Poetisches "Tatort"-Intro: Was machen eigentlich Tocotronic?

Der "Tatort" am vergangenen Sonntag hat Tocotronic wieder ins Mainstream-Gedächtnis gerufen. Und obwohl sie nie weg waren, fragen sich dennoch viele: Was macht eigentlich die Hamburger Indie-Band?
Die Anfangsszene des Bremer "Tatort" sorgte bei vielen Zuschauern am vergangenen Sonntag für Gänsehaut. Zu den Klängen von "Ich öffne mich" (2015) der Hamburger Indie-Rock-Poeten "Tocotronic" wäscht jemand sein Auto, später stellt sich heraus: Er ist ein Killer. Selten passte ein Song so sehr zum Thema eines Films und selten wurde ein Song so oft in den Kritiken erwähnt - davor und danach.
Unweigerlich schießt einem sofort die Frage in den Kopf: Was macht eigentlich die Band, die schon 1996 keinen Bock auf den Musik-Preis "Comet" in der Kategorie "Jung, Deutsch und auf dem Weg nach oben" hatte? Was machen Tocotronic? Zwar ist der große Hype um eine der am meist gefeierten deutschen Rock-Bands der 90er sehr abgeflacht, doch sie waren nie weg! Und: Die Musiker sind auch noch recht fleißig.
Stetiger Erfolg
Spätestens, als sich die Band um Sänger Dirk von Lowtzow (45) auf ihrem selbst betitelten fünften Album vom kauzigen Schrammel-Sound der Anfangstage verabschiedete und ihre Musik vielmehr als Kunst verstanden, verabschiedeten sich zwar auch die Fans der ersten Stunde, doch der neue Sound war nicht weniger erfolgreich. In regelmäßigen Abschnitten veröffentlichte die Band Album um Album und landete jedes Mal auf dem Chart-Treppchen. Das neunte Studio-Werk schaffte es gar bis ganz nach oben.
Das letzte und aktuelle Album, auch bekannt als "Das rote Album", von dem auch "Ich öffne mich" stammt, reihte sich ebenfalls brav in diese Reihe ein und hielt sich sechs Wochen auf Platz drei der Charts. Und: Es ist nicht das erste Mal, dass Sänger, Gitarrist und Tocotronic-Haupt-Songwriter von Lowtzow einen Film-Soundtrack beigesteuert hat. Mit der befreundeten Berliner Punk-Band Beatsteaks ("Living Targets") war er im Abspann der Verfilmung des Kultromans von Wolfgang Herrndorf "Tschick" (2016) zu hören.
Irgendwas mit Kunst
Und auch sonst ist der 45-Jährige viel beschäftigt. So betreibt er seit 2001 bereits sein Nebenprojekt Phantom/Ghost ("Pardon my English") und veröffentlichte im Jahr 2011 das Solo-Album "Tod in Theben". Bald, am 31. März 2017, wird er zudem eine weitere Band der Öffentlichkeit präsentieren: mESMO. Hinzu kommen unzählige kleinere Gastauftritte bei weiteren Bands wie Frittenbude oder Blumfeld.
Doch das ist bei Weitem nicht alles: Der Sänger hat bei einigen Hörbüchern sowohl als Autor, als auch als Sprecher mitgewirkt, spielte im Satire-Science-Fiction-Spielfilm "Anhedonia - Narzissmus als Narkose" seine erste Rolle und verfasst seit 1999 regelmäßig Stücke im Periodikum "Texte zur Kunst".
Der Rest der Band Jan Müller (Bass), Arne Zank (Schlagzeug, Keyboard) und Rick McPhail (Keyboard, Gitarre) ist auch nicht untätig und wirkt in rund einem Dutzend weiteren Bands mit, die allerdings eher im Underground zu verorten sind.