München-Tatort "Einmal wirklich sterben": Irgendwie muss da noch Krimi rein

"Einmal wirklich sterben": Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) müssen im neuen Tatort aus München eine Familien-Tragödie aufklären. ©BR/Bernd Schuller
Nach dem Wiesn-Kater sind Batic und Leitmayr zurück im Alltag. Der neue Fall "Einmal wirklich sterben" schlägt den Bogen von einer Familien-Tragödie zu einem 15 Jahre zurückliegenden Verbrechen. Behalten die Münchener Tatort-Kommissare den Überblick?
Worum geht’s?
Eigentlich mussten Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) nur zum jährlichen Anstandsbesuch bei der anstrengenden Frau Wallner (Ulrike Arnold), doch gleich um die Ecke spielt sich ein Familien-Drama ab. Michaela Danzer wurde in ihrem Haus erschossen, ihr Lebensgefährte Daniel Ruppert (Harald Windisch) schwebt schwer verletzt in Lebensgefahr. Vom sechsjährigen Quirin (Florian Mathis) fehlt zunächst jede Spur, später wird er schwer traumatisiert in einem Krankenhaus gefunden.
Michaela Danzers Ex-Mann Bernhard Helmbrecht (Simon Schwarz, auch bekannt als "Inkasso-Heinzi" vom Tatort Wien) ist zwar höchst verdächtig, hat jedoch ein Alibi. Mit Hilfe von Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) stoßen die Kommissare vom Tatort München auf eine 15 Jahre zurückliegenden Fall: Ruppert hat damals seine Frau und seinen Sohn getötet, seinen Selbstmord-Versuch überlebte er. Einzig die damals sieben Jahre alte Tochter Ella überlebte und tauchte anschließend unter.
Nach Absitzen seiner Haft hatte Ruppert mit Michaela Danzer neues Glück gefunden. Ella hingegen kämpft weiter mit dem Trauma und lebt unter dem Namen Emma Meyer. Ist Emma (Anna Drexler) zurückgekehrt, um sich an ihrem Vater zu rächen? Batic und Leitmayr versuchen mit Hilfe von Profilerin Christine Lerch (Lisa Wagner), dem kleinen Quirin zu entlocken, was er in der Mordnacht beobachtet hat. Da verschwindet der Junge ein zweites Mal…
Worum geht es wirklich?
Neben der Klärung des Mordes steht vor allem die traumatisierte Ella/Emma im Mittelpunkt. Deren Schicksal böte genug Stoff für ein abendfüllendes Drama, neben der Krimi-Handlung wird ihre Geschichte hier jedoch zu schnell abgehandelt. Diverse Nebenschauplätze lassen die Handlung dann endgültig zerfasern, die gute und interessante Grund-Idee leidet in "Einmal wirklich sterben" darunter, dass irgendwie noch ein Krimi erzählt werden muss.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Abgefahrene Geschichte, aber einigermaßen logisch konstruiert! Weil wir es hier mit einem Einzel-Schicksal zu tun haben und kein Massen-Phänomen abgefrühstückt wird, mag man "Einmal wirklich sterben" für ein wenig weit hergeholt halten. Die Geschichte ist jedoch glaubwürdig erzählt und – mit geringfügigen Abstrichen in der Frage, wie Emma zu Ihrer neuen Identität gekommen ist - in die Realität eingebettet.
Bester Auftritt
Die traumatisierte Emma wird gespielt von Anna Drexler, die der Figur viel Tiefe gibt und erahnen lässt, was solch ein Trauma mit einem Menschen macht. Trotz eines oberflächlich stimmigen Lebens als Tierpflegerin tobt im Inneren ein Sturm, der wegen der knappen Zeit im hier leider nur angedeutet werden kann. Eigentlich war der Stoff gar nicht als Tatort konzipiert, die Krimi-Handlung und die (nicht immer nötige) Präsenz der Kommissare überlagern teilweise diese interessante psychologische Perspektive. Vielleicht wäre ein eigener Fernsehfilm der Geschichte und dem Auftritt von Anna Drexler angemessener gewesen.
Apropos angemessen: Wir fordern an dieser Stelle nachdrücklich mehr Rechte für Kalli Hammermann und Christine Lerch! Die Sidekicks, die zur Verjüngung des angegrauten Münchener Tatorts angeschafft worden waren, tun der Dynamik zwar gut – doch mehr als Stichwortgeber dürfen sie meistens nicht sein. Hammermann muss im Büro die Drecksarbeit erledigen und den technisch unbeholfenen Kommissaren ein Fotoalbum der Handy-Bilder ausdrucken (!). Profilerin Lerch hat neben dem Referieren von psychologischem Fachwissen immerhin den besten Dialog des Films: "Er hat auf Tauben geschossen und seinem Nachbarn den Grill ausgepinkelt." - "Was ist der denn von Beruf?" – "Anlageberater." – "Na, das passt ja!". Dennoch: Bei den beiden Figuren ist deutlich mehr drin!
Was muss man sich merken?
Batic und Leitmayr agieren gewohnt routiniert mit einigen netten Dialogen, das Duo ist deutlich entspannter als in den letzten Fällen. Einige Aspekte der Story "Einmal wirklich sterben" hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, bisweilen sind die zahllosen Nebenstränge ein wenig zu dünn gestrickt. Es braucht keinen Kriminalisten um zu wissen: Dieser Verdächtige hat mit der Sache nichts zu tun. Die Auflösung ist aber dennoch ein wenig uninspiriert und kommt sehr plötzlich, aber das Problem taucht beim Tatort ja häufiger auf.
Soll man gucken?
All diejenigen, die die letzten Tatorte aus Berlin und Kiel zu verkopft fanden, werden " Einmal wirklich sterben" mögen. Ein Tatort alter Schule, durchaus ambitioniert, aber ohne den Zuschauer zu sehr zu fordern. Insofern perfekt für Leitmayr und Batic, die ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, hier aber deutlich weniger granteln als zu ihren schlimmsten Zeiten. Im Gegenteil, es blitzt durch, was das Team sympathisch macht und den Münchnern immer noch viele Fans beschert.