Darknet-Tatort aus Kiel: Die Sendung mit dem Klaus

Häh, Internet? Im Kieler Tatort "Borowski und das dunkle Netz" näher sich der Kommissar (Axel Milberg) der unbekannten Welt an. © NDR/Christine Schroeder
Das Darknet ist das finstere Hinterzimmer des Internet, hier gibt es Drogen, Waffen und Auftragskiller zu kaufen. Ein Tummelplatz für Groß- und Kleinkriminelle und damit ein reizvoller Tatort-Stoff. Nach mehreren ungelenken Andeutungen darf nun der Kieler Tatort als erster sich ganz dem dunklen Netz widmen – immerhin das einzige Team, das in Person von Sarah Brandt (Sibel Kekilli) über glaubwürdiges Hacker-Knowhow verfügt. Praktischerweise dient daneben Borowski (Axel Milberg) als Identifikationsfigur für das größtenteils recht alte und technik-fremde Tatort-Publikum.
Nach den etwas abgehobenen Fällen rund um künstliche Intelligenzen aus Stuttgart und Bremen nun endlich ein IT-Tatort mit deutlich mehr realem Bezug. "Borowski und das dunkle Netz" zieht einigermaßen geschickt Verbindungen zwischen dem Alltag der Zuschauer und der Krimi-Handlung. Teenager Julie Sternow (Philine Stappenbeck) kauft heimlich Gras im Darknet und gehört damit sicherlich zur harmloseren Kundschaft. Dramatischer wird es, wenn online angeheuerte Profi-Killer durch die Stadt ziehen und wie in einem Ego-Shooter Leute erschießen. So widerfährt es Julies Vater Jürgen Sternow – der gleichzeitig Leiter der Abteilung CyberCrime in Kiel war.
Der Verdacht liegt also nahe, dass einer der Darknet-Nutzer im Visier von Sternows Ermittlungen hinter dem Anschlag steckt. Brandt und Borowski stürzen sich in die Ermittlungen, kritisch beäugt vom knorrigen LKA-Leiter Eisenberg (Michael Rastl) und dem jungen Staatsanwalt Austerlitz (Jochen Hägele). Unterstützt werden sie von Sternows ehemaliger Abteilung – den beiden Bilderbuch-Hackern Cao (Yung Ngo) und Dennis (Mirco Kreibich).
Meint der Tatort das Ernst?
Dass Killer Hagen Melzer (Maximilian Brauer) hinter dem Mord steckt, weiß man da als Zuschauer schon längst, einzig die Strippenzieher im Hintergrund bleiben mysteriös. Die Flucht des merkwürdigen Todes-Männchens mit der Wolfsmaske kippt aber passend zu den Hacker-Karikaturen ins Absurde. In seinem Hotel bekommt er jedenfalls eine ganz besondere Behandlung von Empfangsdame Rosi (Svenja Hermuth), und auch mit Duct Tape weiß er umzugehen.
Das ist leider symptomatisch für " Borowski und das dunkle Netz": Der thriller-hafte Ansatz und der Wille, realistische Internet-Kriminalität im Tatort zu zeigen werden bald aufgegeben. Stattdessen gibt es einen Einführungskurs Cyber Crime für Leute, die sonst schon beim Einloggen in die Mailbox scheitern. Man fragt sich immer öfter "Meinen die das ernst?" und muss sich eingestehen "Offenbar ja…".
Tatort erklärt das Thema mittels Einspieler
In bester "Sendung mit der Maus"-Manier wird dem Zuschauer per animiertem (!) Einspieler (!!) das Darknet erklärt. Schön in kleinen Häppchen und mit einfachen Bildern – Stichwort Eisberg – damit nicht nur der kleine Zeichentrick-Borowski, sondern auch der beige gekleidete Tatort-Zuschauer es kapiert.
Während Sarah Brandt die angeblichen Profi-Hacker der Polizei links liegen lässt, kämpft Borowski mit seinem Smartphone und verliebt sich ein bisschen in Siri/Alexa-Verschnitt "Sabine". Aber ob das ein adäquater Ersatz für die ausgestiegene Sibel Kekilli alias Sarah Brandt wird?
"Borowski und das dunkle Netz" bleibt also ziemlich an der Oberfläche. Um das Darknet in seiner ganzen Komplexität abzubilden, ist der Tatort wohl nicht das richtige Format, doch nicht nur wir "Millenials" hätten uns wohl ein bisschen mehr Tiefe gewünscht. Das kann gerade der Kieler Tatort besser. Und Sibel Kekilli, die als Hackerin eigentlich in ihrem Element sein sollte, hätten wir einen besseren Ausstieg aus dem Tatort gewünscht.