Köln-Tatort "Nachbarn": Ein Fall der kurzen Wege

Tatort "Nachbarn" aus Köln: Wenn Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) anklopfen, steht Ärger vor der Tür. © WDR/Martin Menke
Nachbarschaft ist ein kurioses Konstrukt: Mehr oder weniger zufällig werden Menschen nebeneinander gepflanzt und teilen zumindest einen Teil der Privatsphäre miteinander, ob man nun will oder nicht. Was dann alles abgeht, liefert Stoff für Komödien, Thriller, Horror-Filme – oder eben einmal mehr für einen Tatort. In "Nachbarn" haben jetzt die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk einen Fall mit kurzen Wegen, wohnen doch sämtliche Protagonisten nur wenige Meter auseinander.
Zypressen sind der Streitpunkt in dieser Nachbarschaft, deren kernsanierte Nachkriegshäuser dermaßen weiß in der Sonne strahlen, dass man jederzeit den Schwäbisch Hall-Fuchs erwarten könnte. Werner Holtkamp pflanzte die strittigen "Friedhofsbäume" direkt an der Grenze zum Grundstück von Leo Voigt (Werner Wölbern), der mit allen Mitteln dagegen vorgeht. Besagter Holtkamp wird nun aber erschlagen vor einen Lkw geworfen, was Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf den Plan ruft.
Zu viele Abgründe für einen Tatort
Stilecht im spießigen Familien-Kombi fahren die Kommissare in die Eigenheim-Idylle und beginnen, an den Heile-Welt-Fassaden zu kratzen. Und prompt brechen die Dämme bei den Nachbarn und offenbaren (zu) vielfältige menschliche Dramen. Das Mordopfer lebte allein, Frau und Tochter hatten erst vor Kurzem das Weite gesucht. Holtkamp jedoch tröstete sich mit der einsamen Nachbarin Anne Möbius (Birge Schade), deren Mann (Stephan Grossmann) meistens unterwegs ist und sich ansonsten nur für seine Echse interessiert.
So weit, so menschlich. Doch gegenüber wird es kompliziert. Gartenzaun-Trump Voigt lebt mit seiner Stieftochter Sandra (Claudia Eisner) zusammen, die er nach dem Verschwinden der Mutter adoptiert hat. Für Sandras Tochter Mira ist Voigt ein liebevoller Opa, wenn auch ein bisschen zu ehrgeizig. Miras Vater Jens (Florian Panzner) lebt mit seiner neuen Familie gleich nebenan, trotz des bizarren Konstrukts scheinen die Familien ein enges Verhältnis zu haben.
Und so schlurfen Freddy und Max von Haustür zu Haustür, fragen und schauen besorgt-vorwurfsvoll drein. Bisweilen steuern der Doc (Joe Bausch) und Tobias (Patrick Abozen) ein wichtiges Detail bei, doch die Kölner Kommissare können mit geringstem Aufwand dabei zuschauen, wie die Fassaden bröckeln. Leider wird es am Ende unübersichtlich, der Tatort arbeitet ausgiebig die Traumata der Familie Voigt auf und verliert dabei das eigentliche Mordopfer etwas aus den Augen.
Klassischer Tatort ohne Spielereien
Ähnlich wie der Tatort "Wendehammer" aus Frankfurt vor einigen Wochen beschränkt sich dieser Fall auf einige wenige Parzellen. Und nach dem Erfolg von "Tanzmariechen" könnten die Kölner einen weiteren Quoten-Hit landen, denn dieser Fall folgt dem exakt gleichen Strickmuster. Überraschungen, Innovationen oder erzählerische Kniffe sind Fehlanzeige, einzig der leicht ironische Einsatz von Pharrell Williams‘ "Happy" ist ein hübscher Einfall. Vielleicht waren die Gema-Gebühren dafür aber so teuer, dass kein Spritgeld für die Produktion mehr drin war.
Mit Werner Wölbern und Florian Panzner sind zwei bekannte Tatort-Gesichter zu sehen, die schnell klarmachen "Aha, diese Figur hat Dreck am Stecken!". Auch der 21:15-Uhr-Verdächtige ist dabei, ebenso wie ein bisschen wohldosierter Privatkram der Ermittler (Currywurst schmeckt nicht! Freddy hat auch Nachbar-Ärger!).
" Nachbarn" ist ein solide gemachter Fall, bei dem aber keinerlei Experimente gemacht werden. Wir haben die Kölner schon deutlich schlechter erlebt. Ein Tatort wie eines der Eigenheime, in denen er spielt: Ganz nett, aber schon x-Mal gesehen und schnell wieder vergessen, wenn man nicht selbst drin lebt. Und nach den Tatort-Erfahrungen der letzten Wochen wird "Nachbarn" genau deswegen gut ankommen.