Wiener Opernball: Im Glanz der großen Nullen

Walzer, Prunk und Skandale: Der Wiener Opernball ist das wichtigste Society-Event der österreichischen Hauptstadt. Daran konnte auch ein Richard Lugner mit seinen oftmals fragwürdigen Promi-Gästen bisher nichts ändern.
Der Wiener Satriker Karl Kraus (1874-1936, "Die letzten Tage der Menschheit") hat über seine Heimatstadt gesagt: "In Wien stellen sich die Nullen vor die Einser." Es ist nicht auszuschließen, dass er damit auch einige Besucher des Opernballs gemeint hat, obwohl seinerzeit ein ausgewiesener Opernball-Löwe wie Richard Lugner (83) noch nicht existiert hat.
Es geht um die Besetzung des exklusivsten Society-Events im deutschsprachigen Raum, und da möchte man schon einiges erwarten. Die charmante Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh (51) hat einmal auf die Frage, wer denn ihr Traum-Opernball-Gast sei, geantwortet: "Ich würde sagen, Herzogin Kate. Die würde mir gut gefallen für den Opernball. Wenn ich mir einen Gast wünschen könnte, dann wäre es so jemand: Jung, aber doch mit Stil. Der das Moderne verkörpert, aber doch das Traditionelle nicht verlassen hat."
Helena Fürst statt echten Fürsten
Kate (34) kommt aber nicht, auch nicht ihr Gemahl Prinz William (33). Der Hochadel und die gekrönten Häupter haben sich rar gemacht beim Wiener Opernball. Stattdessen kommt eine gewisse Helena Fürst (41), eine deutsche TV-Anwältin, die unlängst in den Niederungen des RTL-Dschungelcamps eine eindrucksvolle Rolle als First Zicke abgeliefert hat.
Frau Fürst ist ebenso wie Ex-Baywatch-Nixe Pamela Anderson (48) Gast des Designers und Ich-Darstellers Florian Wess, einem früheren Lover des Schauspielers Helmut Berger. Eigentlich hatte der betagte französische Schauspieler Alain Delon (80) zugesagt, er musste allerdings nach einem Schwächeanfall überraschend absagen. Sein Sohn Anthony Delon (51) wird ihn vertreten. Pamela Anderson wurde überraschend ebenfalls noch eingeladen. Die Wess-Herren - neben Florian sind das Vater Arnold Wess und Onkel Oscar Wess - sind in einschlägigen Kreisen auch als "Botox Boys" bekannt. Das konnte ein Karl Kraus beim besten Willen nicht voraussehen - einen Richard Lugner schon eher, denn der war in Kraus' Todesjahr 1936 immerhin drei Jahre alt.
Richard Lugners Parade der Promi-Ladies
Heute ist Herr Lugner ein bedeutender österreichischer Bauunternehmer, weswegen er in Wien "Baumeister" oder "Mörtel" genannt wird. Der greise Herr, dessen Mund stets ein kindliches Lächeln umspielt, umgibt sich gern mit jungen Damen aus der Welt des Film- und Showbiz. In den vergangenen Jahren brachte er - gegen stattliche Honorierung - Berühmtheiten mit beachtlicher Oberweite wie Dita von Teese, Kim Kardashian, Nadja Abd el Farrag, Sophia Loren, Paris Hilton, Pamela Anderson oder Brigitte Nielsen mit.
Als 2011 die Berlusconi-Gespielin Ruby Rubacuori Gast des "alternden geilen Baumeisters" (Treichl-Stürgkh) war, glaubten viele, der gefühlte Tiefpunkt des guten Geschmacks sei nun erreicht. Seitdem wurde es deutlich besser. Am heutigen Abend wird "Mörtel" von der Schauspielerin Brooke Shields (50) begleitet. Man darf auf die Walzerbilder gespannt sein, denn die Amerikanerin überragt mit einer Körpergröße von 1,83 Meter den 83-Jährigen um Haupteslänge.
Ein gesellschaftlicher Höhepunkt
Doch das gilt als lustig, und man darf nicht vergessen, dass der Opernball der gesellschaftliche Höhepunkt der Faschingssaison in Österreichs Hauptstadt ist. Ganz Wien fiebert selig dem Ballrausch im Dreivierteltakt entgegen. Tatsächlich die ganze Stadt? Das zu behaupten, wäre in der Tat etwas übertrieben. Wien hat 1,7 Millionen Einwohner. Zum Opernball kommen aber nur maximal 6.000 Gäste, der große Rest bleibt an der frischen Luft, tut aber so, als würde er dazugehören.
Wer zum Opernball möchte, sollte über ein gut gefülltes Konto verfügen. Die Eintrittskarte kostet 390 Euro pro Person, dann hat man aber noch keinen Tisch: Der billigste hoch oben im 6. Stock kostet 270 Euro, will man dem Geschehen etwas näher sein, muss man für einen Tischanteil von zwei Personen 540 Euro zahlen. Ein Tisch für vier Personen kostet 1.070 Euro, für sechs 1.540 Euro. Das sind die Preise für das Fußvolk.
Wer was auf sich hält, mietet eine Loge. Ein Tisch kostet in einer Einzelloge 11.500 Euro, eine Doppelloge 20.500 Euro, ebenso viel eine Rangloge. Aber dann hat man noch keinen Bissen gegessen und keinen Schluck getrunken. Sekt gibt es ab 130 Euro die Flasche, Champagner - eigentlich das einzige adäquate Getränk - ab 260 Euro. Billiger sind die Austern: drei Stück für 15 Euro, und die heißen Würstchen, die in Wien keineswegs "Wiener", sondern "Frankfurter" heißen, werden einem für acht Euro praktisch hinterher geworfen. Auch Fast Food wie Gulaschsuppe und Sandwiches sind im Angebot, das ist freilich nur die Atzung für arme Schlucker. Snobs - und die, die es so gern wären - speisen deshalb vorher in benachbarten Hotels (Sacher, Imperial, Bristol) das Opernball-Menü ab 255 Euro pro Person.
Die Regeln auf dem Parkett
Ansonsten sind die Regeln einfach. Für die Damen sind lange, festliche Ballroben vorgeschrieben, für die Herren der Frack. Walzerkenntnisse sind dringend erwünscht. Den Ablauf von 19 Uhr abends bis zum Morgen um fünf Uhr kommentieren die ORF-Moderatoren Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz. Sie sitzen in einem klitzekleinen Kabuff, den Bildschirm vor den Augen, und bedenken die Stars und Sternchen mit launigen Bonmots. Wenn ihnen zu den Gästen nichts mehr einfällt, wird der Blumenschmuck zum Thema. Dann schwadroniert Wagner-Trenkwitz schon mal augenzwinkernd "von Samenständen bis zur Fortpflanzung, Blümchen und Bienen".
"Brüderlein fein", so klingt es dann zum Abschied am frühen Morgen. "Brüderlein fein, Brüderlein fein, musst mir ja nicht böse sein, musst nicht traurig sein." So geht's dahin - bis zum nächsten Jahr. Mörtel wird's richten, solange der Frack ihn aufrecht hält.