Fatoni: "Es ist natürlich nicht cool, in einer Castingshow zu sitzen"
Fatoni hat sich den selbstbewussten jungen Picasso zum Vorbild genommen und will als Rapper hoch hinaus - ohne dabei seine Ideale zu verraten. Ein Interview über Rapper in Castingshows, Kunstgeschichte und die Flüchtlingskrise auf Lesbos.
Der Münchner Rapper Fatoni (30, "Kann nicht reden ich esse") ist schon seit einigen Jahren in der Szene unterwegs, unter anderem gehörte er den Crews Creme Fresh und Moop Mama an. Nun will er richtig durchstarten und hat sich dafür auf "Yo, Picasso" mit Hit-Produzent Dexter (unter anderem für Caspar und Cro tätig) zusammengetan. Die Scheibe könnte auch wirklich der große Wurf werden - und das nicht nur wegen Dexters gewohnt brillanten Instrumentals. Fatoni präsentiert auf technisch hohem Niveau eine Mischung aus sarkastischem Humor, Selbst- und Sozialkritik, die im Deutschrap nur selten zu finden ist. Die Nachrichtenagentur spot on news hat sich mit dem Rapper über Picasso, Rapper in Castingshows und schwierige Video-Dreharbeiten auf Lesbos unterhalten.
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Der Titel "Yo, Picasso" und das Cover zitieren ein berühmtes Gemälde des Künstlers. Warum haben Sie sich für dieses Motiv entschieden?
Fatoni: Auf der Suche nach einem Albumtitel lief uns irgendwie "Yo, Picasso" ("Ich, Picasso") über den Weg, das ist ein Gemälde, das Picasso mit 19 gemalt hat. Da ist erstens ein "Yo" drin, und "Yo" ist immer gut bei Hip-Hop. Außerdem wurde das Bild für 48 Millionen Dollar versteigert - und unser Album ist genauso viel Wert! Aber natürlich gibt es da noch weitere Ebenen.
Zum Beispiel?
Fatoni: Das Bild gilt als Picassos Eintreten in die Kunstwelt. Da war er noch nicht so bekannt und hat noch einen anderen Stil gemacht, aber es ist das erste Bild, das er mit "Picasso" unterschrieben hat. Es ist ein Selbstporträt, er guckt sehr selbstsicher und das ist die Geburtsstunde von Picasso. Und auch das Album geht etwas in die Richtung: "Jetzt komm ich und übernehme den Musikmarkt". Und Picasso hat das eben mit 19 gemalt und seinen Stil, mit dem er dann weltberühmt wurde, hat er erst mit 30 gefunden. Und ich war auch schon mit 19 da und jetzt bin ich 30 und das ist jetzt der Stil, den ich für mich gefunden habe.
Sie waren bis vor Kurzem hauptberuflich Schauspieler am Augsburger Stadttheater. Das haben Sie nun zugunsten der Musik aufgegeben?
Fatoni: Ja, ich will das jetzt erstmal durchziehen. So ein Festengagement am Theater ist ja sowieso nicht für immer, ob ich das jetzt beende oder ob ich ein Jahr oder zwei länger bleibe, ist dann auch egal. Ich wollte das jetzt endlich mal durchziehen mit der Musik, und es ging nicht beides parallel. Im Theater stehe ich ja ständig auf der Bühne, das ist ein Vollzeitjob.
In ihrer ersten Auskopplung "Benjamin Button" geht es um Rapper, die - im Gegensatz zu Ihnen - "langsam peinlich" werden. Dazu gehören für Sie auch Kollegen, die Castingshow-Juroren werden. Was ist daran so schlimm?
Fatoni: Das ist natürlich alles subjektiv, aber diese Leute standen für eine Antihaltung, jeder auf seine Art und Weise. Die standen halt nicht dafür, komplett im Mainstream zu stehen und in einer Castingshow zu sitzen. Ich verstehe das auch irgendwie, die Leute entwickeln sich und sind dann prominent und so, und die müssen auch Geld machen. Aber es ist natürlich nicht cool, in einer Castingshow zu sitzen, da gibt's auch keine andere Betrachtungsweise. Es ist auch nicht cool, in einer McDonald's-Werbung mitzumachen. Natürlich hat jeder seine Beweggründe, aber niemand kann das schönreden, das ist einfach lächerlich.
In dem sarkastischen "32 Grad" thematisieren Sie die Flüchtlingskrise. Warum haben Sie den Clip dazu eigentlich auf Lesbos gedreht und nicht auf Lampedusa, das im Text erwähnt wird?
Fatoni: Nach Lampedusa kommt man gar nicht so leicht, das ist alles noch viel teurer und anstrengender. Außerdem hat sich die Krise ja gerade durch den Syrienkrieg nach Lesbos verlegt. Den Text habe ich absurderweise auf Lesbos geschrieben, als ich dort vor über einem Jahr im Urlaub war. Da war noch gar nichts, und dieses Jahr bin ich an denselben Ort zurückgekehrt und da war alles voller Flüchtlinge.
War es schwierig, vor diesem Hintergrund für den Clip einen feiernden Urlauber zu spielen?
Fatoni: Ja, das war ekelhaft, das war nicht so leicht für mich. Andererseits, wenn man wirklich sieht, was da los ist, ist sowas das geringste Problem. Also seitdem ich da war, sehe ich das alles nochmal ein bisschen anders. Zum Beispiel, wenn die Leute aus dem Boot springen, kommen Leute von der Insel und klauen die Motoren. Aber das kann man auch nicht unbedingt so negativ bewerten, denn da kümmert sich sonst niemand drum. Das ist zwar nicht legal, aber sonst bleiben die da liegen. Es ist alles so verrückt dort und da sind so viele Journalisten, die auch im Endeffekt das Gleiche gemacht haben wie wir, nur in einem anderen Rahmen, der meiner Meinung nach auch nicht besser ist oder schlechter.
Inwiefern?
Fatoni: Die fliegen da auch mit Drohnen über die Boote und machen Fotos und verkaufen die dann, wir haben das halt für unsere Kunst genutzt. Da sind Fotografen, die warten nur darauf, bis Kinder weinen. Und das Verrückte ist ja, es ist nicht alles so schrecklich. Die Menschen sind erstmal total glücklich und machen Selfies. Und natürlich weint dann irgendwann mal ein Kind, weil einfach viele Menschen da sind und viel los ist. Und da hält dann der Fotograf drauf und das kommt dann in die Zeitung in Deutschland, weil wir solche Bilder sehen wollen und sich sowas gut verkauft. Aber das ist alles gar nicht so krass, den Leuten geht's erstmal gut. Die wissen auch gar nicht, was auf sie zukommt und denken halt, jetzt sind sie im gelobten Land.