Tatort München: "KI" heißt krampfhaft inszeniert

Tatort "KI" aus München: Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) sind dieses Mal dran mit dem Thema Künstliche Intelligenz. © Bavaria Fiction GmbH/BR/Hendrik Heiden
Wer mal einem Navigationssystem oder einer Alexa, Siri oder Cortana zugehört hat, der weiß, dass die Computer-Stimmen nur über eine begrenzte Zeit zu ertragen sind. 90 Minuten sind eindeutig zu viel, der Münchener Tatort "KI" am Sonntag ist der perfekte Beweis.
"KI" steht für künstliche Intelligenz, also ein Computerprogramm, dass wie ein Mensch agieren soll. Die Benutzeroberfläche heißt "Maria" und nervt mit quakiger Stimme und einer lieblosen Grafik. So weit, so schlecht, doch als Tatort-Fan ist man arg vorbelastet. Bremen, Frankfurt, Stuttgart, Kiel waren schon dran, sich am Thema künstlicher Intelligenz und deren Gefahren abzuarbeiten, und kein Ergebnis war wirklich überzeugend. Nun also der Tatort München, dessen Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) nicht gerade als Digital Natives durchgehen.
Darum geht's im Tatort
Im Fall der verschwundenen Melanie machen Batic und Leitmayr
eine merkwürdige Entdeckung: Eine Stimme aus dem Laptop des
Mädchens fragt nach Melanie. Was die Kommissare zuerst für einen
Chatbot halten, entpuppt sich bald als hochkomplexe Künstliche
Intelligenz (KI). Am Leibniz-Rechenzentrum in München ist man
entsetzt. Niemand kann sich erklären, wie dieses Programm aus einem
laufenden EU-Projekt auf den Laptop des Mädchens gelangen konnte.
Nachforschungen ergeben schnell, dass das Forschungsprojekt
gehackt und eine Kopie der geheimen Forschungs-KI namens "Maria"
erstellt wurde. Melanie hatte mit "Maria" regen Kontakt, auch im
Moment ihres Verschwindens. Weiß "Maria" mehr über das Verschwinden
von Melanie? Für die Ermittler stellt sich zusätzlich die Frage,
wie man eine KI als Zeugen vernimmt, während die Zeit davonläuft.
Denn jede Stunde mehr lässt die Hoffnung sinken, das Mädchen noch
lebend zu finden.
Während die Krimi-Handlung durchaus solide ist und sich so etwas wie Spannung entwickelt, bleibt die Auseinandersetzung mit der neuen Technologie leider wieder einmal schwach. Digitalisierung und die Gefahren daraus sind wichtige Themen, doch selbst der Tatort darf seiner betagten Kernzielgruppe mehr Realismus zumuten. Sonst denken sich die Stamm-Seher irgendwann "Künstliche Intelligenz? Dabei stirbt doch immer jemand..."
Ganz geheuer ist das Ganze auch den beiden ergrauten Kommissaren nicht, immerhin ist "KI" der 79. Tatort-Einsatz für Batic und Leitmayr. Doch das Zusammenspiel funktioniert, die Figuren überzeugen. Was man nicht von allen Nebenrollen behaupten kann: Die Macher griffen auf Tatort-geübte Schauspieler zurück, die teilweise sogar zum festen Ensemble in anderen Städten zählen. So ist zum Beispiel Thorsten Merten in einer wichtigen Rolle zu sehen, der sonst im Weimar-Tatort den Kommissariatsleiter Stich spielt. Das geht besser.
Einer der schwächeren Münchener Tatorte
Die Fragen, die in diesem Tatort behandelt werden, sind durchaus interessant: Welchen Einfluss kann Künstliche Intelligenz auf labile Menschen haben? Kann man Maschinen auf juristischer Ebene als Zeugen gebrauchen? Inwiefern kann man die Vernetzung mit bestimmter Software generell zur Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten benutzen? Doch all das wurde auch in den anderen Filmen aufgegriffen, ohne dass es eine relevante Antwort darauf gegeben hätte. Was am Ende bleibt, ist ein diffuses Gefühl, aber kein wirklich guter Einblick in diesen spanndenden Bereich.
Das liegt an dem Tatort-typischen Herunterbrechen komplexer Zusammenhänge und der sehr skeptischen Grundhaltung, aber auch an Logik-Fehlern: Das Superprogramm kann Menschen erkennen, Räumlichkeiten erkennen und mühelos komplexe Gespräche führen. Seinen Standort und damit seine GPS-Daten kennt das auf einem Laptop laufende Mega-Programm aber nicht, was möglicherweise zum fatalen Verhängnis wird. Unterm Strich einer der schwächeren Münchener Tatorte. Ob der Tatort ein modernes Thema wirklich gut abbilden kann, bleibt darüber hinaus fraglicher denn je.
(mit Material von Spot On News)