Tatort "Kartenhaus": Bonnie & Clyde op Kölsch

Laura (Ruby O. Fee) und Adrian (Rick Okon) sind als Kölner Variante von Bonnie & Clyde im Tatort "Kartenhaus" auf der Flucht. © WDR/Martin Menke
Kennt Ihr diese Ableger, in denen Klassiker in eine Mundart übersetzt werden? Asterix auf Plattdeutsch, "Dinner for One" auf Hessisch und ähnliche zweifelhafte Adaptionen. Der neue Tatort „ Kartenhaus“ stilisiert sich selber als "Bonnie & Clyde" auf Kölsch. Ob das funktionieren kann, erkunden wir im Kreuzverhör.
Worum geht’s?
Nur noch schnell den Reisepass holen! Während die Mutter (Julika Jenkins) bei laufendem Motor im Auto wartet, geht der Vater noch einmal zurück in die Villa. Das Paar will Tochter Laura (Ruby O. Fee) freie Bahn für den 18. Geburtstag geben. Doch in der Küche wartet Adrian Tarrach (Rick Okon), Lauras Freund, und tötet den Vater mit einem Messer.
Das ungleiche Paar startet eine Flucht wie im Film. Die steinreiche, verwöhnte Tochter und der Junge aus dem Problemviertel kommen jedoch nicht weit, sondern stranden in einer heruntergekommenen Wohnung in genau dem tristen Hochaus-Viertel, in dem Adrian aufgewachsen ist. Sein Traum, als Club-Besitzer reich zu werden, rückt in immer weitere Ferne.
Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) fahnden nach dem Paar, doch bald gibt es einen zweiten Toten: In dem Club, den er mal übernehmen wollte, erschießt Adrian seinen Chef. Verzweifelt sucht er Hilfe bei seiner pflegebedürftigen Mutter (Bettina Stucky) und dem Kleinkriminellen Ivu (Aleksandru Cirneala). Und auch Laura zweifelt langsam daran, dass die Flucht wirklich eine gute Idee war.
Worum geht es wirklich?
Die Frage ist nicht "Wer ist der Mörder?" sondern "Wo ist der Mörder?". In den unübersichtlichen Hochhaus-Schluchten suchen die Kölner Kommissare nicht nur das durchgebrannte Pärchen, sondern vor allem das Motiv. Da kann man sich schon fast denken, dass viele Fassaden an Ende zusammenbrechen wie das Titel-gebende Kartenhaus. Untypisch für Köln: "Mensch, Freddy"-hafte Sozialkritik sucht man vergeblich, hier geht es nur darum, eine Geschichte zu erzählen.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Nö. Laura und Adrian, ihre Liebe, ihre Flucht und auch ein Großteil der Auflösung sind mit sehr viel Fantasie konstruiert. Nicht umsonst wird immer wieder Bezug auf Bonnie & Clyde genommen, denn ähnliche Geschichten sind selten. Doch selbst vor diesem Hintergrund ist es unglaubwürdig, dass sich das Gangster-Paar nie aus Köln entfernt. Klar, sonst dürften Freddy und Max ja nicht mehr ermitteln.
Bester Auftritt
Rick Okon und Ruby O. Fee dürfen wild mit Pistolen herumfuchteln, durch Hotelzimmer toben und im Cabrio cruisen – es wird wirklich jedes Klischee bedient. Dennoch nimmt man beiden ihre Figuren einigermaßen ab, und sie hatten sichtlich Spaß beim Dreh. Ruby O. Fee hat schon mal im Stuttgarter Tatort die Ermittler um den Finger gewickelt, und auch hier ist sie als Vamp goldrichtig besetzt. Die 19-Jährige schafft es, selbst bei einem Auftritt im Kinderfilm "Bibi & Tina" verrucht zu wirken. Dennoch hätte in diesem Tatort der eine oder andere Gesichtsausdruck mehr sicherlich nicht geschadet.
Was muss man sich merken?
Das Privatleben von Max und Freddy ist schon seit Jahren zum Erliegen gekommen und wird – zum Glück – inzwischen vollkommen ausgeblendet. Kontinuität kommt einzig über die fortschreitende Integration von Assi Tobias (Patrick Abozen) zustande. Freddy ist ihm ein bisschen besser gesonnen, und er darf erstmals mit raus. Was allerdings beim Einsatz passiert, dürfte in späteren Fällen noch einmal Thema werden. Für das große Verständnis bleibt dieser Handlungsstrang aber eher unwichtig.
Soll man gucken?
Die recht außergewöhnliche Geschichte und die beiden Hauptdarsteller heben " Kartenhaus" vom Tatort-Durchschnitt ab, dementsprechend lohnt sich das Einschalten durchaus. Allerdings ist es wie mit den eingangs erwähnten Adaptionen: An das Original kommen sie nicht heran. Laura und Adrian bleiben also leider die öffentlich-rechtlich limitierte Variante des durchgeknallten Gangster-Paares. Da hätten wir uns mehr Mut gewünscht.