Chris Martin: "Beyoncé ist ein Geschenk Gottes"
Schönes, buntes Mumbai: Als Coldplay das Video zur neuen Single vorstellten, passte das manchen Fans gar nicht. Im Interview spricht Frontmann Chris Martin über Kritik und Wertschätzung und kommt schon mal ins Schwärmen, wenn es um Kollegin Beyoncé geht.
Coldplays neue Single "Hymn for the Weekend" klingt verhältnismäßig fröhlich. Im Musikvideo läuft ein sorglos anmutender Chris Martin (39) mit Kindern durch die bunten Straßen Mumbais, Kollegin Beyoncé (34) tanzt als indische Bollywood-Schönheit im Fernsehen. Das ist doch neu und ungewohnt für eine Band wie Coldplay, deren Songs früher von Melancholie und Herz-Schmerz lebten. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht Frontmann Martin über die Kritik an dem Video, schwärmt von Kollegin Beyoncé und erklärt den Stimmungswandel der neuen Coldplay-Platte.
Das Video zum Song "Hymn for the Weekend", spielt in Indien. Wie hat Ihnen Mumbai gefallen?
Chris Martin: Die Stadt ist unglaublich farbenfroh. Und sehr groß, ich habe nur einen kleinen Teil davon gesehen. Ich denke, man könnte dort Hundert Jahre lang leben und immer noch nicht alle Orte kennen. Die Leute, die ich getroffen habe, waren sehr freundlich. Mein Eindruck war, dass hier wahnsinnig viele unterschiedliche Menschen und Orte in einer Stadt zusammenkommen. Es ist überwältigend, aber sehr schön - und verrückt.
Farbenfroh? Haben Sie die Stadt deshalb als Drehort gewählt?
Martin: Ja, absolut. Aber ich denke, wir haben auch einfach einen Grund gesucht, um nach Indien zu reisen. Wir waren versessen darauf, endlich einmal hinzufahren. Im Herbst wollen wir dort auch auf einem Festival spielen.
Manche Fans haben Sie für das Video kritisiert. Es würde zu viele Stereotypen enthalten und nur eine Seite des Landes zeigen...
Martin: Wissen Sie, wir werden für fast alles kritisiert, was wir tun. Es macht mir nichts aus, ich begrüße die Kritik. Jeder darf seine eigene Meinung haben. Manche Menschen mögen unsere Songs nicht, manchen gefällt das Video nicht. Wir haben versucht, uns um jeden in dem Video zu bemühen. Wir haben alle Menschen angemessen behandelt und Einheimischen Arbeit gegeben. Wir haben in dieser Hinsicht unser Bestes gegeben - falls wir etwas falsch gemacht haben, dann entschuldige ich mich bei diesen Menschen.
Haben Sie auch die ärmeren Orte der Stadt und des Landes gesehen?
Martin: Das meiste, was ich gesehen habe, ist tatsächlich auch im Video zu sehen - ein Fischerhafen, einen Marktplatz oder die Rückbank eines Taxis. Ich bin aber auch auf eine kleine Insel gefahren, eine Stunde von Mumbai entfernt, Elephanta. Dort fahren keine Autos, es gibt nur Affen und Höhlen, die vor Hunderten von Jahren von den Mönchen dort gebaut wurden. Aber dann war da dieses eine Kind, ein Junge, der Souvenirs verkaufte. Und er trug ein Coldplay-T-Shirt. Ich habe darauf gezeigt und gesagt: "Oh, das bin ich! Danke!" Aber der Junge schaute mich nur fragend an - nach dem Motto: Was verdammt redest du da?! Das war wirklich lustig. Er wusste nicht, wer ich bin und dachte, ich spinne.
Den Song haben Sie gemeinsam mit Beyoncé aufgenommen. Wie war es, mit ihr zu arbeiten?
Martin: Sie ist ein Geschenk Gottes auf diesem Planeten. Es war sehr besonders mit ihr. Ich habe wirklich Glück, denn manchmal kann ich diese Leute bei der Arbeit beobachten, ohne das ganze Licht und Make-up, nur den Menschen eben. Wenn du so nah an Beyoncé dran bist und sie dann singen hörst - das ist einfach phänomenal, richtig packend. Sie besitzt so viel Hingabe und Talent. Und ist so anders, als das, was wir machen.
Inwiefern?
Martin: Sie macht viel R'n'B, sie ist eine ganz andere Künstlerin als wir. Aber ich denke, wir versuchen alle gerade zu zeigen, dass wir zur selben Familie gehören. Es macht keinen Unterschied, welche Musik man macht oder woher man kommt.
Ist das etwas, dass Sie auch mit Ihrer Musik transportieren wollen?
Martin: So sehe ich einfach die Welt. Es gibt gerade so viele schreckliche Nachrichten - es geht um Aggressionen und Aufteilung. Das ist nicht, was ich fühle.
Mit Beyoncé sind Sie während der Halbzeit-Show des Super Bowls aufgetreten. Auch dort ging es um dieses Thema. Waren Sie aufgeregt?
Martin: Der Super Bowl ist für jeden Künstler ein riesengroßer Moment. Wir haben uns entschieden, nicht nur Coldplay-Musik zu liefern, sondern diese Botschaft rüber zu bringen.
Nach dem Super Bowl sprach die Welt über Beyoncé und ihre politische Botschaft an diesem Tag. Hat sie überzeugt?
Martin: Ja, ich war wirklich stolz. Was sie sagen wollte, halte ich für sehr wichtig. Offensichtlich können wir das nicht, ich meine, wir sind nur vier Männer aus England. Aber was wir konnten, war, sie dabei zu unterstützen. Meiner Meinung nach geht es in ihrem Song ["Formation"] um die Geschlechter und starke Frauen.
Ihr neues Album "A Head Full of Dreams, ist um einiges fröhlicher als das vorherige. Warum?
Martin: Es geht darum, eine neue Perspektive auf die Dinge zu bekommen. Nach "Ghost Stories" wollten wir etwas Farbenfrohes machen, den Blickwinkel ändern. Es geht darum, wie man mit den eigenen Herausforderungen im Leben umgeht. Man sollte sich nicht von Pessimismus überwältigen lassen und die Dinge positiver sehen.
Sie haben vor kurzem in einem Interview gesagt, dass es wichtig sei, sich selbst negative und depressive Gedanken zu erlauben.
Martin: Ja, das stimmt. Damit meine ich, dass wir alle lernen müssen, bestimmte Dinge zu akzeptieren. Man ist, wer man ist. Und sollte versuchen, vor seinen negativen Gefühlen nicht wegzulaufen. Und darauf vertrauen, dass dieser Punkt, an dem man gerade steht, dort ist, wo man im Moment sein soll. Manchmal ist das natürlich sehr schwer.
Reden Sie davon, eine Art Nutzen daraus zu ziehen?
Martin: Ich wünsche das wirklich niemandem. Aber es gibt Möglichkeiten, mit solchen Gedanken zurecht zu kommen. Manche Schriftsteller bieten einem da zum Beispiel gute Perspektiven.
Kennen Sie diese schlechten Momente selbst, denen Sie etwas Positives abgewinnen konnten?
Martin: Da gab es viele. Gerade jetzt bin ich sehr dankbar für so Vieles. Zum Beispiel für meine Kinder oder die Band, ich habe Glück. Und ich habe ja keine besonders schweren Herausforderungen durchlebt. Ein Buch von einem Typen namens Viktor Frankl hat mir sehr geholfen, "...trotzdem Ja zum Leben sagen" [Anm. der Red.: Der Autor war ein jüdischer Psychologe, der seine Erfahrungen aus dem Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs aufschrieb]. Er hat eine interessante Sichtweise auf das Leben. Ich dachte mir: Wenn dieser Mensch nach allem, was er erlebt hat, solch ein Buch schreiben und das Leben so sehen kann - dann muss ich dringend meine Perspektive ändern.