Histo-Monte 2006
Da staunt Ihr, was? Ein schnöder 3er-BMW bei der berühmten AvD-Histo-Monte unterwegs von Bad Homburg nach Monaco. Doch, das macht Spaß - und wie.
Das war nämlich so: Eigentlich benötigte ich lediglich schnell ein Winterauto, weil mein ursprünglich dafür vorgesehenes Vehikel kurzfristig kollabiert war. Praktischerweise wollte ein Nachbar von Malte Jürgens gerade seine alte Familienkutsche loswerden – einen 1986er BMW 318i mit gut 180.000 Kilometern auf dem Zählwerk. Preis: 600 Euro, inklusive Winterreifen. Welch glückliche Fügung.
"Und Sie richten das Auto jetzt wieder her und machen alles schön und wie neu?", fragte der Vorbesitzer frohgemut, als ich den Wagen abholte. "Äh, nein", erwiderte ich, schaute auf den angerosteten rechten Radlauf und den gleichsam angeknabberten Kofferraumdeckel und ergänzte: "Eigentlich möchte ich damit Rallye fahren." "Oh", sagte Maltes Nachbar.
Zwischenzeitlich nämlich war die Ausschreibung der AvD-Histo-Monte ins Haus geflattert, bei der Organisator Manfred Triefenbach erstmals eine eigene Youngtimer-Klasse bis Baujahr 1986 ausgeschrieben hatte. "Klar kannst du mit dem BMW mitfahren", meinte der 58-Jährige und sandte eine Nennbestätigung. Also wurde der 318i rallyetauglich gemacht und erhielt eine große Inspektion. Außerdem aus Sicherheitsgründen neue Bremsbeläge und frische Bremsflüssigkeit sowie neue Zündkerzen, Zündkabel und Verteilerkappe.
Auch damit blieb der Gesamteinsatz noch unter der 1.000-Euro-Marke. Als Beifahrer verpflichtete ich Kollege Markus Stier, den Rallye-Experten von auto motor und sport. Der 38-Jährige ist zwar mit allen lebenden Weltmeistern per Du und pilgert jährlich zur Rallye Monte-Carlo,war aber bislang noch nie mit einem startnummerbewehrten Rallyeauto im Hafen von Monaco. Ein untragbarer Zustand.
Dass wir mit einem serienmäßigen Wagen ohne professionellen Wegstreckenzähler nicht den Hauch einer Chance auf vordere Plätze hätten, habe ich wohlweislich verschwiegen. Ein ordentlicher Halda-Tripmaster aber wäre teurer gewesen als das ganze Auto. Viel wichtiger als Ruhm und Ehre war schließlich auch die Frage, ob ein so junges Auto wie der BMW E 30 bei der altehrwürdigen AvD-Histo-Monte Spaß machen würde - und wie die anderen Teilnehmer und die Zuschauer auf den Zweitürer reagieren.
Startschuss in Bad Homburg
Zunächst fällt er gar nicht auf: Unter den vielen bunten Rallyeautos, die sich zum Start in Bad Homburg versammeln und die zum Teil mit Überrollkäfigen und einer irrwitzigen Instrumentensammlung im Cockpit versehen sind, wirkt der delphingraue BMW (der nicht einmal einen Drehzahlmesser besitzt) wie zufällig zum Brötchenholen geparkt.
Erst als er plötzlich mit der Startnummer 16 auf den Türen und einem Rallyeschild an der vorderen Chromstoßstange dasteht, kommt Leben in die Bude. "Manchen graust es vor gar nichts", brummt ein Konkurrent angewidert. "Zu neu", befindet auch Buckelvolvo-Beifahrer Mike Giesche, während Jaguar Mk1-Copilotin Berit Bremer salomonisch erklärt: " Jedem das Seine."
Da nähert sich eine junge Dame mit Kind. "So einen hatte mein Vater auch mal", ruft sie erfreut und blickt in den Innenraum. "Schau nur", erklärt sie ihrem Sohn, als ich den BMW abschließe: "Früher besaß noch nicht jedes Auto eine Zentralverriegelung."
Auch bei der ersten Wertungsprüfung im Opel-Testzentrum Dudenhofen steht ein Kenner am Streckenrand. "Ah, ein früher 318i, noch mit dem alten M10-Vierzylinder mit kettengetriebener Nockenwelle", meint der Herr in der BMW.Motorsportjacke und erklärt: "Dieser Motor ist ja praktisch unzerstörbar." Na hoffentlich. Jedenfalls schiebt der 1,8-Liter mit seinen 105 PS den lediglich 1.020 Kilogramm leichten BMW überraschend kräftig an.
Sein serienmäßiges Fünfganggetriebe erfreut mit knackigen Schaltwegen, die Traktion ist gut und die Straßenlage ohne Tadel. Die Lenkung allerdings könnte direkter sein. Auf dem Weg zur nächsten Prüfung liefern wir uns ein paar nette Duelle mit einer Mercedes Pagode und einem Austin-Healey, nur einen 911er müssen wir ziehen lassen. Die nun folgende Bergrennstrecke Zotzenbach ist typisch für die Gleichmäßigkeitsprüfungen der Histo-Monte: Auf rund fünf Kilometern müssen die Teams einen Schnitt von 48 km/h genau einhalten.
Profis wie der ehemalige Walter Röhrl-Beifahrer Jochen Berger im Werks-Opel Ascona arbeiten hier mit Wegstreckenzählern, die auf zehn Meter genau messen, mit Schnitt-Tabellen und Schnitt-Computern. Wo genau die Zeitnehmer stehen, ist unbekannt. Dennoch weichen die Top-Teams in der Regel nur wenige Zehntelsekunden von der Idealzeit ab. Mit unserer Hundertmeterrolle im Tacho und der mechanischen Stoppuhr können wir da kaum mithalten. "Hauptsache, wir werden nicht Letzte", meint Markus.
Als Nächstes steht eine Sollzeitprüfung auf der Grand-Prix-Strecke in Hockenheim auf dem Prüfungsplan, aber wir sind uns einig: "Los", sagt Markus, "gewinnen können wir ohnehin nicht, also pfeifen wir auf die vorgegebenen Zeiten, gönnen uns maximale Strafpunkte und haben dafür vier Runden lang Spaß." Anschließend ist auch der letzte Rest Hartgummi von den Reifen runtergeraspelt – das Auto liegt noch mal besser. Das ist auch gut so, denn gegen Nachmittag gelangen wir in die tief verschneiten Vogesen.Vor allem bergab gibt es immer wieder charakterbildende Momente, in denen wir die gesamte Streckenbreite benötigen.
"Endlich passiert was", grinst Markus nach einem Beinahe-Einschlag und fordert: "Noch schneller". Im Etappenziel Bolwiller folgt die große Überraschung: Rang 24 unter den 63 Teilnehmern, Platz zwei in der Youngtimer-Klasse. "Schau an", kommentiert Markus mit plötzlich erwachendem Ehrgeiz. Der wird am nächsten Tag beim Ballon d’Alsace auf eine harte Probe gestellt.
"Bloß nicht stehen bleiben"
Angesichts der Schneemassen reduzieren die Zeitnehmer den Schnitt auf 36 km/h, manche Teams montieren lieber gleich Schneeketten. Wir probieren es ohne. Plötzlich blockiert vor uns ein Jaguar die Strecke, im Zentimeterabstand rutschen wir vorbei. "Bloß nicht stehen bleiben", sagt Markus.
Auch die weiteren Wertungsprüfungen in den südlichen Vogesen und im französischen Jura bis ins Etappenziel Genf haben es in sich. Dennoch haben wir bis zum Abend nur einen Platz verloren, am Ballon d’Alsace hatten wir sogar die fünftbeste Zeit. "Das gibt’s ja wohl nicht", meint Jochen Berger beim Blick auf die Ergebnislisten. "Ich kurve hier mit Profi-Ausrüstung am Ballon auf Rang 20 rum, und ihr fahrt mit eurer 600-Euro-Kiste auf vordere Plätze", grinst er gutmütig und spendiert an der Bar zwei Bier.
Am dritten Tag aber erhält unser Enthusiasmus einen Dämpfer: Erst blockiert uns in der Chartreuse ein steckengebliebenes Postauto, und dann verfahren wir uns auch noch. Zudem werden Schnee und Eis auf der Reise in den Süden selten, und auf trockenem Asphalt ist der Vorteil der Autos mit präzisem Wegstreckenzähler noch größer. Andererseits lässt sich der Fahrspaß auf dem Weg über Sisteron Richtung Côte d’Azur kaum überbieten.
Die Streckenführung ist traumhaft schön - manche Abschnitte wie der Grand Canyon du Verdon sind schlicht grandios. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich der BMW bislang als gute Wahl erwiesen: Mit seinem agilen, vorn längs eingebauten Vierzylinder, geringem Gewicht und Heckantrieb entspricht er dem klassischen Ideal eines sportlichen Automobils. Von den Segnungen der Moderne wie ABS, Servolenkung oder elektronischen Fahrhilfen blieb er glücklicherweise verschont, damit entspricht er im Wesen eher den zahllos auf der Histo-Monte vorhandenen BMW 02 oder Volvo als seinen neuzeitlichen Nachfolgern.
Kurzum: Der 20 Jahre alte 318i fährt sich alt genug, um auf einer klassischen Rallye Freude zu bereiten. Das sehen die anderen Mitstreiter in der Youngtimer-Klasse ebenso: Holger und Sven Köhler aus Karlsruhe etwa haben sich für solche Gelegenheiten extra einen Golf GTI 16 V aufgebaut. "Irgendwann passt er vom Baujahr her, und Teile sind billig", erklärt Holger Köhler und ergänzt: "Unser Triumph TR 250 ist für so eine Winterrallye mittlerweile zu schade und zu teuer."
Auch für Matthias Bartsch und Klaus Thiele stehen die Kosten neben dem Fahrspaß im Vordergrund: "Unser Porsche 944 sollte als Rallyeauto nicht mehr als 5.000 Euro kosten", sagt Bartsch und lobt: "Toll, das es hier jetzt endlich eine Youngtimer-Klasse gibt." Möglicherweise erleben wir bei den etwas härteren Rallyes erneut einen Generationenwechsel: In den vergangenen zehn Jahren wurden die Triumph, Alfa Giulietta und Porsche 356 langsam, aber sicher gegen robustere und preiswertere Wagen wie MG,Volvo und BMW getauscht.
Nun wachsen die Youngtimer nach. Doch egal, ob Klassiker oder Youngtimer: Alle zusammen genießen es, beim Start zur letzten Etappe in St. Raphaël an der Côte d’Azur nicht mehr die Scheiben freikratzen zu müssen. Zum Abschluss stehen Col de Turini, Col de Braus und Col de la Madonne auf dem Programm:Wir gehen von Platz 27 aus ins Rennen.
Die Klassiker der Monte enttäuschen auch diesmal nicht, die Schnitte sind hoch und manche Streckenabschnitte nicht breiter als der BMW. Und wir träumen mittlerweile laut von Überrollkäfigen, Vierventil-Zylinderköpfen und dem BMW 318is-Cup. Plötzlich hält uns zwischen zwei Prüfungen ein Franzose an und meint, er hätte noch genau so einen BMW zu verkaufen, ob wir nicht Interesse hätten?
"Sammlerzustand", ruft er noch, doch wir müssen weiter. Die pünktliche Zielankunft im Hafen von Monaco duldet keinen Aufschub. Im Ziel werden schließlich die Markenkollegen Karlheinz Schott und Matthias Pfister auf einem 2002 als Sieger gefeiert, die Youngtimer-Wertung gewinnt das Vater-Sohn-Team Köhler im Golf GTI.
Wir sind am Turini im Gesamt-Klassement noch einen Platz nach vorn geklettert und belegen Rang vier in der Klasse. Der BMW hat auf knapp 2000 Rallye-Kilometern im Schnitt zehn Liter Normalbenzin und einen guten Liter Öl verbraucht und nie gemuckt. Im Sommer bekommt er einen neuen rechten Radlauf und eine neue Kofferaumklappe, vielleicht sogar neue Sitze. Dann ist er wieder schön und wie neu - und Maltes Nachbar wird sich freuen.
HISTO-MONTE 2007
Das Wichtigste vermeldete Organisationsleiter Manfred Triefenbach gleich zu Beginn der Siegerehrung: "Es wird auch 2007 wieder eine Histo-Monte geben, und es wird auch wieder eine Youngtimer-Klasse ausgeschrieben."
20 Jahre sollte das Vehikel mindestens auf dem Buckel haben, ein spezieller Fahrzeugpass oder eine Lizenz sind nicht nötig. Da es sich um eine Gleichmäßigkeitsrallye handelt, sind keine Sicherheitseinrichtungen wie Überrollkäfig, spezielle Sitze oder eine Feuerlöschanlage vorgeschrieben - wohl aber erlaubt.
Sinnvoll ist vor allem der Einbau eines Wegstreckenzählers, zum Beispiel ein Retrotrip für rund 370 Euro. Ganz klassisch ist der Halda-Twinmaster, mit 2000 Euro aber auch ganz schön teuer. Ein Schnittcomputer kostet etwa 300 Euro, zwei ordentliche Stoppuhren rund 140 Euro (elektronisch) oder 460 Euro (mechanisch), ein Satz Schnitt-Tabellen 84 Euro.
Das Auto sollte vor dem Einsatz gründlich durchgesehen werden, Winterreifen und Schneeketten sind Pflicht. Das Nenngeld beträgt voraussichtlich wieder rund 2.200 Euro inklusive Hotels und Verpflegung.
Ergebnis
12. AvD-Histo-Monte, 9. bis 12. Februar 2006, Streckenlänge 1.910 Kilometer mit 26 Wertungsprüfungen über 270 Kilometer.
1. Schott/Pfister, BMW 2002
2. Günther/Burgbacher, Mercedes 300 SEL
3. Steinfurth/Biebinger, Opel Kadett B
4. Thaler/Berger, Opel Ascona A
5. Wohlenberg/Vacano, Mercedes 230 SL
6. Bunz/Heinrici, VW Karmann Ghia
7. Gärtner/Kern, BMW 2002 tii
8. Collenbusch/Collenbusch, BMW 2002
9. Weck/Dürholt, BMW 2002
10. Plüschke/Collenbusch, BMW 2002
Youngtimer-Wertung
1. Köhler/Köhler, VW Golf GTI
2. Schmidt/Euler, BMW 635 CSi
3. Thiele/Bartsch, Porsche 944