Stuttgart-Tatort "Der Inder": Szenengulasch im Talkessel

Architekt Busso von Mayer (Thomas Thieme) ist ein Verfechter von Stuttgart 21 - und sitzt im Knast. Lannert (Richy Müller) bekommt Einblicke in die Machenschaften hinter dem Großprojekt. © SWR/Alexander Kluge
Ein "Meisterwerk", fand Spiegel Online, stern.de hat einen "dichten und durchdachten" Plot gesehen, die - zugegebenermaßen befangene - Stuttgarter Zeitung hält den S21-Fall schon jetzt für einen "Klassiker der ARD-Reihe". Wirklich? Was für einen Tatort haben die denn gesehen? Zumindest für die Quoten war die unverhohlene Lobhudelei zuträglich: 9,49 Millionen schalteten ein, das waren sehr gute 28,3 % Marktanteil (14-49: 2,86 Mio.; 23,6%).
Ein komplett anderes Bild bot sich während und nach der Ausstrahlung von " Der Inder" bei Twitter und Facebook. Fast alle blickten bei dem verworrenen Wirtschafts-Krimi spätestens zur Halbzeit nicht mehr durch. Die Zusammenhänge und Verflechtungen in der Stuttgarter Landes- und Kommunalpolitik waren schon komplex genug, die scheinbar wahl- und planlosen Zeitsprünge machten es dann vollkommen unmöglich, der Handlung zu folgen. Dementsprechend war auch das Fazit zum lang erwarteten Stuttgart-21-Tatort sehr ernüchternd. "Der Inder" war wie eine Momentaufnahme des Bahnhofs: Noch nicht unterirdisch, aber auf dem Weg dorthin.
An den Zuschauern vorbei inszeniert
Abseits des realen Hintergrundes hatten die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) aber noch einen angeschossenen Killer zu jagen. Das war zwar auch nicht immer ganz logisch, sorgte aber für deutlich mehr Spannung als die endlosen Verhöre, Monologe und Aussagen zum Bahnhofs-Thema. Und: Der Verzicht auf Privat-Kram tut den Figuren sehr gut, Bootz und Lannert waren lange nicht so gut und konzentriert. Außerdem gab es in all den Dialog-Fluten das eine oder andere Bonmot zu entdecken.
Was bleibt nun von "Der Inder"? Bei aller hineingestopften Intention und gewollten Poesie: Wer einen Tatort ohne den Zuschauer denkt, fällt leider auf die Nase. Das war schon bei Dominik Grafs furios gescheitertem Kunst-Fall " Aus der Tiefe der Zeit" so, und das ist auch bei diesem ambitionierten Polit-Tatort von Niki Stein so. Da können sich die Kritiker noch so überschlagen.
Die besten Tweets zum Stuttgart-Tatort "Der Inder"
"Der Inder"? Wir erinnern uns: Vor zwei Wochen gab es in Wien schon mal einen Zeitgenossen vom Subkontinent.
Staatssekretär Dillinger wird übrigens nicht fachgerecht auf den Schienen oder in einer Baugrube entsorgt, sondern beim Joggen erschossen.
21:06 Uhr: Wir fragten "Wer blickt noch durch?". Twitter antwortete:
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