Köln-Tatort "Durchgedreht": Ich habe heute keine Currywurst für dich

Mit "Durchgedreht" aus Köln beendet der Tatort die Sommerpause. Freddy Schenk (Dietmar Bär), der Doc (Joe Bausch) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) suchen einen Familien-Mörder. © WDR/Martin Valentin Menke
Wenn Kinderleichen von Tatorten weggetragen werden, muss man als Elternteil immer ein bisschen schlucken und wirft sicherheitshalber nochmal einen Blick ins Kinderzimmer. Dafür hat man beim Köln-Tatort "Durchgedreht", der am Sonntag das Ende der Sommerpause und den Start der neuen Saison einläutet, auch ausreichend Zeit und Gelegenheit. Nach intensivem Auftakt plätschert die Handlung nämlich seicht vor sich hin, bevor die Story am Ende nochmal unerwartet Gas gibt.
Die Zutaten für "Durchgedreht" stammen allesamt aus dem Setzkasten für Krimi-Autoren: Frau und Sohn werden ermordet, Tochter Anna ist zufällig nicht in ihrem Zimmer und beobachtet den Mörder. Die Ehe war unglücklich, der Vater zur Tatzeit auf einer dubiosen "Fortbildung" im Frankfurter Bahnhofsviertel, die Tochter als einzige Zeugin ist schwer traumatisiert.
Wer könnte da besser reinpassen als die Kölner Menschlichkeits-Bolzen Schenk und Ballauf? Dieses Mal gibt Familienoberhaupt Freddy Schenk (Dietmar Bär) den verständnisvollen Part, während Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) Anna zum Jugendpsychologen schleifen und ausquetschen möchte. Als Single hat er da schließlich keine Gefühle zu haben. Und wer die beiden kennt, kann sich auch schon die Machart der Dialoge ausmalen, zudem werden Türen geknallt und einmal sogar – ein Affront sondergleichen! – die Currywurst verweigert.
Dennoch sind die Krimi-Bausteine von Autor Norbert Ehry häufig geschickt gewählt: Wir haben neben dem Vater einen bunten Strauß weiterer Verdächtiger mit den üblichen Motiven Liebe (Schwager der Toten), Geld (Schwester der Toten) und Rache ("Kunde" des Finanzbeamten-Witwers). Ballauf und Schenk fahren im ungewohnt dezenten SUV also kreuz und quer durch Köln, stellen Fragen und gucken ernst. Und immer, wenn es nicht weitergeht, ruft Assistent Tobias (Patrick Abozen) mit bahnbrechenden neuen Erkenntnissen an. Er ist somit quasi das menschliche Handy-Video.
Doch immer lauert die Angst, hinter den menschlichen Abgründen und Tragödien ploppt doch noch das "große" Thema auf. Wenn der "freie Journalist" (Haha) Winthir (Peter Benedict) in seiner Luxusvilla (Hahahaha) über das ach so ungerechte Steuersystem herzieht, sein neues Buch mit BND-Enthüllungen schwenkt und Max Ballauf das Ganze auch noch mit "Soooooo unrecht hat er gar nicht!" kommentiert, droht der Plot kurzzeitig abzurutschen. Hat etwa der BND den Zweijährigen und seine Mutter ermordet? Nein, es ist erst 21:15 Uhr, der Journalist ist zwar ein Unsympath, darf aber mitsamt seiner Bilder (Beutekunst?) abreisen.
Als die Lösung offensichtlich wird, kommt noch einmal unerwarteter Schwung in den Film: Der Mörder flüchtet samt Trauma-Tochter im Auto und liefert sich eine für den Tatort recht solide Verfolgungsjagd mit Freddy Schenk. Klar, Bullitt würde nur müde lächeln, doch der gemütliche Kölner Cop (der sich optisch übrigens immer weiter an "Doc" Joseph Roth annähert) hat so viel Einsatz seit "Freddy tanzt" nicht mehr gezeigt. Man erwischt sich dabei, das Ende von " Durchgedreht" spannend zu finden – und das Kind ist froh, dass es endlich in Ruhe schlafen kann.