Jan Böhmermann: Rückendeckung von allen Seiten

Eine breite Front an Kollegen und Politikern stellen sich in der Affäre um das "Schmähgedicht" auf die Seite von Jan Böhmermann. Der Tenor: Über Geschmack kann man trefflich streiten, nicht aber über die Freiheit.
Jan Böhmermann (35) und sein "Schmähgedicht" über den türkischen Präsidenten Recep Erdogan (62): Kaum ein Thema beherrscht die Medien in diesen Tagen so sehr, wie die Satire des ZDF-Moderators und die politischen Reaktionen darauf. Zahlreiche Kollegen von Böhmermann schlagen sich auf seine Seite und auch Politiker finden teilweise deutliche Worte. Der einhellige Tenor: Über Geschmack lässt sich streiten, nicht aber über die Kunstfreiheit in Deutschland. Ein Überblick.
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Moderator Oliver Welke (49, "heute show") meldete sich in der "Bild"-Zeitung mit deutlichen Worten. Zu einem Fall Böhmermann sei es erst geworden, als sich die Kanzlerin dazu zitieren ließ: "Ein großer Fehler, der ihr hoffentlich leidtut." Es werfe ein schlimmes Licht auf die Prioritäten von Frau Merkel und auch über ihr Verhältnis zu den Grundrechten. Er könne sich vorstellen, dass Böhmermann seine Grenzen ausloten wollte. Das sei legitim: "In dem Fall hat sich ausschließlich die Kanzlerin schlecht verhalten."
Tödlicher Stich ins Herz der Redefreiheit?
Ein anderer Kollege, der Komiker Oliver Kalkofe (50, "Kalkofes Mattscheib"), schlägt auf seinem Facebook-Account in eine ähnliche Kerbe: "Diese ganze vollkommen absurde Staatsaffäre um die kleine poetische Verbal-Entgleisung das dünnen blassen Jungen weitet sich gerade zu einer der bizarrsten, erschreckendsten und für unsere Meinungs- und Redefreiheit auch gefährlichsten Diskussionen seit langem aus." Die Reaktion des ZDF und von Merkel seien "der tödliche Stich ins Herz der Satire und Redefreiheit".
Der Kult-Kabarettist Dieter Hallervorden (80, "Sein letztes Rennen") veröffentlichte zum einen seinen Solidaritätssong "Erdogan, zeig mich an!" und erklärte darüber hinaus auch seine Beweggründe im "rbb": "Wir leben in einem Land, in dem noch Meinungsfreiheit herrscht. Und wenn man eine politische Überzeugung hat, dann sollte man die auch äußern." Er fände, es stünde einem ausländischen Staatsoberhaupt nicht zu, zu bestimmen, wie weit die Satire in Deutschland zu gehen hat: "Das sollten wir selbst bestimmen dürfen."
Auch die Politik mischt sich ein
Sogar der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis sprang Böhmermann auf Twitter zur Seite: "Zunächst hat Europa dank des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei seine Seele verloren, jetzt verliert es gerade seinen Humor." Man solle gefälligst die Finger von Jan Böhmermann lassen. Auch die Fraktionschefin der Partei Die Linke, Sahra Wagenknecht schießt scharf in Richtung Angela Merkel. Es sei in ihren Augen unerträglich, dass die Bundesregierung sich ständig durch Ankara erpressen ließe.
Außerdem forderte sie Merkel auf, der geforderten Verfolgung von Böhmermann "eine klare Absage" zu erteilen. Auch der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann schlägt sich im Gespräch mit dem Nachrichtensender "n-tv" auf die Seite von Böhmermann. Er fände es unmöglich, dass die türkische Regierung massiv interveniert und in Deutschland die Strafjustiz aufmarschieren sehen möchte. Man solle sich das nicht bieten lassen.
Auch der Grünen-Chef Cem Özdemir forderte in einem Interview mit der "Rheinischen Post" die Bundesregierung zu einer Demonstration der Meinungsfreiheit auf. Man habe sich selbst in dem Fall Böhmermann "in eine peinliche Lage manövriert". Man könne sich über Geschmack und Geschmacklosigkeit trefflich streiten, nicht aber über die Presse- und Meinungsfreiheit.