Dieter Thomas Heck: Das Maschinengewehr der leichten Muse
Er hat das deutsche Fernsehen jahrzehntelang geprägt: Dieter Thomas Heck. Seit seinem Rückzug aus dem TV-Geschäft genießt der heute 80-Jährige seinen Ruhestand.
Es ist ruhig geworden um Dieter Thomas Heck. Das passt eigentlich überhaupt nicht zu ihm, denn wo Heck stand, sprach oder sang, war stets Remmidemmi. Nun herrscht Stille, wo immer man den Wortkaskaden des Dieter Thomas Heck nachlauschen will. Das mag auch am Alter liegen. Diesen Freitag (29.12.) wird er 80.
Einst - es scheint Lichtjahre her zu sein - war er einer der Großen des deutschen Showbiz, jener urdeutschen TV-Unterhaltung, die den jüngeren Konsumenten viel zu bieder, zu seicht und unbeholfen, einfach zu Deutsch vorkam. Dieter Thomas Heck war der herausragende Vertreter dieses Genre. Ein Maschinengewehr der leichten Muse.
Radio-Moderator bei Radio Luxemburg, der Europawelle Saar, dann 1969 der große Schritt: Er präsentierte die "ZDF-Hitparade" (bis 1984). Seine weiteren Unterhaltungsformate sind mittlerweile ZDF-Geschichte: "4 gegen 4" (1971-1973), "Die Pyramide" (1979-1994), "Schwarz auf Weiß, Ihr Einsatz bitte - Made in Germany" (1987-1988), "Musik liegt in der Luft" (1991-1998), "Das ist ihr Leben" (1994-1996), "Das große Los" (1996-2000), "Showpalast" (1999-2000), "Das Sommer-Hitfestival" (1999-2007), "Melodien für Millionen" (1985-2007). Dazwischen einmalige Shows, Galas und Benefiz-Sendungen, stets beim ZDF.
Am 18. November 2007 gab Heck nach 38 Jahren und genau elf Monaten seinen Rücktritt von der Bühne bekannt und verabschiedete sich von seinem Publikum.
"Ein Kritiker ist für mich wie ein Eunuch"
Die Kritik war ihm in dieser Erfolgszeit nicht besonders wohl gesonnen. "Hitparaden-Quasselstrippe" lautete noch das mildeste der (Vor-)Urteile. Der Autor Christoph Scheuring höhnte 1995 im "Spiegel Special TV total": "Dieses gefönte, über Lockenwickler gedrehte Silberhaar. Diese ewig gebleckten Zähne. Das tonnenschwere Zuhälter-Armband. Die runde Colani-Brille. Eine Kleidung, die immer maßgeschneidert, aber nie maßvoll ist. Und dazu diese brachiale Stimme, die jeden Zwischenton niederwalzt. Jede Geste gerät ihm zu groß, jeder Lacher zu laut, und auch die Souveränität ist meist demonstrativ und aufdringlich und ein klein wenig peinlich."
Es gab das Vorurteil vom aufdringlichen, präpotenten Dieter Thomas Heck. Kein Wunder, dass der Star-Moderator nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber seinen moralischen Richtern machte. "Ein Kritiker ist für mich wie ein Eunuch. Er weiß, wie es geht, aber er kann es nicht", sagte er 2011 der "Frankfurter Rundschau".
Kleine Spitzen gegen die Kollegen
Gleichwohl verschonte er Kollegen nicht mit Kritik, schließlich hat er stets gewusst, wie es geht - und er hat es ja auch gekonnt. In dem Buch "Dieter Thomas Heck - Die Biografie" heißt es über Rudi Carrell (1934-2006): "Er bekam sein Verdienstkreuz viel später als ich, war darüber richtig sauer und meinte: 'Wenn Dieter Thomas Heck so 'n Ding bekommt, hab ich sicher ein Recht darauf.' Carrell sah sich als das Maß aller Dinge." Über Thomas Gottschalk (67) mutmaßte er: "Als er einmal mit blond gefärbten Haaren und schwarzem Bart auftauchte, hätte ihm jemand sagen sollen, dass das einfach nicht so gut aussieht. Ich glaube, dass Thommy Probleme mit dem Älterwerden hat."
Im gleichen Buch berichtet Heck von der Alkoholsucht seiner ersten Frau Edda, sie starb 2000. Während er auf der Bühne sein Publikum unterhielt, saß Edda demnach meist im Hotelzimmer und trank. Er hat es auch aus dieser Lebenskrise geschafft. Mit einer Beharrlichkeit, die wohl zu den herausragenden Merkmalen des Dieter Thomas Heck gehört.
Beharrlichkeit als Grundstein seiner Karriere
Diese Beharrlichkeit ist der Grundstein seiner Karriere. Der Enkelsohn des Generalleutnants und Diplomaten Carl Gustav zu Ysenburg und Büdingen (1875-1941) - Vater Nils Heckscher wurde als unehelicher Sohn des Aristokraten aus der hessischen Fürstendynastie geboren - wurde im Zweiten Weltkrieg als fünfjähriges Kind bei einem Bombenangriff auf Hamburg im Keller verschüttet. Das Drama führte zu einem Stotter-Trauma, das er erst mit einer Gesangsausbildung bewältigen konnte.
Vor seiner Laufbahn als Entertainer - Moderator, Schlagersänger, Schauspieler ("Tatort" etc.), Produzent - hatte er nach der technischen Oberschule einen bürgerlichen Beruf von der Pike auf gelernt, als technischer Kaufmann bei der Hamburger Borgward-Vertretung. Dort avancierte er zu einem der erfolgreichsten Autoverkäufer.
Doch die Bühne lockte zu stark, er wollte Sänger werden. In einem Interview mit dem Onlineportal des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag verriet er einst: "Ich wollte ja mal Klassik singen und habe Gesang studiert. Als ich 1959 das erste Mal bei Peter Frankenfeld im Fernsehen aufgetreten bin, flog ich bei meiner Lehrerin raus. Sie sagte: Ich wollte einen Fischer-Dieskau aus Ihnen machen! Was machen Sie? Singen da so eine Trallala-Nummer bei diesem Frankenstein! Da war die klassische Karriere zu Ende. Mir war aber immer klar, ich würde kein Fischer-Dieskau werden. Ich wusste immer, für einen Schlagersänger habe ich eine gute Ausbildung."
1961 sang er in der Vorentscheidung des Grand Prix Eurovision de la Chanson. Um seine Gesangskarriere zu forcieren, wechselte er für ein Monatsgehalt von 400 Mark zu einem Plattenverlag. Bei einem Besuch des Südwestfunks war er bei einem Radio-Gespräch derart überzeugend, dass man ihm ein Angebot als Radio-Moderator machte.
"Discjockey ohne Namen"
Bis dahin hieß er noch Carl-Dieter Heckscher. Als er 1965 zu Radio Luxemburg wechselte, kam erste Kritik an seinem bürgerlichen Namen auf. Bei dem Sender war es üblich, dass sich die Moderatoren mit ihrem Vornamen präsentierten. Einen Charly gab es schon, einen Dieter ebenfalls. So kam Heck auf die geniale Marketingidee, die Jugendzeitschrift "Bravo" einzuschalten. Das Blatt startete einen Leseraufruf unter der Überschrift "Discjockey ohne Namen". Die meisten Leser wünschten sich einen Thomas. Also bastelte sich der junge Heckscher den Karrierenamen Dieter Thomas Heck zusammen.
Es war eine Laune des Schicksals, dass sich bei ihm ausgerechnet der bekannte Radio- und TV-Regisseur Truck Branss (1926-2005) meldete und zu einer Fernsehkarriere überredete. Truck Branss hieß eigentlich Kurt Branss, der Truck entstand beim Rückwärtslesen des Vornamens, dem man dann zwecks Optik noch ein "C" hinzugefügt hatte.
Dass Dieter Thomas Heck, dieser Vormann der leichten Muse, um ein Haar Opfer eines Anschlags geworden wäre, mutet an wie ein Treppenwitz. In seinen Memoiren schildert Heck den Angriff von 1978 so: "Da blitzt etwas auf - eine große hellgrüne Spritze! Mit voller Wucht schleudere ich dem Kerl mein Mikrofon ins Gesicht, er prallt zurück, Blumenstrauß und Spritze fallen ihm aus der Hand. Aus dem Polizeilabor verlautete, dass sich in der Spritze hoch konzentrierte Nikotin-Aminsäure befand - und zwar eine tödliche Dosis."
Seine große Liebe "Hildchen"
Nach der Scheidung von Edda (1974), mit der er zwei Söhne hat, heiratete er zwei Jahre später Ragnhild Möller. Er nennt sie liebevoll "Hildchen". Das Paar hat eine Tochter und lebte 23 Jahre lang standesgemäß auf Schloss Aubach im badischen Lauf mit Blick auf die Rheinebene. Dann erkrankte Ragnhild. "Als der Arzt sie 2007 zu sich bat, ahnte sie nichts Böses. Das Bild war interessant: eine Sonne mit vielen Strahlen. 'Das sieht aber schön aus', meinte sie. Der Arzt blickte sie mitfühlend an. 'Liebe Frau Heck, das, was Sie da sehen, ist ein Tumor. Sie haben Brustkrebs.' Auf dem Heimweg überdachten wir noch einmal alle Argumente. Dann sagte sie zu mir: 'Schatz, ich hänge mehr am Leben als an einer Brust. Ich werde sie abnehmen lassen'", so beschreibt es Dieter Thomas Heck in seiner Biografie.
2009 siedelten die Hecks um nach Spanien, sie haben ein Haus im spanischen Küstenort Águilas. Sein Leben als TV-Rentner hat er einmal mit einem Satz seines Kollegen und Freundes Joachim "Blacky" Fuchsberger (1927-2014) beschrieben, so heißt auch eines seiner Bücher: "Altwerden ist nichts für Feiglinge".