Fabian Hinrichs: "Bayreuth ist auch für mich ein zwiespältiger Ort"
Smalltalk, Philosophie, Bayreuther Festspielhaus, Karneval... Schauspieler Fabian Hinrichs erklärt im Interview zum "Tatort: Ein Tag wie jeder andere", was er davon hält.
Der "Tatort: Ein Tag wie jeder andere" (24. Februar, 20:15 Uhr, das Erste) wurde unter anderem im Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth gedreht. Wie das für den Hamburger Schauspieler Fabian Hinrichs (45, "Wackersdorf") war, erklärt er unter anderem im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Demonstriert hat er dabei an den Themen Smalltalk, Lebensmittel und Karneval auch gleich noch, wie viel von dem philosophischen Kommissar Felix Voss, den er seit 2015 verkörpert, in ihm selbst steckt.
Der "Tatort: Ein Tag wie jeder andere" wurde unter anderem im Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth gedreht. Wie war das für Sie?
Fabian Hinrichs: Sehen Sie, Bayreuth ist auch für mich ein zwiespältiger Ort. Einerseits verstehe ich die von öffentlichen Intellektuellen wie Adorno gezeichnete Entwicklungslinie von Wagners Kompositionen zum späteren politischen Totalitarismus, anderseits geht es mir nicht viel anders als Nietzsche, wenn er schreibt: "In Monaco Ouvertüre von Parsifal gehört. Geweint."
Wissen Sie, welche Inszenierung im Krimi zu sehen ist?
Hinrichs: Ich denke, eine der legendären Marka-Inszenierungen. Die Musik ist allerdings die der "Walküre".
Ist es der Mitschnitt einer Probe?
Hinrichs: Nein, nein, es ist sozusagen eine "Tatort Hügel"-Uraufführung.
Waren Sie zuvor schon mal zu einer Opernaufführung dort?
Hinrichs: Ich war einmal, vor langer, langer Zeit, mit meinem damaligen Lieblingsauto dort, einem 300er Mercedes Diesel, 124er Baureihe, Azurmetallic. Allerdings einfach stehend, vor dem Gebäude.
Wie stehen Sie zu klassischer Musik?
Hinrichs: Sie wirkt unmittelbar auf uns, auf unser Herz, sie entfernt uns im Wortsinne vom Sein, während alles Kleine, Vulgäre, Zeitliche gleichzeitig von uns flieht.
In diesem Krimi zeigt sich einmal mehr, dass Felix Voss ein freundlicher Kommissar ist, der auch gerne philosophiert. Was mögen Sie selbst an Ihrer Rolle besonders?
Hinrichs: Dass er hoffentlich ein fühlender und zugleich denkender Mensch ist, ein präsenter, also berührbarer und berührender Mensch und kein stolperndes Aufziehmännchen, zusammengehalten von papiernen Neurosen.
Sie interessieren sich auch privat für Philosophie. Was macht den neuen "Tatort" in dieser Hinsicht für Sie interessant?
Hinrichs: Die moralphilosophische Fragestellung, warum es Gesetze gibt, wer sie aufstellen darf, für wen sie gelten, wann und ob es vielleicht auch Tatbestände geben kann, in denen Gesetzesbruch zur Pflicht wird.
Eine interessante Frage im Krimi lautet: "Ich frage mich, ob dein Geld dich verdorben hat oder ob man so verdorben sein muss, um so viel Geld verdienen zu können..." - Was halten Sie davon?
Hinrichs: Das Beste am Menschen ist gestaltlos. Und das Schlechteste anscheinend die Entwicklung zur Gestalt des homo oeconomicus, außerhalb sozialer, kultureller Bindungen lebend, außerhalb der Natur existierend, hauptsächlich bestrebt, seinen individuellen Nutzen zu maximieren.
Im Krimi geht es auch um gesunde Lebensmittel. Was bedeutet das für Sie?
Hinrichs: Nitratverseuchung durch Gülle, Insektensterben, tagelange Tiertransporte quer durch Europa - hört endlich auf. Ich kaufe ausschließlich ökologisch erzeugte Lebensmittel. Fleisch esse ich einmal pro Woche, aber tatsächlich lediglich Fleisch aus artgerechter Haltung, vom Bauckhof zum Beispiel, einer der ganz wenigen ökologischen Erzeuger, der wahrhaft ökologische Tierzucht betreibt. Dort wird auch dem sogenannten Bruderhahn und auch den Kälbern ihre Würde nicht genommen, wird also nicht nur nach wirtschaftlichem Nutzen Landwirtschaft betrieben.
Zu Beginn und am Ende des Krimis sitzen Sie mit ihren Kollegen bei Kaffee und Kuchen in der Kantine. Es geht in diesen Szenen auch um die Bedeutung von Smalltalk. Was halten Sie davon?
Hinrichs: Es lohnt sich vielleicht, genauer hinzuschauen, was Smalltalk ist. Es gibt neben dem Inhaltsaspekt der Kommunikation auch immer den Beziehungsaspekt und ein gelingender Smalltalk kümmert sich um die Beziehung der Sprechenden. Man baut eine Vorform der Nähe auf, so würde ich es ausdrücken. Ich teile also nicht die ziemlich deutsche Stigmatisierung des Smalltalks als Gesprächsmüll. Mein Eindruck ist aber, dass es immer häufiger darum geht, sich selbst darzustellen und das möglichst gut und dem Gegenüber nur noch gestattet, etwas loszuwerden, ohne mit der Antwort etwas anfangen zu können oder zu wollen. Smalltalk sollte eigentlich kein Servicegespräch mit dem Ziel einer Geschäftsanbahnung sein, finde ich. Ich selber schätze so ein nicht zu fest geschnürtes Gespräch, um mich zu nähern, aber auch nicht erstickend nah zu kommen. Und andersherum.
"Tatort: Ein Tag wie jeder andere" wird vor dem großen Fasching/Karneval-Final-Wochenende aufgestrahlt. Interessieren Sie sich für Fasching/Karneval?
Hinrichs: Ich achte die Herkunft des Karnevals als Gelächter von unten, als eine spielerische und rebellische Volkskultur. Damit hat der gegenwärtige Karneval, der ja eher ein Festival der Ausscheidungskompetenzen ist, nur noch wenig zu tun, leider.