eine berufliche Symbiose eingegangen ist, täuscht nicht: "Ich habe die geilste Sendung, die es gibt", weiß die Moderatorin und Musikerin ihr Glück zu schätzen. "Welche Sendung sollte ich moderieren wollen? Jetzt mal wirklich."
Bei "Inas Nacht" gaben sich schon Superstars wie Dua Lipa und Beth Ditto die Ehre - erstaunlich für eine Anarcho-Show auf Bierdeckelformat. Campino, der einst im Schellfischposten verfänglich über Groupies ins Plaudern kam, nennt einen Grund: "Jeder hat so seine Abwehrmauer, wenn er weiß, da kommt eine Routinefrage. Irgendwie hat Ina eine ganz elegante Art und Weise, jemanden aus dem Versteck zu locken. Das ist auch in Ordnung, weil es nie hinterlistig ist, nie dazu dient, jemanden zu entlarven."
Markus Söder und der "kleine Anker am Sack"
Frag nach beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, von dem die Gastgeberin wissen wollte, ob er "einen kleinen Anker am Sack" habe - gemeint war ein Tattoo. Nur einmal aktivierte der Gast bei der Moderatorin mehr Stresshormone als umgekehrt: "Wenn Sting in die Sendung kommt, das ist so viel Aufregung, das schaffe ich einmal im Leben, aber das möchte ich bitte nicht noch mal. Ich war so platt!"
Am Donnerstag, 24. Juli, 22.50 Uhr, geht "Inas Nacht" in die nächste Staffel. Ein Ende ist nicht abzusehen. "Ich hätte im Leben nicht gedacht, dass ich vor der Kamera verwelke", wundert sich die "ganz feine Dirn" (Shantysänger Hartmut Großmann) im ARD-Film. Nicht auszudenken, es könnte einmal vorbei sein mit diesem wildwüchsigen Stück Poesie im öffentlich-rechtlichen Spätprogramm. "Ich habe ja keinen Hund, kein Kind, kein Baum, kein Haus, keinen Mann", überlegt Ina Müller. "Das heißt, das ist schon mein Leben. Das habe ich schon so entschieden. Und wenn das keiner mehr will ..."
Lange melancholische Kunstpause, dann der erlösende Gag nach Müllerin Art: "... muss ich wohl doch noch ein Kind kriegen."
"Ina Müller - laut und leise. Ein Portrait" ist am Freitag, 25. Juli, 22.20 Uhr, im Ersten zu sehen.