Tatort aus Saarbrücken: Zwischen Fremdschämen und Fassungslosigkeit
Tatort Saarbrücken: Auch Hauptdarsteller Devid Striesow alias Jens Stellbrink ist skeptisch. © SR/Manuela Meyer
In der letzten Szene des neuen Saarbrücken-Tatortes packt Kommissar Stellbrink sein Smartphone und wirft es über das Geländer seiner Dach-Wohnung. Ein Uralt-Handy und gedruckte Straßenkarten liegen schon als Ersatz bereit. Dazu veranlasst hat ihn ein Datenhändler und eine geschickte Hackerin, die in den jüngsten Fall "Mord Ex Machina" verstrickt waren. Aufgeklärt natürlich durch das obligatorische Video, dass plötzlich auf einem USB-Stick auftaucht.
Geht es eigentlich noch? Im Jahr 2018, in dem die Digitalisierung auch bis ins Saarland vorgedrungen sein sollte, geht der SR mit einem technik-feindlichen Horror-Märchen an die Öffentlichkeit, die dem Albtraum eines Datenschützers entsprungen sein könnte. Nicht, dass es keine Gefahren gibt und ein Szenario wie hier nicht einen Funken Wahrheit enthielte, aber ist die Abkehr von moderner Kommunikation wirklich das einzige Mittel? Dieser Film das Tatort gewordene "Neuland", erz-konservativer Technik-Populismus vom Feinsten. Die Botschaft am Ende macht fassungslos, zum Glück sind Anne Will und Frank Plasberg noch in der Winterpause.
Devid Striesow hört beim Tatort Saarbrücken auf
"Mord Ex Machina" zeigt einerseits, dass man in Saarbrücken bemüht ist, den Tatort einigermaßen auf die Spur zu bringen. Andererseits wird aber auch deutlich, dass all das ziemlich vergeblich ist. Genau wie in den Vorgängern paaren sich eine krude konstruierte Story, peinliche Effekt-Musik und peinlich-gestelzte Dialoge zu 90 schwer ertragbaren Minuten. Kurz nach dem Dreh dieses und eines weiteren Falles aus dem Saarland strich dann auch Hauptdarsteller Devid Striesow die Segel und beendete seine Laufbahn als Tatort-Kommissar Jens Stellbrink.
In diesem Fall stolpert der unterforderte Mime durch einen Fall, bei dem ein selbstfahrendes Auto seinen Besitzer in den Tod chauffiert. Die Firma des Toten dreht das große Rad in Sachen Daten-Verkauf und -Analyse, außerdem hat Hackerin Natascha (Julia Koschitz) ihre Finger im Spiel. Sie sollte die Sicherheit prüfen, und ihr Urteil war verheerend. Gleichzeitig hatte sie sowohl mit dem Mordopfer als auch mit Geschäftsführer Victor Rousseau (Steve Windolf) eine Affäre.
Stellbrink arbeitet sich gutgläubig an der attraktiven IT-Spezialistin ab, und bekommt ein Horrorszenario in Sachen Datenschutz präsentiert: Natascha kennt bald seinen kompletten Lebenslauf inklusive persönlichster Geheimnisse und Online-Dating-Profil. Den älteren Tatort-Zuschauer dürfte es in ihrem Sessel schaudern.
Was modern wirken soll, ist nur noch peinlich
Die modernen Kulissen, viele Bildschirme und Screens voller Zahlenkolonnen und piepsende Background-Musik wirken hochtechnisiert, Botschaft und Machart dieses Tatortes sind jedoch aus der Steinzeit. Nicht besser als die vorherigen Saarbrücken-Tatorte sondern ein weiteres Desaster, das Zuschauen verkommt zum Fremdschämen. Die peripheren Figuren von Staatsanwältin Dubois (Sandra Steinbach), Lisa Marx (Elisabeth Brück) und Horst Jordan (Hartmut Volle) sind nur noch auf Sparflamme erzählt, Kommissarsanwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider) wird vom Kommissar vom Lernen für die Prüfung abgehalten und verfügt plötzlich über beeindruckende Hacker-Kenntnisse. Aber das tut in den Augen der Zielgruppe wohl jeder junge Mensch mit Laptop. Wie viele von uns wohl im Anschluss besorgte Anrufe der Eltern bekommen werden?
Die gute Nachricht: Nach "Mord Ex Machina" kommt nur noch ein Stellbrink-Tatort, dann ist Schluss. Man kann dem Saarländischen Rundfunk nur wünschen, seinen Tatort einmal gründlich umzukrempeln. Dass sie es können, haben sie mit dem geschassten Duo Kappl/Deininger bewiesen, auch Max Palü war jahrelang für solide Fälle bekannt. "Ich glaub die sind ganz froh, dass sie mich hier haben" sagt Stellbrink an einer Stelle in diesem Tatort. Wirklich überzeugt klingt er nicht.