"Hinter dem Spiegel": Polizisten sind auch nur Mörder
Traumpaar? Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) müssen sich im neuen Frankfurt-Tatort "Hinter dem Spiegel" erst zusammenraufen. © HR/Degeto/Bettina Müller
Dieser Moment im Frankfurt-Tatort "Hinter dem Spiegel", in dem der ungewaschen wirkende, aber dennoch mit allen Wassern gewaschene Sitten-Bulle der unbeholfenen und etwas trutschigen Kollegin ans Herz legt, doch mal "Cochones" zu zeigen – man möchte ihm sanft auf die Schulter tippen und sagen "Lass‘ mal lieber". Denn Anna Janneke (Margarita Broich) wird anschließend zu einer penetranten Nervensäge. Während ein Teil der Zuschauer die Figur abfeiert, geht Janneke vielen anderen gehörig auf den Keks – genauso wie ihren Kollegen und Vorgesetzten. Wenn sie dazu noch platte Sprüche schwingt ("Kennen Sie den Film 'One Hour Photo'? In einer Stunde will ich die Bilder auf dem Tisch haben!"), wirkt sie wie die schlechte Karikatur eine Hardboiled-Detektivs.
Cinematografisch sind in Frankfurt jedoch ansonsten echte Könner am Werk. "Hinter dem Spiegel" ist voll von Zitaten und Hommagen großer Werke, auch bei Look und Schnitt hat man sich an großen Vorbildern orientiert. Dass die Macher anstreben, einen wirklich neuen Tatort zu machen, zeigt sich auch an den Figuren. Auch wenn die Überladung der Charaktere, in diesem Fall Paul Brix (Wolfram Koch), arg übertrieben ist, orientieren sich die mehrschichtigen und nicht eindeutig guten oder bösen Charaktere an erfolgreichen US-Serien. Im nächsten Frankfurt-Tatort soll es übrigens um die Vergangenheit von Anna Janneke gehen…
Tolle Ansätze, zu viel Handlung
So weit, so gut. Die Geschichte, die man Paul Brix angedichtet hat und die in "Hinter dem Spiegel" erzählt wird, ist jedoch arg verworren und mit zu vielen Details gespickt. Die Verstrickung in dunkle Geschäfte der Sittenpolizei mag wichtig sein für den Charakter Brix (und wird in Zukunft sicherlich noch öfter herangezogen), sie ist jedoch wenig stringent erzählt. Das Geheimnis, das um die Schuld Brix‘ gegenüber Simon Finger (Dominique Horwitz) gemacht wird, trägt die Spannung nicht über 90 Minuten, man vergisst es zwischendurch fast. Vor allem, da mit Sittenchef Wolfgang Preiss (wie immer großartig aalglatt: Justus von Dohnanyi) ein sehr präsenter Gegenpol eingeführt wird. Die für viele verwirrende Handlung wurde auch bei Twitter teils heftig kritisiert.
Wenn sich das Frankfurter Team hoffentlich bald von der eigenen Vergangenheit abwenden und neuen Fällen zuwenden darf, könnte es uns in bester Steier/Mey-Tradition grandiose Fälle bescheren. Der zweite Tatort geht in die richtige Richtung: Brix hat mehr Profil, Chef Henning Riefenstahl (toll: Roeland Wiesnekker) ist entspannter geworden und das Team hat sich zusammengerauft. Jetzt muss nur noch Anna Janneke so sympathisch rüberkommen, wie die Darstellerin Margarita Broich in der anschließenden Tatort-Show des Hessischen Rundfunks.
Deutlich mehr Luft nach oben ist bei den Quoten: Nur 8,74 Millionen waren dabei, das sind 26% Marktanteil (14-49: 2,86 Mio.; 22,2%). Das sind sogar weniger Zuschauer als beim Schweizer Tatort in der vergangenen Woche, auch wenn der Marktanteil durchaus konkurrenzfähig ist. Ein Grund mehr, sich statt auf die Kommissare nun auf die Fälle zu konzentrieren. Denn ansonsten macht der HR mal wieder Vieles richtig am Tatort Frankfurt
Die besten Tweets zum Frankfurt-Tatort "Hinter dem Spiegel"
Es kristallisiert sich heraus: Die Tatort-Timeline ist gespalten. Die einen finden Anna Janneke toll, anderen geht die Kommissarin ziemlich auf die Nerven.
Dafür fährt Anna Janneke einen Porsche 924, und auch sonst ist Frankfurt automobilmäßig ganz vorne dabei!
Auch wenn es weh tut: Wir müssen reden. Über die Handlung. Davon gab es sehr viel. Fast zu viel für 90 Minuten.
...und am Ende wissen wir: Frankfurt ist ein Moloch, die Polizei ist verdorben, und der Frankfurter Tatort hat zwar viele gute Ansätze, aber durchaus auch noch ein paar Baustellen.