"Sternschnuppe": Auf dem Friedhof der Casting-Hoffnungen
Bibi (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) suchen in "Sternschnuppe" den Mörder des Casting-Gurus Udo Hausberger. © ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg
Dieter Bohlen heißt in Österreich Udo Hausberger, lässt sich beim Sex gerne würgen und knebelt seine Kandidaten nicht nur mit Verträgen. Im neuen Wiener Tatort "Sternschnuppe" wird das Casting-Business auseinandergenommen, während Bibi und Moritz alles anflirten, was sich nicht wehren kann. Ob es sich lohnt, erfahrt Ihr im Kreuzverhör!
Worum geht’s?
Dieter Bohlen ist tot! Okay, die österreichische Tatort-Variante von Bohlen, aber für einen dicken Skandal reicht das auf jeden Fall. Zumal der verheiratete Gesangs-Guru Udo Hausberger bei bizarren Sex-Spielchen stranguliert wurde, während die Frau Gemahlin (Aglaia Szyszkowitz) sich mit einem Toy Boy vergnügte. Feinde gibt es genug, Hausberger hat die Kandidaten seiner Show "Sing your Song" auf der Bühne ebenso fertig gemacht wie in seinen Knebel-Verträgen.
Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ermitteln sowohl in der protzigen Villa der Hausbergers als auch unter den Kandidaten der Show, die kurz vor der finalen Entscheidung steht. Als Favorit gilt Aris (Rafael Haider), der von seiner gescheiterten Mutter (Ruth Brauer-Kvam) angetrieben wird. Doch Mutti hatte sich mit dem allmächtigen Juror überworfen und war am Set nur noch geduldet.
In der Gerichtsmedizin findet sich ein zusammengerolltes Blatt Papier mit einem Liedtext im Rachen des Mordopfers. Aris sollte das Lied in der Final-Show als sein eigenes ausgeben, geschrieben hat es jedoch die frühere Siegerin Vera Seiler (Sabrina Rupp). Statt großem Durchbruch brachte die Show für sie nur einen Selbstmord-Versuch inklusive Einweisung in die Psychiatrie. Hat sich Vera für die Ausbeutung gerächt?
Worum geht es wirklich?
Hoffnungsvolle junge Musik-Talente werden von Profit-gierigem Ekelpaket verheizt, wer seine perversen Spielchen nicht mitmacht, hat eh keine Chance. Viel differenzierter wird es nicht, der Wien-Tatort nimmt unmissverständlich den nicht mehr neuen Casting-Wahn aufs Korn. Das hätte unterhaltsam sein können, wenn sich Moritz und Bibi mit Wiener Schmäh durch den Fall granteln. Da beide jedoch mit ihren ungelenken Liebes-Bemühungen beschäftigt sind, wird das Ganze ein wenig fad‘.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Dass die Teilnehmer von Casting-Shows nicht behutsam gefördert werden, sondern mitten in eine Medien-Maschine geworfen werde, dürfte wohl klar sein. Ebenso aber auch, dass dennoch die Hoffnungen vieler Teenies auf solch einem Durchbruch ruhen, gerade in einem überschaubaren Markt wie Österreich.
So weit, so realistisch. Die Figuren sind jedoch zum allergrößten Teil nicht mehr als Stereotype: Die skrupellose Redakteurin, der stille Musiker, die ehrgeizige Mutter…und nicht zuletzt der machtgeile Jury-Imperator. Bei Hausberger ist dem Autor wohl ein bisschen die Fantasie durchgegangen, die Eskapaden sind zu dick aufgetragen.
Bester Auftritt
Aglaia Szyszkowitz spielt die frischgebackene Witwe Angelika "Angie" Hausberger mit sichtlich viel Spaß und scheinbar auch mit einem Augenzwinkern. Macht Spaß, diese Mischung aus mondäner Überheblichkeit und ganz banalem Innenleben. Auch Manfred Schimpf (Thomas Stipsits), der neue Assistent, ist durchaus unterhaltsam.
Ansonsten haben die Kommissare neben dem Fall ungewöhnlich viel Raum, um ihre Launen auszuleben. Das ist in Wien durchaus amüsant, beim nächsten Mal darf es aber gerne wieder mehr Substanz sein.
Was muss man sich merken?
Seid’s deppert? Angestachelt von einem schmierigen Sexual-Therapeuten, den Moritz in der Sauna kennengelernt hat, steht auf einmal die Frage im Raum, ob die beiden Ermittler nicht ein gutes Paar abgeben würden. Das wiederum führt zu ungelenken Versuchen, genau darüber empört zu sein und sich anderweitig nach "ambitionierten" Partnern umzuschauen – ohne Erfolg. Oder, wie Bibi es formuliert: "Der Typ hat Dir ja ganz schön zugesetzt." – "Nein, gerade nicht." Das Pärchen-Gerede ist ganz amüsant, aber wird hoffentlich nicht weiter vertieft.
Soll man gucken?
Och. Bibi und Moritz sind nach wie vor tolle Figuren und können sich in diesem seichten Fall die Bälle zuspielen, weil dieses Mal nicht die Welt gerettet werden muss. Das ist ganz unterhaltsam, trägt den Film aber nur begrenzt. Casting-Welt bietet eigentlich viel Angriffsfläche, leider wird ein Großteil des Satire-Potentials ungenutzt gelassen, viele Figuren bleiben eindimensional. All das macht " Sternschnuppe" recht beliebig und wohl nur Hardcore-Fans von Bibi und Moritz einigermaßen glücklich.