"Weissensee": "Eine der wenigen neueren Serien, die was wagt"

Die dritte Staffel von "Weissensee" kommt ins TV. Was das besondere an der Serie ist und wie es für ihre Rolle Nicole weitergeht, verrät Claudia Mehnert im Interview.
Wenn die Erfolgsserie "Weissensee" (ab 29.9., Das Erste, 20:15 Uhr) in die dritte Staffel geht, ist auch Claudia Mehnert wieder zu sehen. Sie spielt darin Nicole Henning, die voller Engagement für eine freie DDR ohne Stasi kämpft. "Nicole engagiert sich weiter in der Opposition und erlebt eine sehr böse Überraschung, die sie nur schwer verkraftet. In deren Folge findet sie sich mit ihrer Sicht auf die Dinge relativ allein. Wütend. Ohnmächtig auch", verrät die Schauspielerin im Interview mit spot on news über ihre Figur, die in den neuen Folgen auch mit dem Verschwinden ihres Bruders Robert fertig werden muss.
Staffel eins und zwei von "Weissensee" finden Sie hier
Es seien auch wieder herausfordernde Szenen in der Staffel dabei gewesen: "Besonders vor einer Szene habe ich mir fast in die Hosen gemacht: Also, Nicole betrinkt sich in ihrem Schmerz und Alleinsein fürchterlich und sprengt dann eine Versammlung, macht ein paar ordentliche Ansagen. Das sollte nun betrunken, aber nicht komplett drunter und drüber sein, die waren ja auch was gewöhnt und so weiter." Sowas zu spielen, könne fürchterlich in die Hosen gehen, sagt Mehnert. "Als ich diese Szene in Folge 4 bei der Premiere in Berlin das erste Mal sah, hat mir das Herz bis zum Hals geklopft. Sichtbar."
"Ein absolutes Herzensprojekt"
Für Mehnert, die schon in zahlreichen TV-Produktionen zu sehen war, ist "Weissensee" ein "absolutes Herzensprojekt". Es sei ein Riesen-Geschenk, da mitzuwirken. Nicole Henning sei zudem eine Rolle mit einer tollen Entwicklung. Mehnert freut sich auch sehr darüber, wie "Weissensee" über "diese immerhin bereits drei Staffeln diese hohe Qualität hält. Ich finde sogar, dass die Serie noch dazugewonnen hat".
"Weissensee" sei "eine der bislang noch wenigen neueren deutschen Serien, die was wagt", erklärt die Schauspielerin. "Das vielschichtige Erzählen einer eigenen, nicht kopierten Geschichte, in der ein großes buntes Ensemble an Figuren in den Haupt- und Nebensträngen wirken darf. Das ist doch fantastisch, wie spannend die Komplexität ist! Dabei nehmen die Macher die Sache auch historisch ernst, sind nie platt, nie eindimensional. Mich begeistert das." Und "Weissensee" habe es mit seinem Erfolg geschafft, anzuschieben, "was jetzt hierzulande an mutigen, tollen Miniserienproduktionen entstehe", schwärmt sie weiter: "Das ist doch klasse. Mich freut das enorm."
Kommt Staffel 4?
Und wie geht es mit der Serie weiter? "Wir alle wünschen uns eine 4. Staffel, die dann nach der Wende weitergeht, was irre interessant wäre. Diese Zeit ist noch überhaupt nicht erzählt worden. Wie arrangieren sich die Charaktere in der neuen Zeit, im neuen System. Wirtschaftlich, politisch und sozial. Welche Hoffnungen, aber auch Ängste werden sich für die Figuren erfüllen? Welche Geheimnisse kommen noch zutage? Wer fällt auf die Füße, wer geht unter. Da ist eine Menge an interessanten und unvorhergesehenen Entwicklungen für die Figuren möglich. Das ist ja das Tolle!"
Die dritte "Weissensee"-Staffel beginnt mit dem Mauerfall, die 1972 geborene Mehnert stammt selbst aus Erfurt. Sie hat die Wende so erlebt: "Unsicherheit spielte eine Rolle in den Tagen vor dem Mauerfall. Dann war ich ziemlich bald in der ganzen Welt unterwegs. Ein befreiendes Gefühl, tun zu können, was man möchte, sagen zu können, was man möchte. Ohne Angst. Mit Freiheit und vielen Möglichkeiten muss man aber auch umgehen können. Man kann sich auch verlieren."
"So war es in Ordnung"
Später hat Mehnert dann unter anderem als Barkeeperin auf der Reeperbahn gearbeitet. Dort seien ihr "viele schräge Gestalten und Geschichten begegnet. Das war interessant. Anziehend und abstoßend zugleich auf eine Art". Sie habe sich ein paar Jahre treiben lassen und sei den Dingen nachgegangen, die sich ihr boten. "Vielleicht auch, weil ich das 'Müssen' und 'Seinsollen wie' so satt hatte. Ich habe ja in den verschiedenen Jobs auch aus unterschiedlichen Beweggründen gearbeitet. Oft quasi gleichzeitig. Ich musste einerseits Geld verdienen, mich hat niemand gesponsert. Und anderes hat mich inhaltlich mehr interessiert. So kam sozusagen eins zum anderen. Die Lehre als Offsetdruckerin, das Modeln, das Kellnern, die Arbeit als Türsteherin, Barfrau, Verkäuferin, die Schauspielerei, die Autoren Masterclass an der Filmschule in Hamburg.... Ich bin nicht die Type, die sich schon im Kindergarten vorgenommen hat, Schauspielerin oder was zu werden und das dann durchgezogen hat. Manchmal denke ich allerdings, das wäre vielleicht besser gewesen. Aber eigentlich, nein. Ich hab das so gemacht und so war es auch in Ordnung."
Und was ist Mehnerts Zwischenbilanz zum 25. Tag der Deutschen Einheit? "Zusammengewachsen sind wir jedenfalls - größtenteils. Und wie bei allem, was zusammenwächst, bleiben Narben. Ich persönlich habe jedenfalls mit Sicherheit auch Dinge erlebt, die ich ohne diese Einheit zwischen Ost und West nicht erlebt hätte und ebenso viele Leute auf der Welt kennengelernt, die ich auch nie getroffen hätte, die in vieler Hinsicht bereichernd waren und teils noch sind. Die anderen gab es auch. Geschichten wie Leute. Es gibt eben Positives und Negatives. Aber irgendwas ist doch immer, oder?"
Zu sehen gibt es von Mehnert über "Weissensee" hinaus auch noch einiges mehr: "Gerade habe ich eine Folge 'Heldt' in Köln abgedreht und im Dezember läuft 'Platonow', eine ziemlich skurrile Filmadaption des Theaterstückes von Tschechow auf 3sat. Da spiele ich eine der großen Rollen in einem tollen, ungewöhnlichen Ensemble, zum Beispiel neben Robert Besta und Stephan Grossmann, den wir ja auch aus 'Weissensee' kennen, unseren herrlichen Polizeiunterleutnant Görlitz."