Valerie Niehaus über Elon Musk: "Ein Maximum fehlenden Respekts dem Menschen gegenüber"

Die "heute show" beschäftigt sich in einem Sommer Special mit der Geschichte des reichsten Mannes der Welt. Valerie Niehaus hat sich als Host einer fiktiven, aber nicht unwahren Biografie mit einer der schillerndsten Figuren der Gegenwart beschäftigt. In "heute-show extra - Die unglaubliche Geschichte von Elon Musk" (Freitag, 11. Juli, 22.30 Uhr, ZDF) geht es für die 50-jährige Schauspielerin und Satirikerin jedoch nicht nur ums Musk-Bashing, sondern darum, dass wir uns selbst, unsere Geschichte und die Welt, in der wir gegenwärtig leben, besser verstehen.
teleschau: In den Sommer-Specials der "heute-show" schlüpfen Sie normalerweise in verschiedene Rollen. Sind Sie diesmal Elon Musk?
Valerie Niehaus: Nein (lacht), diesmal moderiere ich nur - und verkörpere gar keine Charaktere. Der Film ist ein Porträt, das ich sozusagen begleite.
teleschau: Kaum ein anderer Mensch war zuletzt so intensiv in den Medien wie Elon Musk. Sein Image hat in dieser Zeit extrem gelitten. Was ist spannend an einem satirischen Porträt über ihn - zum jetzigen Zeitpunkt?
Valerie Niehaus: Es geht um seine Reise oder besser gesagt: die scheinbare Verwandlung. Wir wissen ja erst mal nicht, was vorher einfach nur Image war. Ein Image, das seine wahre Persönlichkeit und Einstellungen verdeckte. Oder ob er sich tatsächlich verändert, radikalisiert hat. Eben war er noch ein genialer Unternehmer, Klimaschützer und Helfer der Menschheit. Und dann mutiert er zum Pronatalisten, der den Planeten mit seinem genialen weißen Erbgut flutet und der nebenbei die Demokratie abschaffen will. Für mich steht Elon Musk wie auch Donald Trump für ein Maximum fehlenden Respekts dem Menschen gegenüber.
"Wir Deutsche haben unseren letzten Diktator demokratisch an die Macht gewählt"
teleschau: Ideen und Einstellungen wie die von Musk entwickelt man normalerweise nicht über Nacht. Haben wir uns in ihm getäuscht?
Valerie Niehaus: Wahrscheinlich. Ein Wertekorsett verändert sich normalerweise nicht so schnell. Ich glaube, dass seine Motivation tatsächlich im Erreichen unermesslichen Reichtums liegt. Sie entspringt meines Erachtens einer kranken Seele. Eine verlorene Seele mit einem schrecklichen Vater sowie einer sehr verlassenen Kindheit und Jugend. Unsere Recherchen und die anderer Leute belegen: Elon Musk hat immer nur solange für Ideale gekämpft, wenn sie ihn gerade sehr reich gemacht haben.
teleschau: Er ist also der klassische falsche Prophet?
Valerie Niehaus: Prophet trifft es ganz gut. Weil der Aufstieg von Musk und Trump zeigt, wie schnell wir immer noch bereit sind, Leuten hinterherzulaufen und viele Hoffnungen in sie zu setzen, die Heil und schnelle Erlösung versprechen. Wir wählen diese Leute ja demokratisch. Wer Trump wählt, wusste wahrscheinlich, dass er auch Musk wählt. Auch wir Deutsche haben unseren letzten Diktator demokratisch an die Macht gewählt. Unser ICE 1945 fuhr an Gleis 33 ab. Rechte Populisten haben gegenwärtig mehr und mehr Zulauf. Wenn man sich mit Figuren wie Musk und Trump beschäftigt, schaut man immer auch auf sich selbst.
teleschau: Was sieht man da?
Valerie Niehaus: Dass wir selber mitmachen müssen, unsere Gesellschaft gut zu gestalten. Das Abtreten der Verantwortung an irgendwelche Heilsbringer funktioniert nicht. Der Wunsch, dass Heilsbringer unsere Probleme lösen, ist ein kindlicher. Nun sind wir aber Erwachsene und haben das demokratische Privileg freier Wahlen und die Aufgabe, diese Freiheit sehr ernst zu nehmen.
"Für den Narzissten ist der höchste Wert er selbst"
teleschau: Man redet bei Trump und Musk oft von einem Werte-Vakuum. Also davon, dass diese Menschen an wenig glauben. Zumindest nicht an eine Sache, die größer ist als sie selbst ...
Valerie Niehaus: Für den Narzissten ist der höchste Wert er selbst. Andererseits würde ich bei Trump und Musk vielleicht gar nicht von Werten sprechen, sondern von Prinzipien. Ein Wert ist nichts wert, wenn man nicht irgendwelchen humanistischen Prinzipien folgt. In einer Diebesgesellschaft ist jedoch der, der am meisten klaut, auch der wertvollste.
teleschau: Worüber können Sie sich gesellschaftlich so richtig aufregen?
Valerie Niehaus: Darüber, dass wir Menschen immer wieder ins Verderben rennen. Obwohl frühzeitig klar ist, was passieren wird. Nehmen wir Social Media. Der Film "The Social Network" über die Idee hinter Facebook ist 15 Jahre alt. Er beschreibt exakt, wie wir uns und unsere Kinder in die Algorithmen laufen lassen, die uns so viel Schaden zufügen. Persönlich und als Gesellschaft. Trotzdem ist man bis heute bereit, sich jederzeit wieder für neue Errungenschaften aus dem Silicon Valley zu begeistern, ohne sie zu hinterfragen. Obwohl man mittlerweile wissen könnte, dass dort wirklich nicht nur an der Verbesserung der Welt gearbeitet wird. Natürlich ist Fortschritt notwendig, aber bitte mit Sinn und Verstand.
teleschau: Ist Elon Musk letztlich nur eine Projektionsfläche unseres eigenen Versagens?
Valerie Niehaus: Sein Aufstieg hat definitiv mit uns zu tun. Das wollen wir auch mit unserem satirischen Porträtfilm zeigen.
teleschau: Kann man mit den Mitteln der Satire andere Dinge herausarbeiten als mit einer klassischen Doku?
Valerie Niehaus: Wir können Dinge fühlbar machen. Indem wir uns zum Beispiel Fantasiepersonen ausdenken, die Fragen beantworten, die nie einer echten Person gestellt wurden. Wir arbeiten fiktional und satirisch, also mit Übertreibung. Dennoch sind wir faktenorientiert und alles, was wir behaupten, ist gut recherchiert. Satire hat trotzdem diesen spielerischen Aspekt. Im besten Fall ist Satire eine Vorausschau. Es wird klar, dass etwas kommen oder passieren wird. Vielleicht versteht man dadurch etwas früher ein System, das man bislang noch nicht so ganz durchschaut hatte.
"Fiktive Biografie mit starker Tendenz zur faktenbasierten Wahrheit"
teleschau: Welche Rollen werden wir in der Elon Musk-Biografie erleben?
Valerie Niehaus: Die Rollen wollen wir vorher nicht verraten. Natürlich handelt es sich um Menschen, die im Leben Musks eine wichtige Rolle gespielt haben dürften. Der Film ist eine fiktive Biografie mit starker Tendenz zur faktenbasierten Wahrheit.
teleschau: Wird es weitere Biografie-Filme aus der "heute-show"-Redaktion geben?
Valerie Niehaus: Es kann durchaus sein. Derzeit wissen wir es noch nicht. An der Musk-Idee haben wir seit Anfang des Jahres gearbeitet. Andere Kollegen aus dem "heute-show"-Umfeld verfolgten anderen Ideen, die nun zu sehen sind. Die Sommerpause ist bei der "heute-show" fast schon traditionell Spielwiesenzeit. Eine Zeit, in der wir Dinge ausprobieren. Es laufen ja auch Projekte von Martina Hill, Lutz van der Horst und Fabian Köster. Wir schauen gespannt darauf, was funktioniert und richtig gut geworden ist.
teleschau: Im letzten Jahr haben Sie "heute-show History" ausprobiert und sind mit einer Zeitmaschine in jene Momente gereist, als die Menschheit falsch abbog ...
Valerie Niehaus: Das werden nicht fortsetzen, aber weiter experimentieren und über neue Formate nachdenken. Es geht immer darum, mit der Sprache und Sichtweise der "heute-show", die bekannt und etabliert ist, auf gesellschaftliche Phänomene zu gucken. Mit dem Personal, das bei uns zum Stamm der Kreativen gehört. Ansonsten gibt es für den Sommer keine anderen Regeln.
"Alles hat seinen wichtigen Platz in meinem Leben"
teleschau: Wie wichtig ist es, dass sich Fernsehen immer wieder neu erfindet?
Valerie Niehaus: Ganz wichtig. Gerade in einer Zeit, da die Medien sich massiv und immer schneller verändern. Ich bin nach wie vor in der Jury des Deutschen Fernsehpreises, was ich total spannend finde. Weil man immer die Möglichkeit bekommt, sich mit neuen Ideen anderer Fernsehmacher auseinanderzusetzen.
teleschau: Wo wird man Sie demnächst sonst noch sehen?
Valerie Niehaus: Drei neue Filme meiner Reihe "Nächste Ausfahrt Glück" beim ZDF-"Herkino" sind abgedreht. Es wird auch weitergehen mit der Reihe. Damit bin ich jetzt erst mal bis Oktober beschäftigt. Außerdem arbeiten wir nach sechs Jahren Pause an einer neuen Staffel "Sketch History", was wir als Ensemble ganz toll finden. Alle Freunde des gepflegten albernen Humors dürfen sich freuen. Natürlich geht es dann auch mit der regulären "heute-show" weiter. Ich versuche, an Leben und Gesellschaft teilzunehmen - das macht mich glücklich. Ob es nun meine Engagements für die UNO-Flüchtlingshilfe und die Kindernothilfe sind, ein dramatischer Film oder alberne Unterhaltung - alles hat seinen wichtigen Platz in meinem Leben.