Tatort "Hardcore" aus München: Guter Porno, schlechter Porno
Tatort "Hardcore" aus München: Leitmayr (Udo Wachtveitl) bestaunt die Amateur-Porno-Szene. ©BR/Hagen Keller
ATM ist mehr als ein Geldautomat, und Bukkake ist keine Sushi-Sorte. Wer alles verstehen will, was im neuen München-Tatort so geredet wird, der treibt bei der Recherche selbst Google die Schamesröte auf die Seite und erntet möglicherweise schiefe Blicke vom Systemadministrator. "Hardcore" blickt für einen Tatort relativ hemmungslos (und auch ein bisschen voyeuristisch) in die Welt der Pornos.
Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) wundern sich nur kurz über die schmucklose Wohnung, in der die Leiche von Marie Wagner (Helen Barke) gefunden wird. Als Luna Pink ("Steht da unter Ordens- oder Künstlername. Klingt aber nicht wie von einem Orden…") hat die junge Frau Pornos gedreht, bei denen sie von zwei Dutzend Männern benutzt wurde. Nun liegt sie stranguliert neben einem Planschbecken voller Körpersäfte. Spätestens hier wird nicht nur der betagte Großteil der Tatort-Zuschauer zum ersten Mal schlucken müssen.
Die Münchener Tatort-Kommissare klappern also brav die üblichen Verdächtigen ab: Produzent Olli Hauer (Frederic Linkemann), dessen größten Konkurrenten Sam Jordan ("Wieder so ein Ordensname...") (Markus Hering) und Maries ehemalige Kollegin Stella Harms (Luise Heyer). Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und Ritschy Semmler (Stefan Betz) hingegen hocken im Büro und schauen stundenlang Pornos: Sie hoffen, unter den Männern beim Todes-Dreh einen Verdächtigen identifizieren zu können. Brisant wird es als herauskommt, dass Marie die Tochter von Oberstaatsanwalt Kysela (Götz Schulte) war.
Laptops statt Lederhosen
Der Tatort spart nicht an nackter Haut und den eingangs angesprochenen bizarren Praktiken. Glamourös oder erotisch ist das Ganze allerdings keinesfalls. Ja mei, da ist wieder mal das böse Internet schuld. Die einstige Porno-Hauptstadt München leidet unter billigen Amateur-Clips, der "König des Lederhosen-Films" liegt im Sterben, während sein Sohn Sam Jordan im spießbürgerlichen Ambiente Schmuddel-Filmchen dreht und auf das große Ding hofft. Laptops statt Lederhosen. Genau wie die Kommissare im Kopfschüttel-Modus trauert er der alten Zeit hinterher, mit vermeintlich besseren Filmen und höherem Profit. Die Online-Welt bleibt draußen, der Fortschritts-Wille reicht nur bis zur DVD.
Bei allem Voyeurismus ist "Hardcore" bisweilen großartig lakonisch: Zwei Nackte auf dem Blümchen-Sofa, in der einen Hand ein Wurstbrot, die andere mit eindeutigen Bewegungen unter dem Tisch, vertieft in eine Unterhaltung über Steuersparmodelle. An anderen Stellen aber gleitet der Tatort in pubertären Humor ab.
Porno-Märchen mit Ekel-Faktor
Was dieser Tatort aus München nicht ist: Ein Problem-Film, der Abgründe und Elend der Kopulations-Branche zeigt. Alle Frauen im Film sind freiwillig bei der Sache und haben bürgerliche Existenzen aus freien Stücken aufgegeben. Krankheiten, Gefahren, Drogen scheint es in München nicht zu geben, die größte Gefahr ist die Enthüllung des Echt-Namens.
Zartbesaitete Seelen sollten sich überlegen, ob sie diesen Tatort einschalten, für alle anderen ist "Hardcore" gute Unterhaltung, bei der man aber über die realen Hintergründe nicht allzu viel nachdenken darf. Eine Art harmloses Erotikfilm-Märchen mit Ekel-Effekt: "Batic und Leitmayr im Porno-Land".